33. Jahrgang · 8,50 €HHK Ausgabe 6/2017ISSN 0933-3355www.hardthoehenkurier.de MarineDeutsche Fähigkeitzur U-JagdSchwerpunktStimmen zum JahresausklangDeutsch-französische OffizierausbildungWehrtechnikInterview mitTh. Müller, CEO HensoldtIm Cluster „Medical Support“ des Framework Nations Concept der NATO wird die multinationale sanitätsdienstliche Unterstützung koordiniert und die Interoperabilität vorangetriebenHeerLuftwaffeDrei Jahre A400Mim LTG 62SanitätsdienstFür ein starkes europawww.saabgroup.comDIE ZUKUNFTVORHERSEHENDie Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung werden immer komplexer. Mit ihnen Schritt zu halten, reicht nicht. Vielmehr sollte man ihnen stets voraus sein.Deshalb arbeitet Saab eng mit Kunden und anderen Beteiligten zusammen, um die Anforderungen der Zukunft zu identifizieren – nicht nur die unmittelbaren. Cyber-Angriffe werden immer ausgefeilter, während die Grenzen zwischen militärischen und zivilen Angelegenheiten immer stärker verschwimmen. Indem wir unsere Technologie mit der nötigen Flexibilität ausstatten, stellen wir sicher, dass wir auch neuen Bedrohungen effektive Lösungen entgegensetzen können. Die Welt steht nicht still. Dasselbe gilt für Saab. Unser innovativer Ansatz und unsere zukunftsorientierte Art zu denken, versetzen uns in die einzigartige Lage, technologischen, operativen und umweltbezogenen Veränderungen stets einen Schritt voraus zu sein. So sorgen wir dafür, dass Sie auf die Zukunft vorbereitet sind. Bereits heute.www.saab.com3EditorialHHK 6/2017erlauben sie mir, zum Jahresende meine kritischen Worte aus meinem editorial der ausgabe 6/2016 des Hardthöhenkuriers noch einmal zu unterstreichen.Hatte man doch zum Jahresende 2016 noch gedacht, dass die zahlreichen kriegshandlungen und die religiös motivierten auseinandersetzungen ausgesetzt werden, damit die riesigen Flüchtlingsströme im schwerpunkt aus den Maghreb-staaten und nordafrika nach europa abebben und die globalen Be-drohungen in der Welt nicht noch schlimmer werden können, so sind wir durch die tatsächlichen Geschehnisse leider eines Besseren belehrt worden.Die globale sicherheitslage ist noch immer noch äußerst ange-spannt. Die weltweiten terroranschläge im zurückliegenden Jahr haben uns wieder einmal mehr verdeutlicht, dass gerade europa durch diese hinterhältigen taten einiger unbelehr-barer und Fantasten verwundbar ist. ein ende der ständigen und unvorhersehbaren Bedrohungen ist nicht erkennbar.Die Forderungen an unsere politiker nach entsprechenden Lösungen sind vielfältig und in diesem Zusammenhang kann nur ein vielschichtiger und interdisziplinärer ansatz zum er-folg führen.immer mehr Bürger haben einfach angst vor überfremdung und vor einer gesetzlosen parallelgesellschaft in Deutschland. um die angst („angst frisst die seele auf“) und das Misstrauen gegenüber der politik bei den Bürgern zu heilen, hilft nur eine ehrliche wie auch offene informationspolitik und auch der Wille, solche Missstände abzustellen. Denn nur ein tat-kräftiges Handeln des staates und der regierenden und da-mit erkennbare ergebnisse helfen, das Vertrauen in einen starken rechtstaat zurückzugewinnen und natürlich auch die radikalen politischen strömungen einzudämmen.ich denke, dass unsere regierungsverantwortlichen sich nicht wundern dürfen, wenn die Wähler das Vertrauen in ihr tun und Handeln verloren haben und sich von den sogenannten etablierten großen Volksparteien abgewendet haben. eine Fortführung wie bisher wird von den Wählern nicht mehr akzeptiert werden.Jetzt sind die vom Volk gewählten Bürgervertreter in der Verantwortung und pflicht, aus der jetzigen Hängepartie als ergebnis der Bundestagswahl, schnell eine ordentliche und tragfähige regierung zu bilden.Wir alle sind auf das ergebnis gespannt!in diesem Zusammenhang möchte ich auf den sehr interessan-ten Gastbeitrag durch Herrn Claus Günter, Ceo und Mitglied des Vorstandes Firma Diehl Defence hinweisen: offen und schnörkellos legt er den Finger in die Wunde zur aktionellen Lage der deut-schen Verteidigungsindust-rie. ich denke, dass hierzu in Berlin ein ressortübergrei-fendes Handeln angesagt ist, um die nationalen sicherheitsinteressen Deutschlands zu gewährleisten.sehr dankbar bin ich auch dem Generalinspekteur der Bun-deswehr, General Volker Wieker, für sein klares und informa-tives sowie offenes und sehr lesenswertes Gastwort bei uns im Hardthöhenkurier.Geschätzte Leserinnen und Leser, ich bin überzeugt, dass unser redaktionsteam unter der Leitung von Jürgen k.G. rosenthal (jetzt seit über 10 Jahren unser geschätzter Chefredakteur) ihnen eine weitere interessante und aktuelle Jahresend-ausgabe des Magazins Hardthöhenkurier gestaltet hat und wünsche ihnen viel spaß beim Lesen.Mein team und ich möchten unseren herzlichen Dank für ihre unterstützung und treue ausdrücken und wünschen ihnen und ihren Lieben ein frohes Weihnachtsfest und ein friedliches und glückliches Jahr 2018 und dies hoffentlich mit einer ab-geschlossenen regierungsbildung.allen soldatinnen und soldaten, die sich im einsatz befinden, meinen aufrichtigen Dank und anerkennung für ihren ein-satz für Deutschland und europa sowie für unsere demokra- tische, friedliche und offene Wertegesellschaft.Mit besten Grüßen von der Hardthöheihr klaus karteuschVerleger und GeschäftsführerSehr geehrte Leserinnen und Leser,Für ein starkes europaVerlagshaus BonnRedaktion, Ansprechstelle und Anzeigenleitung:Karin HelmerathBorsigallee 12 · 53125 BonnTelefon: +49 (0) 228 / 25 90 03 44Telefax: +49 (0) 228 / 25 90 03 42 E-Mail: anzeigenleitung@hardthoehenkurier.dewww.hardthoehenkurier.deBüro Berlin:Mobil: +49 (0) 160 / 96 65 68 38Mobil: +49 (0) 170 / 34 80 619E-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.dewww.hardthoehenkurier.deImpressumHardthöhenkurierDas Magazin für Soldaten und Wehrtechnik33. Jahrgang – Nr. 6/2017, ISSN 0933-3355Herausgeber:K&K Medienverlag-Hardthöhe GmbH Kartäuserstraße 38 · 53332 BornheimOffizieller Partner:Verleger und Geschäftsführer:Klaus KarteuschTelefon: +49 (0) 228 / 25 90 03 44Telefax: +49 (0) 228 / 25 90 03 42 Mobil: +49 (0) 160 / 96 65 68 38E-Mail: karteusch@hardthoehenkurier.deE-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.dePostanschrift: Borsigallee 12 · 53125 Bonn Chefredakteur und Chef vom Dienst:Jürgen K.G. RosenthalTelefon: +49 (0) 2226 / 80 94 80Telefax: +49 (0) 2226 / 88 30 879Mobil: +49 (0) 170 / 34 80 619E-Mail: rosenthal@hardthoehenkurier.deE-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.deInhalt 4Im Cluster „Medical Support“ des Framework Nations Concept der NATO wird die multinationale sanitätsdienstliche Unterstützung koordiniert und die Interoperabilität vorangetrieben© Bundeswehr / PAO MINUSMAHHK 6/2017editorial ...................................................................seite 3GasteditorialGeneral Volker Wieker, Generalinspekteur der Bundeswehr .....................seite 6anders sjöberg, Geschäftsführer saab Deutschland GmbH ................................................seite 8Claus Günther, Ceo Diehl Defence und Mitglied des Vorstands der Diehl Gruppe ............seite 9SchwerpunktZum Jahresausklang: Stimmen aus dem Bereich der Verteidigung – Generalleutnant Jörg Vollmer, inspekteur des Heeres, kommando Heer ..............................seite 10– Ministerialdirektorin alice Greyer-Wieninger, abteilungsleiterin iuD im BMVg .......................seite 15– Vizeadmiral andreas krause, inspekteur der Marine ........................................seite 20– Dr. Hans-peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages ...............................seite 22– oberst d.r. oswin Veith, MdB, präsident des reservistenverbandes ..................seite 24StreitkräftebasisDas Logistikkommando der Bundeswehr ..............seite 26esG – Logistische simulation ein Management-tool für streitkräfte ........................seite 30interview mit Dirk Verheijden, Managing Director der national air Cargo (Deutschland) GmbH .......seite 32Workshop: Zivil-Militärische Zusammenarbeit ....................................................seite 95Cyber- und Informationsraum60 Jahre Militärisches nachrichtenwesen .............seite 34HeerGender advising am HQ allied rapid reaction Corps (HQ arrC) ..........................seite 40szenaris – mit serious Games herausfordernd und spielerisch lernen .................seite 43Deutsche offiziere auf französischen offizierlehrgängen .........................seite 44Leitfragen zur Gestaltung einer zukünftigen ausbildung im Heer ..........................seite 48informationslehrübung Landoperationen (iLü) 2017 ...................................seite 52LuftwaffeDrei Jahre a400M im Lufttransportgeschwader 62 .................................seite 54Zum sachstand der einsatzprüfung H145M ..........seite 60Marineinternationale seerechtskonferenz des Centre of excellence for operations in Confined and shallow Waters in Wien ..................seite 62Die Deutsche Marine auf dem Weg in die kommende Dekade .............................seite 65German naval Yards – schiffbau in Deutschland – Motor für Wachstum und innovationen ............seite 68einsatzausbildungszentren – Die einsatzausbildung der Marine auf dem Weg in die Zukunft. ...............................................seite 70esri – überblick auf hoher see und auch an Land ...seite 74Zur Wiedererlangung der Fähigkeit zur u-Jagd ..seite 76Sanitätsdienstsanitätsdienstliche Versorgung – früher, heute, morgen ........................................................seite 82ZMZ – sanitätsdienst mit zivilem Hilfs- und katastrophenschutz ...............................................seite 86im interview beschreibt Generalarzt Dr. andreas Hölscher, stv kommandeur kdo sanitätsdienstliche einsatzunterstützung ....seite 8933. Jahrgang · 8,50 `HHK Ausgabe 6/2017ISSN 0933-3355www.hardthoehenkurier.de MarineDeutsche Fähigkeitzur U-JagdSchwerpunktStimmen zum JahresausklangDeutsch-französische OffizierausbildungWehrtechnikInterview mitTh. Müller, CEO HensoldtIm Cluster „Medical Support“ des Framework Nations Concept der NATO wird die multinationale sanitätsdienstliche Unterstützung koordiniert und die Interoperabilität vorangetriebenHeerLuftwaffeDrei Jahre A400Mim LTG 62SanitätsdienstFÜR EIN STARKES EUROPAVervielfältigungen oder elektronische Übertragungen nur mit Genehmigung des Herausgebers.HHK 6/2017Redakteur Sonderthemen/ Buchrezensionen:Friedrich-Karl JeschonnekBorsigallee 12 · 53125 BonnTelefon: +49 (0) 228 / 25 90 03 44Telefax: +49 (0) 228 / 25 90 03 42 Mobil: +49 (0) 171 / 74 58 652E-Mail: F-Jeschonnek@t-online.deE-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.deRedakteur Streitkräfte und Wehrtechnik:Burghardt LindhorstTelefon: +49 (0) 228 / 25 90 03 44Telefax: +49 (0) 228 / 25 90 03 42 E-Mail: lindhorst@hardthoehenkurier.deE-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.de Redakteur Wehrtechnik und Automotive:Karl-Hans KuhlTelefon: +49 (0) 2633 / 47 00 29Telefax: +49 (0) 2633 / 47 00 85Mobil: +49 (0) 171 / 87 94 009E-Mail: kuhl@hardthoehenkurier.deE-Mail: redaktion@hardthoehenkurier.deLayout und Hardthöhenkurier-Online:Veronika Christine PleschkaMonheimstraße 13 · 53229 BonnTelefon: +49 (0) 228 / 97 63 195E-Mail: produktion@hardthoehenkurier.de Lektorat:Verena Rosenthal Druck:Rautenberg Media & Print Verlag KGKasinostraße 28-30, 53840 TroisdorfLeiter Marketing & Anzeigenberatung:Peter ViereckTel: +49 (0) 2247 / 92 17 041Fax: +49 (0) 2247 / 92 17 043Mobil: +49 (0) 172 / 20 98 055E-Mail: viereck@hardthoehenkurier.deMarketing / Anzeigenberatung:Thomas Liebe, M.A.Borsigallee 12 / D-53125 BonnTel.: +49 (0) 228 / 25 900 350Telefax: +49 (0) 228 / 25 90 03 42Mobil: +49 (0) 176 / 24 13 0229E-Mail: t.liebe@hardthoehenkurier.de5HHK 6/2017 InhaltInserentenverzeichnis:3M Deutschland GmbH ......................................seite 101aFCea Bonn e.V. ................................................seite 100Boeing Deutschland GmbH ...............................seite u3BWi GmbH ..........................................................seite 117Deutsche Bahn aG .............................................seite 103Deutscher BundeswehrVerband e.V. ................seite 69DeutsCHe GeseLLsCHaFt Für WeHrteCHnik e.V. (DWt) ................................seite 99esG elektroniksystem- und Logistik-GmbH .......seite u4esri Deutschland GmbH ......................................seite 39FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH ................................................seite 13Förderkreis Deutsches Heer e.V. (FkH) ..............seite 47German naval Yards kiel GmbH ......................seite 67HensoLDt sensors GmbH ................................seite 35inFoDas GmbH .................................................seite 79intergraph Hexagon safety & infrastructure ...seite 37MBDa Deutschland GmbH .................................seite 59Messe Berlin GmbH .............................................seite 55 nammo Germany GmbH ....................................seite 51national air Cargo (Deutschland) GmbH .........seite 105rohde & schwarz Cybersecurity GmbH ............seite 75ruaG Defence Deutschland GmbH ..................seite 18/19saab Group .........................................................seite u2steep GmbH ........................................................seite 93sun test systems B.V. .........................................seite 57HHK 6/2017interview mit Christoph unger, präsident Bundesamt für Bevölkerungsschutz und katastrophenhilfe (BBk) ................................seite 91interoperabilität – Das konzept der Zukunft .......seite 92Wehrverwaltungserie: die Wehrtechnische Dienststellen der Bundeswehr .....................................................seite 96NewsaFCea Bonn - Veranstaltungen 2018 ...................seite 100personal .................................................................seite 10210jähriges Bestehen – Civil-Military Cooperation Centre of excellence .........................seite 104inFoDas GmbH – sichere Weitergabe von digitalen informationen ................................seite 106Wehrtechnikinterview mit thomas Müller, Ceo der HensoLDt Holding Germany GmbH ....................seite 108interview mit Dr.-ing. Lüder Hogrefe, Managing Director, raytheon anschütz GmbH ...seite 110areXis – saabs neue „electronic Warfare“ produkt Linie ........................................................seite 114esG Cyber- /it-services am neuen standort ..........seite 115ruaG – umfassender schutz vor Cyberrisiken .....seite 116eaFt – Digitalisierung in der Lkw-instandsetzung .....................................seite 118Lachen HelfenLachen Helfen – kriegskindern das Lachen zurückschenken ......................................................seite 120Serviceautomotive .............................................................seite 122Bücher .....................................................................seite 128themenvorschau ausgabe 1/2018 .........................seite 130 das sicherheitspolitische umfeld Deutsch- lands ist von weiter zunehmender kom-plexität, hoher Dynamik und unbestän- digkeit geprägt. Clausewitz behält un-verändert recht, wenn er den krieg als ein „wahres Chamäleon“ bezeichnet und darauf verweist, dass politische analyse und militärische auswertung des auf-trages immer auch seine spezifische um-gebung in Betracht ziehen müssen.Denken in einflusssphären und nationale egoismen stellen eine kooperative kon-flikteinhegung zunehmend in Frage.Die Lage in syrien, zwischen euphrat und tigris oder der „frozen conflict“ im osten der ukraine stehen für diese Feststellung.Jene konflikte sind auch gerade darum so gefährlich, weil in deren Folge russ-land zu einem dauerhaften Gegenspieler der regionalen ordnungsbemühungen des Westens zu werden droht. Darüber hinaus hält die krisenhafte entwicklung und instabilität in weiten teilen nord- afrikas, des sahelgürtels, der Levante und des Mittleren ostens weiter an.schließlich tritt die bittere Feststellung hinzu, dass die Durchsetzung politischer interessen mit militärischen Mitteln auf den „alten kontinent“ zurückgekehrt ist. Die europäische Friedensordnung ist offen in Frage gestellt – unser vielfach beschworenes friedliches Zeitalter hat an Glaubwürdigkeit verloren.Dadurch gewinnt auch jener auftrag wieder herausragende Bedeutung, der in den letzten Jahrzehnten ein wenig aus dem Blickfeld geraten ist: die Landes- und Bündnisverteidigung.Vielmehr waren es in unserer jüngeren Vergangenheit die mandatierten aus-landseinätze zur internationalen kon-fliktverhütung und krisenbewältigung, welche die ausrichtung der kompass- nadel für entwicklung und selbstver-ständnis der streitkräfte bewegten.Grundsätzliche politische kontinuität in Berlin vorausgesetzt, wird es dieser perspektivenwechsel auf die Landes- und Bündnisverteidigung im sinne kollektiver Verteidigung sein, der in der zukünftigen konzeption der Bundes-wehr (kdB) zum strukturbestimmenden parameter für unsere Grundaufstellung wird.sie wird das Dachdokument der Gesamt-konzeption der militärischen Verteidi-gung Deutschlands und schafft somit ein gemeinsames und ganzheitliches Verständnis über die künftige ausrich-tung der Bundeswehr.aus ihrem qualitativen Charakter, der nationalen Zielvorgabe, leiten sich quanti- tative Folgerungen ab, die im Fähigkeits- profil der Bundewehr ihren ausdruck finden.Jenes Fähigkeitsprofil beschreibt somit zukünftig das gesamte Handlungs- und Leistungsvermögen der Bundeswehr.Dabei gilt: alle aufgaben der Bundes-wehr sind aus einem kräftedispositiv, das nur einmal vorhanden ist – single set of forces – gleichrangig, aber nicht gleichzeitig, zu erfüllen.um der politik auch weiterhin eine Viel-falt an Handlungsoptionen anbieten zu können, müssen kräfte daher über die ganze spannweite militärischer kon- fliktaustragung robust, eskalations- und durchsetzungsfähig sowie interoperabel aufgestellt und ausgerüstet werden.truppe, die für Landes- und Bündnis- verteidigung vorbereitet ist, besteht auch in allen ihren anderen aufgaben, zum Beispiel im rahmen des internatio- nalen krisenmanagements – wenn sie über die erforderliche materielle aus-stattung verfügt. Das erfordert die Be-schaffung spezifischer Missionspakete, die hierbei eine scharnierfunktion zwischen verschiedenen aufgabenfel-dern einnehmen.Darin werden personal, Material und bei Bedarf auch ausbildungskapazitäten oder Dienstleistungen für einsätze oder Sehr geehrte Leserinnen und Leser,General Wieker zu Besuch bei der Battlegroup eFP im Zuge der Übung IRON WOLF.© PAO EFPGasteditorialGastbeitrag6HHK 6/2017General Volker Wieker, Generalinspekteur der Bundeswehr© BundeswehrGasteditorial7Gastbeitrageinsatzgleiche Verpflichtungen vorge-halten, die per se nicht vollumfänglich für alle truppenteile beschafft oder aus-geplant werden müssen.Die Bandbreite kann hier von verlege- fähigen Gefechtsstandausstattungen und it-services über spezialisierte persönliche ausrüstung und Waffen für verschiedene klimazonen bis zu geschützten Feld-lager- und unterkunftsmodulen oder dem notwendigen Gebinde zum Betrieb eines Luftstützpunktes reichen.eine konsequente ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung fordert aber auch, einsatzbereite kräfte rasch an die Grenzen des Bündnisgebietes verlegen zu können.unsere geostrategische Lage im Zen- trum europas erfährt dabei militärisch deswegen eine besondere relevanz, da unser Land mehr noch als früher zu einer strategischen Drehscheibe für die Handlungs- und reaktionsfähigkeit der nato wird.Dies gilt nicht nur für eine rolle als Host nation, sondern auch als transitland für die Verlegung von alliierten Verbänden bis in weiter entfernte einsatzräume.in operativer Hinsicht muss die Bundes-wehr in der Lage sein, größere multina- tionale Verbände konventioneller kräfte – so genannte larger formations – im oberen intensitätsspektrum gegen einen militärisch mindestens ebenbürtigen Gegner als rahmennation zu führen und hochwertige schlüsselfähigkeiten – critical enablers – bereitzustellen.Den dazu eingeschlagenen und erfolg-reichen Weg der integration, pragma-tischen Zusammenarbeit und Fähig-keitsentwicklung über Ländergrenzen hinweg werden wir kontinuierlich weiter beschreiten.eine Verstetigung der trendwenden Finanzen, personal und Material er-laubt uns, einen an den tatsächlichen aufgaben der streitkräfte orientierten ausstattungsumfang schrittweise zu erreichen und ausgehöhlte strukturen kontinuierlich zu befüllen.Dieses Ziel und die mit ihm verbundenen anstrengungen lassen sich weder kurz-fristig, noch zum spartarif erreichen und umsetzen. umso wichtiger ist es, den Weg dorthin mit einer konsequen-ten ausplanung einsatzbereiter system- verbünde auszugestalten, in denen passend ausgebildetes, einsatzbereites personal, verfügbares Material und in- frastruktur zusammenwirken können.Die jüngst entschiedene Beschaffung eines 2. Loses der korvette k130 oder der signifikante aufwuchs bei den Gtk Boxer und kampfpanzern LeoparD 2a7V trägt dazu bei.Moderne streitkräfte sind jedoch nicht nur eine Frage zeitgemäßer Hardware und effektiver organisation. Vielmehr benötigen sie ebenso tradition.eine tradition, die sich nicht nur kritisch mit der eigenen Vergangenheit ausein-andersetzt, sondern die zugleich in die Zukunft weist.in der deutschen Geschichte hat es keine geradlinige entwicklung zu parlamen-tarismus, rechtsstaatlichkeit und Demo-kratie gegeben.ihre abgründe, Zäsuren, aber auch Glanzlichter, begründen das selbstver-ständnis deutscher streitkräfte durch eine kritische auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit.Wir sind uns dieses schwierigen histori-schen erbes bewusst – und gerade des-wegen kann es keine ungebrochene deutsche Militärtradition geben. Die überarbeitung des traditionserlasses aus dem Jahr 1982 nimmt somit aus gutem Grund auch und ganz besonders die eigene Geschichte der Bundeswehr in den Fokus.Mehr als 62 Jahre nach ihrer Gründung stehen unsere streitkräfte für eine wehr-hafte Demokratie, in deren einbettung ein soldatisches selbstverständnis reifte, das den Missbrauch von streitkräften bereits im ansatz erstickt. Man kann es daher auch nicht treffender beschreiben als Helmut schmidt, der anlässlich des Ge- löbnisses am 20. Juli 2008 sagte: „Dieser staat wird euch nicht missbrauchen!“er formulierte mithin ein Credo, das gleichsam elementarer Bestandteil der staatsräson wie unseres beruflichen selbstverständnisses ist und bleibt.unsere eigene Geschichte meint weiter die Bewährung im kalten krieg, die armee der einheit in ihrer ganzen sym-bolik für die gesamtstaatliche integra-tion und natürlich heute unsere streit-kräfte im einsatz – und das bis zum scharfen ende dessen, was soldatisches Dienen ausmacht.Die innere Führung und mit ihr der staatsbürger in uniform, ein für alle soldatinnen und soldaten klar definier-tes und verbindliches Wertesystem und das damit einhergehende traditions-verständnis sind auch zukünftig für die auftragserfüllung unserer streitkräfte unerlässlich.General Volker Wieker,Generalinspekteur der BundeswehrHHK 6/2017General Wieker beim DEU EinsKtgt Irak in Erbil.© Bundeswehr / Sebastian WilkeGasteditorialGastbeitrag8Bedrohungsszenarien in der heutigen Zeit sind komplexer und unvorhersehbarer als jemals zuvor. Zudem kehren alte krisen aus vergangenen Zeiten wie beispielsweise die ukraine oder nordkorea wieder zu-rück. Wie spüren wir einen einsamen Hacker auf, der tausende von kilometern in seinem schlafzimmer sitzt oder eine person, die plant mit einem auto in eine große Menschenmenge in einer belebten stadt zu fahren? Die entwicklungen der letzten Zeit haben gezeigt, dass angriffe auf ein Land nicht mehr mit traditio- nellen militärischen Mitteln erfolgen müssen, um ein Land mit seiner Demo-kratie, freien Wahlen und lebenswichti- gen infrastrukturen zu bedrohen. Die neuen Bedrohungen überschreiten auch die Linie hin zum konflikt, nicht zuletzt durch angriffe im Cyber-raum.Der krieg in der ukraine gibt auch ein- deutige Hinweise darauf, was bei zu-künftigen militärischen konflikt zu er-warten ist. Wir sollten aber nicht nur davon ausgehen, dass ein krieg mit hochentwickelten Waffen stattfindet, sondern wir müssen darauf vorbereitet sein. ein szenario, in dem wir mit unseren begrenzten und nur sporadisch vor-handenen Möglichkeiten zur echtzeit- kommunikation unsere militärischen kräfte auf taktischer ebene führen und befehlen können, behält weiterhin die oberhand. Wir benötigen Führungs- systeme, die so flexibel ausgerichtet sind, dass sie unabhängig von upgrades, die üblicherweise zur Hälfte der nutzungs- zeit stattfindet, sich der Weiterentwick-lung eines Bedrohungsszenarios ver-zugslos anpassen können.Wie bereits erwähnt, sind heute die Bedrohungen viel verschiedenartiger, komplexer und herausfordernder als je zuvor. aber auch wir haben ein größeres potential an neuen technologieentwick-lungen, um uns weiterhin verteidigen zu können. Wir brauchen diese neuen Verteidigungstechnologien für eine sich ständig ändernde Welt, in der nur die unsicherheit sicher ist und wo wir uns mit unserem Handeln darauf mit allem, was wir tun, beziehen müssen!Welche neuen Wege zum schutz unserer Bevölkerung und Gesellschaft beschreitet die Firma saab? Wir glauben stark an kooperationen und bringen ideen zu-sammen. Dazu arbeiten wir eng mit der regierung und akademischen stellen im sogenannten „tripel Helix Modell“ zu-sammen, um innovative Forschungspro-jekte zu entwickeln und umzusetzen, wobei alle Beteiligten davon profitieren und ihre erfahrungen teilen können. Wir tauschen natürlich auch diese Forschungs- ergebnisse mit unseren strategischen partnern aus, die unsere Forschungs- und entwicklungsmittel international verbinden, um die schlacht gemeinsam schlagen zu können.ein Beispiel für kundenspezifisch an-passungsfähige und flexible systeme ist unser neues kampfflugzeug Gripen e, welches derzeit der modernste kampfjet der Welt ist. Der Gripen e verfügt über eine bahnbrechende systemarchitektur mit einer konfigurationsoffenen avionik-plattform. Dies bedeutet, dass ohne neue Qualifizierung der plattform eine software ergänzt werden kann, was ver- gleichbar mit dem updaten eines smart-phones mit einer neuen und besseren app ist. auf dieselbe Weise kann auch eine neue Hardware installiert werden, ohne das gesamte system in Gänze neu konfi-gurieren zu müssen. Dies bedeutet, dass der Computer stets mit der aktuellsten am Markt verfügbaren technik ausge-rüstet und kontinuierlich gegen neue Bedrohungen gewappnet ist und dem-entsprechend als ein für die Zukunft ge-rüsteter „kämpfer“ der allzeit vorbereitet und geschützt ist.ein anderes Beispiel dafür ist „situational awareness”, die es ermöglicht, bestmög- lich entscheidungen in den komplexen rahmenbedingungen von heute und morgen in entsprechenden szenarien zu unterstützen. sensoren, die im kom-pletten elektromagnetischen spektrum vernetzt sind und die nutzer mit unmen-gen von Daten versorgen, müssen zu- sammengeführt, analysiert und in echt-zeit behandelt werden, um die Fähigkeit zur erkennung von unvorhersehbaren Bedrohungen zu erlangen und fundierte entscheidungen treffen zu können. Dies alles setzt systeme voraus, die bei der Datenfusion und in der analyse hervor- ragend ausgerüstet sind, um die Heraus- forderungen von Big Data und Cyber-sicherheit zu bewältigen. Das ist ein Be- reich, auf den wir uns besonders am saab- standort in erlangen mit der entwicklung von systemen konzentrieren, die für die Grenzkontrolle, überwachung von kommunikation sowie für die öffentli-che sicherheit zum einsatz kommen.Wir wissen heute noch nicht, wie die Zukunft der Verteidigungsindustrie aus- sehen wird. Das einzige, wovon wir überzeugt sind, ist der umstand, dass Big Data und Cyber-Bedrohungen sich ständig weiter entwickeln sowie im Detail ständig komplexer werden. Hier passt sich saab den Veränderungen an, neue technologien schnell zu erfassen und in eigene programme und Weiter-entwicklungen umzusetzen.Die Bedrohungen von morgen sind nicht etwas, was jeder aussitzen und selbst-ständig lösen kann. Diesen Bedrohungen müssen wir gemeinsam innerhalb der europäischen union, mit unseren Ver-bündeten weltweit in internationalen industriepartnerschaften und in enger Zusammenarbeit mit der akademischen elite begegnen.Mit besten Grüßenihranders sjöbergHHK 6/2017Verteidigungstechnologie in einer sich ständig verändernden WeltAnders Sjöberg, Geschäftsführer Saab Deutschland GmbHKampfflugzeug Gripen EGasteditorial9GastbeitragHHK 6/2017Die wehrtechnische industrie in Deutsch- land ist eine kleine Branche, die im auge des unbedarften Betrachters ein unge-liebtes nischendasein genießt. in den Medien als „Waffenschmieden“ stigmati- siert werden ihre unternehmen nicht selten moralisch infrage gestellt. ihre öffentliche Wahrnehmung scheint von wohlwollender Gleichgültigkeit geprägt, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, ge- messen an umsätzen, Wertschöpfung und Beschäftigung, vernachlässigbar. Dabei bedienen die Firmen am Markt keinen geringeren kunden als die Bundesrepu- blik Deutschland und tragen mit ihrer ausrüstung für die streitkräfte zur sicherheitsvorsorge unseres Landes bei. Die regierung bestimmt die nationale nachfrage, stellt die Weichen für grenz-überschreitende Zusammenarbeit und entscheidet über den export.rüstungskooperation und -export sind sicherheitspolitische Gestaltungsmittel. im Weißbuch 2016 erklärt die Bundesre-gierung international mehr sicherheits-politische Verantwortung übernehmen zu wollen. Militärische ausbildungshilfe und rüstungsexporte sollen dazu beitra- gen, einsätze der Bundeswehr in krisen-gebieten zu verringern.Die notwendigkeit einer nationalen Ver- teidigungsindustrie ergibt sich aus dem politisch gewollten Maß an souveränität bei der ausrüstung und logistischen Ver- sorgung eigener streitkräfte. Deren aus-rüstung kann entweder in Deutschland entwickelt und gefertigt, im rahmen internationaler kooperationsprogramme beschafft oder im ausland eingekauft werden. so legitim und moralisch ver-tretbar wie Verteidigung und Friedens-sicherung sind die materiellen Voraus-setzungen zur ihrer Wahrnehmung.Der sicherheitspolitische Mehrwert einer nationalen Verteidigungsindustrie liegt auf der Hand: ihre produkte und Dienst-leistungen tragen wesentlich zur staat-lichen sicherheitsvorsorge und zur mili-tärischen einsatzfähigkeit bei. Mit ihrem know-how stehen die Hightech-unter- nehmen der politik auch bei der Bewer-tung neuer am Weltmarkt verfügbarer Waffensysteme zur seite. schlüsseltechno- logien sind gemeinsam mit industriellen kapazitäten die wesentlichen Voraus- setzungen für die Mitgestaltung einer arbeitsteiligen europäischen und interna- tionalen rüstungszusammenarbeit und damit maßgeblicher arbeitsanteile in Deutschland. kooperationen mit inter-nationalen industriepartnern erschließen unserem Land spitzentechnologien aus dem ausland.Das problem: Die wehrtechnische industrie in Deutschland ist zu klein, um den ge-samten ausrüstungsbedarf der Bundes-wehr abdecken zu können und zu groß, um durch den nationalen Bedarf eine ausreichende auslastung zu erfahren.rüstungskooperation ist auf Dauer unab- weisbar, weil größere Vorhaben kaum mehr von einer europäischen regierung allein finanziert werden können. andererseits gibt es kostspielige überschneidungen und parallelentwicklungen in europa. Die jüng- sten deutsch-französischen initiativen einer verbesserten rüstungszusammenarbeit könnten endlich den anstoß für eine Be- wegung in richtung Binnenmarkt geben, der bis heute für militärische Güter fehlt.rüstungszusammenarbeit ist dann er-folgreich, wenn sie sich auf der Basis gemeinsam vereinbarter militärischer Fähigkeitsforderungen vollzieht. abge-stimmte einheitliche normen und Zu- lassungsverfahren sowie die Beschaffung größerer stückzahlen senken nicht nur kosten, sondern tragen zur interopera-bilität der streitkräfte in europa bei.erfolgreiche europäische rüstungskoope- ration setzt den Verzicht auf nationale sonderwege auch in der exportkontrolle voraus. Die restriktive deutsche Genehmi- gungspraxis erschwert in Verbindung mit langen Durchlaufzeiten bei der Bearbei- tung von exportanträgen die Wettbewerbs- fähigkeit der eigenen industrie im interna-tionalen Geschäft. Die aussetzung der so genannten komplementärregelung ver- zögert die rückführung von rüstungs-gütern nach reparaturen und War-tungsmaßnahmen selbst in die Länder der eu- und nato-partner. eine engere europäische kooperation erfordert die Bereitschaft zur Harmonisierung natio-naler rüstungsexportbestimmungen.Deutschland muss ein zuverlässiger koope- rations- und Bündnispartner bleiben. Viele Verbündete sind heute auf ver-lässliche Zulieferungen aus Deutschland angewiesen. Das Qualitätssiegel „Made in Germany“ darf nicht einer einstufung „German free“ zum opfer fallen.Das 2015 von der Bundesregierung verab- schiedete strategiepapier zur stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland fordert von den europäischen regierungen, sich nicht gegenseitig daran zu hindern, rüstungsgüter aus gemeinsamer entwick- lung und Fertigung auszuführen. Dazu ge- hört die abschaffung von offset-Forderun- gen ebenso wie ein verantwortungsvoller umgang mit artikel 346 aeu-Vertrag. notwendig ist ein einheitliches rüstungs- kontroll-regime für den export militäri- scher Güter aus kooperationsprogrammen.exporte von Verteidigungsgütern sind politische Geschäfte. sie müssen von der politik gewollt sein und erfordern ihre unterstützung. Wie das geschehen kann, lässt sich am Beispiel unserer Wettbewerber in Frankreich und Großbritannien leicht ablesen. in Deutschland sieht das anders aus. selbst bei der Messeförderung der Bundesregierung bleibt heute die deut-sche Verteidigungsindustrie außen vor.entscheidet sich der staat für eine eigene Verteidigungsindustrie, dann muss er rah- menbedingungen schaffen, die den hier-zulande privat geführten unternehmen eine existenz im Wettbewerb ermöglichen. ob diese in Deutschland und europa eine Zukunft haben, wird in Berlin entschieden.Claus GüntherCeo Diehl Defence und Mitglied des Vorstands der Diehl GruppePerspektiven der nationalen Verteidigungs- industrie zwischen Kooperation und ExportLenkflugkörper IRIS-T, ein erfolgreiches europäisches Kooperationsprogramm.© DiehlNext >