< Previous10HHK 3/2022 Politik müssen. Mit dem Sondervermögen haben wir jetzt die Möglichkeit, den schlechten Zustand der Bundes- wehr durch langfristig abgesicherte Investitionen zu beheben und unsere Bündnis- und Verteidigungsfä- higkeit zu gewährleisten. Das Sondervermögen ist ein Vertrauensvorschuss für die Bundeswehr und uns Verteidigungspolitiker:innen. Geld allein hilft nicht. Es braucht eine echte, längst überfällige Reform des Beschaffungswesens. Das haben wir dem Ver - teidigungsministerium als Parlament auch deutlich ins Hausaufgabenheft geschrieben. Das betrifft das Beschaffungsamt, aber insbesondere die Strukturen und die politischen Prozesse. Es muss darum gehen, marktverfügbare Systeme jenseits von nationalen Sonderwünschen bei der Beschaffung zu priorisie- ren und die europäische Zusammenarbeit zu inten- sivieren. Jeder ausgegebene Euro muss sich an den notwendigen Fähigkeiten orientieren und ein Bei- trag zur gemeinsamen europäischen Sicherheit und im NATO Bündnis sein. Wir werden als bündnisgrü- ne Bundestagsfraktion bei jedem einzelnen Projekt im Parlament weiter genau hinsehen, damit nicht die Interessen der Rüstungsindustrie ausschlagge- bend sind, sondern das Geld seriös und zielgerich- tet für unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit ausgegeben wird. Hier sind wir auch auf wachsame Mitstreiter:innen in und um die Bundeswehr ange- wiesen. Dieses Sondervermögen wird nur gemeinsam ein Erfolg. Mit dem brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine wurde die europäische Friedensordnung er- schüttert. Angesichts der veränderten Bedrohungs- lage ist deutlich geworden, dass wir leider auch militärisch mehr in unsere Sicherheit investieren viel zu lange vernachlässigte Gefahr eines Angriffs von Kräften, die unsere freiheitliche Lebensweise verachten. Die Zeitenwende ist die Erkenntnis, dass wir unsere Werte verteidigen müssen. Dass Freiheit, Demokratie und Menschenrechte stärker sein müs- sen als ihre Feinde. Mit der Zeitenwende liefert die Bundesrepublik einen wichtigen Beitrag für das Zu- sammenwachsen mit unseren Partnern in der NATO und der EU. Nach Beschluss des EP 14 und des Sondervermö- gens gilt jetzt, dass das Material und die Ausstattung schnellstmöglich bei der Truppe ankommen müssen und spürbar unserer Fähigkeiten verbessern. Das wird kein Selbstläufer. Wir müssen bei Verfahren und Pro- zessen umdenken. Daher wird die Bundesregierung gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen eine Beschaf- fungsreform einleiten. Mit rechtlichen Änderungen durch ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz, mit Verbesserungen am Gesamtprozess Beschaffung durch Schaffung von integrierten Projektteams und Einbin- dung der Nutzer, mit dem mehrjährigen Sondervermö- gen und mit einem offenen Mindset wird der Prozess verschlankt und dadurch effektiver. Um zukünftig eine gut ausgerüstete und moderne Bundeswehr aufzustellen, benötigen wir einen ge- meinsamen Kraftakt von Bundeswehr, Industrie und Parlament mit breiter Unterstützung aus der Bevöl- kerung. Ich bin zuversichtlich – denn eine andere Wahl haben wir nicht. MdB Sara Nanni ©Stefan Kaminski Der 3. Juni 2022 ist ein historisches Datum. Mit der Ver- abschiedung des Verteidigungshaushaltes in Höhe von 50,4 Mrd. Euro und eines Sondervermögens in Höhe von 100 Mrd. Euro hat das Parlament die Grundlagen für die Umsetzung der Zeitenwende beschlossen. Die Zeitenwende ist die Antwort auf Putins bruta- len Überfall auf die Ukraine. Eine Antwort auf die MdB Alexander Müller ©Matthias W. Wilms11HHK 3/2022 Politik Die AfD bleibt deshalb bei ihrer Forderung nach Wie- dereinsetzung der Wehrpflicht. Wann, wenn nicht jetzt, ist der richtige Zeitpunkt, um den Kardinalfeh- ler der deutschen Sicherheitspolitik zu korrigieren? Wenn Russland die nächste Grenze nach Westen überschreitet, ist es zu spät. Die 100 Milliarden kommen keinen Tag zu früh, doch die eigentlichen Aufgaben beginnen erst jetzt. Eine schlagkräftige Bundeswehr setzt sicherheitspo- litisches Verständnis und kontinuierliche Pflege vor- aus. Beides gab es die letzten Jahrzehnte nicht. Das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro muss nun die Fragmente der deutschen Streitkräfte wieder zu einer funktionierenden Verteidigungsarmee zusam- menfügen. Präziser gesagt: Die Bundesregierung muss dies jetzt umsetzen. SPD und CDU brauchten erst einen ausgewachsenen Eroberungsfeldzug in Europa, um das Richtige für die Bundeswehr zu tun. Dennoch bleibt es das Richtige. Das Bundeswehr-Rettungspaket birgt Risiken. Viel Geld weckt viele Begehrlichkeiten. Der offene Geld- hahn wird zu einigen rüstungspolitischen Fehlleis- tungen führen, die den Verteidigungsausschuss (und manchmal auch die Öffentlichkeit) viele Stunden be- schäftigen werden. Aber dennoch: Die Bundeswehr braucht die 100 Milliarden Euro, vermutlich sogar das Doppelte. Der baldige Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO verändert auch den materiellen Bedarf der Bundeswehr. Vor allem der Bedarf der Marine muss gründlich überprüft werden. Dies hat in den Planun- gen des BMVg noch nicht stattgefunden. Mehr Material für die Bundeswehr macht allerdings noch keine schlagkräftige Armee. Das zukünftige Ge- rät muss von motivierten Soldaten bedient werden. MdB Rüdiger Lucassen ©BT/Julia Nowak aus, während ganze 77 Milliarden Euro für schweres Kriegsgerät vorgesehen sind. Die Bundesregierung beweist einmal mehr ihre fehlgeleitete Prioritätenset- zung: Anstatt endlich die bekannten Schwachstellen zu reformieren, werden 100 Milliarden in ein Fass ohne Boden geworfen – Schulden, die kommende Generationen belasten und die Effektivität nicht steigern werden. Durch das schuldenfinanzierte Sondervermögen soll die, so heißt es unisono, „kaputtgesparte“ Bundes- wehr auf Vordermann gebracht werden. Doch dieses Narrativ entbehrt jeder Grundlage, wie ein simpler Blick auf die Zahlen belegt: 2014 betrug der Vertei- digungshaushalt 32 Milliarden Euro und ist seitdem jährlich im Schnitt um sechs Prozent auf über 50 Mil- liarden Euro gestiegen, was einem Zuwachs von 55 Prozent entspricht. Das Problem ist nicht die finan- zielle Ausstattung der Bundeswehr, sondern Inkom- petenz auf politischer Ebene und Ineffizienz im Be- schaffungswesen. Hier nur drei Beispiele: Noch 2015 bestellte die Bundesregierung 125.000 Einheiten des Tragesystems mit Lochkoppel, obwohl lange bekannt war, dass dieses im Einsatz höchst unpraktikabel ist. Zum Sinnbild wurden die Funkgeräte: Da die Digita- lisierung auch in diesem Bereich nicht vorankommt, wurde im vergangenen Jahr begonnen, die analogen – und längst nicht mehr produzierten – Funkgeräte aus den 1980ern eins zu eins nachzubauen. Und den Soldatinnen und Soldaten, die in der NATO-Battle- group in Litauen stationiert sind, fehlt es an geeigne- ter Unterwäsche. Und das bei über 50 Milliarden Euro, die das Verteidigungsministerium zur Verfügung hat. Die Verteidigungsministerin behauptet, beim „Son- dervermögen“ ginge es nicht um Aufrüstung, son- dern um Ausrüstung. Doch ein Blick auf die Zahlen beweist das Gegenteil. Denn von den 100 Milliarden macht dieser Posten gerade einmal zwei Prozent MdB Ali Al-Dailami ©Rico PraussDie Bundeswehr auf der ILA 2022 Static Display Luftwaffe TOR ECR TOR IDS EF D/GB EF Air to Air EF Air to Ground Tornado IDS (begehbar) A400M MedEvac Airbus A319 CJ Open Skies Patriot CH-53 GS / GA H145M LUH SOF Kdo SanDstBw Luftlanderettungszelt (LLRettS) Boxer SanKfz SanDst Leitbild Rettungskette MedEvac Versorgungsebene 1 bis 4 StratAE A400M und A330 Marine Sea Lynx Mk88A NH90 NTH Sea Lion Heer Tiger im RIGG Tiger NH90 mit heavy store carrier, Außentank, M3M H145 LUH SAR EC 135 SHS (T3) Streitkräftebasis Luftumschlaganteile Feuerwehr Geräterüstfahrzeug©Bw/Sönke Dwenger GELÄNDEPLAN Messegelände – ILA 2022 Eingang West Eingang Ost Static Display Bw Karriere Bundeswehr Messestand Bw Halle 6 Halle 4 Halle 2 Halle 3 Services14HHK 3/202214 ILA Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt Deutschland und seine Verbündeten zum sicherheits- politischen Alarmstart. Plötzlich wird das eigentlich Undenkbare Realität: Im Vorhof der Europäischen Union tobt ein Krieg, werden Städte zerbombt und unbeteiligte Zivilisten willkürlich getötet. Das alles ist sicher ein Schock — eine Überraschung aber kei- nesfalls. Zu deutlich waren die Signale, die sich seit Herbst 2021 häuften. Spätestens als die Truppenstär- ke an der ukrainischen Grenze Anfang 2022 auf über 150.000 Mann angewachsen war, Jagdfliegerregi- ment um Jagdfliegerregiment auf den grenznahen Flugfeldern auftauchte und Hubschrauberstaffeln praktisch auf freiem Feld stationiert wurden, musste mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Blickt man noch weiter zurück, so wird klar, dass sich Russland bereits mit seinen völkerrechtswidrigen Ak- tionen im Donbass seit 2014, der Annexion der Krim und den Kriegsverbrechen im syrischen Bürgerkrieg nachhaltig aus der europäischen Nachkriegsfrie- densordnung verabschiedet hat. Wir müssen es so deutlich benennen: Russland ist, zumindest aktuell, eine gegnerische, eine aggressive Macht und das in unserer direkten Nachbarschaft. Der Umgang damit wird die Außen- und Sicherheitspolitik auf absehba- re Zeit dominieren. Gleich zu Beginn des als „spezielle militärische Operation“ verharmlosten Überfalls schlug die handstreichartige Einnahme der Hauptstadt Kiew vollkommen fehl. Dennoch zählt der „Traum“ der ukrainischen Luftfahrt zu den frühen Opfern der russischen Aggression. Ein Granatentreffer setzte den Hangar der weltweit einzigen Antonow An-225 „Mrija“, ukrainisch für Traum, in Brand und zerstör- te das größte Frachtflugzeug der Welt, eine Ikone der globalen Luftfahrt. Wenig später tauchten die ersten Fotos vom ausgebrannten Wrack der Maschi- ne auf. Dabei war die An-225 eigentlich eine sowjetische und später dann ukrainische Erfolgsgeschichte. In den 1980er-Jahren ursprünglich für den Huckepack- Transport sowjetischer Raumfähren entwickelt, wur- de das Doppelgespann aus „Mrija“ und „Buran“ der Weltöffentlichkeit erstmals 1989 auf dem Aero Salon in Paris präsentiert. Von ursprünglich drei ge- planten An-225 wurde nur eine realisiert, ein zwei- tes Modell halb fertig eingelagert. Nach dem Zu- sammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des „Buran-“Programms 1994 wurde die „Mrija“ vor- läufig stillgelegt, bis sie dann 2001 für den weltwei- ten Transport von Schwerstlasten wieder reaktiviert wurde. 2018 war die An-225 ein Überraschungsgast auf der ILA in Berlin-Schönefeld. Die An-225 „Mri- ja“ war das fliegende Aushängeschild der Ukraine. Zeitenwende am Himmel und im All Von Klaus-Peter Willsch MdB, Vorsitzender der überfraktionellen Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt im Deutschen Bundestag Klaus-Peter Willsch (CDU) ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 178 Rheingau-Taunus – Limburg ©Tobias Koch15HHK 3/202215 ILA Antonow will das zerstörte Flugzeug auferstehen lassen wie Phönix aus der Asche. Nicht die zerstör- te Maschine, sondern die halb fertig eingelagerte zweite Schwester. Abseits von allen Wirtschaftlich- keitserwägungen wäre eine neue „Mrija“ natürlich ein großartiges Symbol, ein Symbol für die Überwin- dung des Krieges. Wenig überraschend werden Verteidigung und in- ternationale Kooperation zwei der bestimmenden Themen den ILA Berlin 2022 sein. Nach dem pan- demiebedingten digitalen Ersatzformat „ILA Goes Digital“ 2020 gastiert Deutschlands bedeutends- te Luft- und Raumfahrtausstellung vom 22. bis 26. Juni 2022 erstmals auf dem inzwischen eröffneten Hauptstadtflughafen BER. Wie auch bei der letzten ILA im Jahre 2018 wird die Bundeswehr der größte Aussteller der Messe sein. Ein besonderes Highlight der ILA wird das FCAS-Programm (Future Combat Air System), mit dem Deutschland, Frankreich und Spa- nien die europäische Sicherheitsstruktur stärken. In diesem technologischen Leuchtturmprojekt arbeiten unter anderem Kampfflugzeuge und unbemannte Plattformen intelligent und vernetzt zusammen und bilden ein smartes System der Systeme für die militä- rischen Herausforderungen der Zukunft. Ein besonders prominenter Gast auf der ILA 2022 wird die auch schon 2018 ausgestellte F-35 von Lock- heed Martin sein, derzeit sicher das fortschrittlichste Kampfflugzeug der Welt, für das auch eine deutsche Kaufabsicht als Tornado-Nachfolge hinterlegt ist. Innerhalb der NATO ist die Bundeswehr eingebun- den in das Konzept der „Nuklearen Teilhabe“. Im Konfliktfall entscheiden die teilnehmenden Staaten über den Einsatz von Atomwaffen, die selbst unter US-amerikanischer Kontrolle stehen. Aufgabe der Länder ist die Bereitstellung geeigneter Träger- mittel — in Deutschland wurde dazu der Kampfjet Tornado bestimmt. Dass die Tornados der Bundes- wehr, die sich seit den 1980ern im Dienst befinden, mittlerweile arg in die Jahre gekommen sind und ab 2025 schrittweise bis 2030 außer Dienst gestellt wer- den sollen, ist wahrlich kein Geheimnis. Als Ersatz für die Tornados ist mit der F-35 ein Flugzeug der 5. Generation vorgesehen, bei dessen Konstruktion sich der Wandel der Prioritäten und Anforderungs- profile im Vergleich zur 4. Generation eindeutig ma- nifestiert. Galt für Kampfjets der 4. Generation die Maxime „Geschwindigkeit heißt Leben“ wurde diese durch „Information heißt Leben“ abgelöst. Ziel von Stealth-Fightern wie der F-35 ist ganz salopp gespro- chen, früher und genauer zu wissen, wo sich welche Gegner befinden, lange bevor die Gegner die eigene Position entdecken. Von unseren Verbündeten ha- ben sich Italien, Finnland, Norwegen, Großbritanni- en, die Niederlande, Belgien, Dänemark und Polen für die Beschaffung entschieden, vom führenden NATO-Mitglied USA einmal ganz abgesehen. Das bringt Synergien und ermöglicht Vernetzung — eine Beschaffung der F-35 für die Luftwaffe wäre damit nicht die schlechteste Entscheidung. Wichtig wird sein, dass unsere deutsche wehrtechnische Industrie, gerade auch die ausgezeichnete mittelständische – wie übrigens auch beim schweren Transporthub- schrauber – in angemessener Weise für Wartung und Betreuung der Systeme eingebunden wird. Ange- sichts der Nutzungszyklen ist dies eine Entscheidung für Dekaden. Das bedeutet aber keineswegs, dass unser aktuelles europäisches Kampfflugzeug, der Eurofighter, an Bedeutung verliert. Als technologischer Testträger und Nutznießer des europäischen Kampfflugzeugs der 6. Generation (NGWS) im FCAS-Programm wird der Eurofighter auf absehbare Zeit das Hauptwaf- fensystem der Luftwaffe bleiben. Dies gilt umso mehr, da sein Fähigkeitsprofil durch den Ausbau der Luft-Boden-Kampffähigkeit mit dem neuen Lang- strecken-Flugkörper Meteor weiterwächst. Bleibt zum Abschluss noch ein Blick auf die deutsche und europäische Raumfahrt, die vom Krieg gegen die Ukraine stark erschüttert wurde. Als logische Konsequenz der russischen Aggression wurden fast alle westlichen Raumfahrtprojekte, die mit russischer Beteiligung stattfinden sollten, vorerst gestoppt. Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen verkündete Russland das Ende der Sojus-Raketenstarts vom eu- ropäischen Weltraumbahnhof Kourou. Roskosmos- Direktor Dmitri Rogosin drohte dem Westen gar mit dem Absturz der internationalen Raumstation ISS auf die USA oder Europa, sollten die Sanktionen den Betrieb des russischen Teils der Station beein- trächtigen. Leider sind wir Europäer auch im Trä- gerraketenbereich massiv getroffen, arbeitete doch unsere Vega-Rakete mit ukrainischen RD-843-Ra- ketentriebwerken, deren Herstellung im ostukrai- nischen Dnipro wohl auf absehbare Zeit ausfallen wird. Damit fehlen uns Europäern nicht nur eigene Trägerraketen, sondern auch die Möglichkeit von Mitflügen europäischer Astronauten in russischen Kapseln. Mittelfristig wird dadurch höchstwahr- scheinlich die Bedeutung der, aber auch die Abhän- gigkeit von US-amerikanischen kommerziellen An- bietern weiterwachsen. Europa muss sich dringend entscheiden, ob es im Bereich Space Trittbrettfahrer sein möchte oder einen eigenen, souveränen Zu- gang zum All anstrebt. Der ESA-Ministerrat im No- vember 2022 soll und muss hier unbedingt Klarheit schaffen! F-35 auf der ILA 2018 ©LindhorstHHK 3/2022 ILA Nach vier Jahren laden der Bundesverband der Deut- schen Luft- und Raumfahrtindustrie und die Messe Berlin wieder zur ILA – der „Innovation and Leader- ship in Aerospace“. Vom 22. bis 26. Juni verwandelt sich der Berlin Expo Center Airport Schönefeld wieder zur Festwiese der internationalen Luftfahrt. Dabei wird gerade deren militärischer Anteil einen wesent- lichen Schwerpunkt bilden. Das Profil der ILA ist seit jeher auch durch die starke Präsenz von Streitkräften und Wehrtechnik geprägt. Durch den russischen An- griffskrieg gegen die Ukraine ist die Frage der mili- tärischen Verteidigungsfähigkeit auf tragische Wei- se wieder in den Fokus von Gesellschaft und Politik gerückt. So gab Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 das Ziel einer „leistungsfähigen, hoch- modernen, fortschrittlichen Bundeswehr“ vor, „die uns verlässlich schützt“. Wie notwendig ein solch klares politisches Bekenntnis ist, zeigen uns die Bil- der eines von Russland ganz offen geführten Krieges keine 1.000 Kilometer östlich der Bundesrepublik. Seit dessen Ausbruch suchen Regierung, Parlament, Streit- kräfte und Industrie nach Wegen, den Verteidigungs- kampf der Ukraine zu unterstützen und gleichzeitig die Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit der Bundeswehr weiter zu verbessern. Einsatzbereitschaft und Durchsetzungsfähigkeit der Bundeswehr bilden die klaren inhaltlichen Klammern für die militärischen Anteile der ILA 2022. Gerade die Debatte um das Sondervermögen und dessen mögli- che Verausgabung lenken das Interesse auf die anste- henden Beschaffungen für die deutschen Streitkräf- te. Die zugrunde liegenden Fähigkeitsbedarfe waren zwar schon lange identifiziert, nun ist jedoch auch das nötige Geld in Aussicht gestellt, um zumindest die dringendsten Baustellen anzugehen. Auf der ILA liegt der Fokus hier selbstverständlich auf der Dimension Luft – in der wohlgemerkt neben der Luftwaffe auch Heer und Marine aktiv sind! Sondervermögen zum Anfassen? In der Dimension Luft ist das Waffensystem Tornado seit 40 Jahren als wesentlicher Träger des Durchset- zungs- und Abschreckungspotenzials der Bundeswehr im Dienst. Da das Mehrzweckkampfflugzeug in ra- schen Schritten auf sein Nutzungsdauerende zuläuft, wird zurzeit an einer Nachfolgelösung gearbeitet. De- ren mögliche Bausteine lassen sich dabei auf der ILA 2022 live in Augenschein nehmen. Darunter fällt zum einen die amerikanische F-35, die den Tornado bei der Wahrnehmung der nuklearen Teilhabe ablösen soll. BESUCHEN SIE UNS AUF DER ILA. HALLE 4, STAND 210 Die ILA 2022 –Branchenmesse im Zeichen der Zeitenwende Von Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) Für eine durchsetzungsfähige Bundeswehr: Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des BDLI ©Julia BaumgartILA Zum anderen soll der Eurofighter für den bisher durch den Tornado ECR (Electronic Combat Reconnaissance) abgedeckten Bereich des elektronischen Kampfes neue Fähigkeiten zur „luftgestützten Wirkung im elektromagnetischen Spektrum“ erhalten. Auch hier präsentiert die Industrie auf der ILA leistungsfähige Lösungsansätze. Der Fähigkeitsaufwuchs des Eurofighter ist dabei Teil der sukzessiven Weiterentwicklung des „Rückgrats der Luftwaffe“. Als solches soll das Waffensystem auch die konventionelle Luft-Boden-Rolle des Torna- do vollständig übernehmen können und langfristig im Verbund des Future Combat Air System (FCAS) auf- gehen. Erste Eindrücke dieser Entwicklungsreise der Plattform werden Industrie und Luftwaffe auf der ILA vorstellen. Darunter fällt insbesondere der Aufbau einer Teaming-Fähigkeit von Eurofighter und unbe- mannten Systemen. Noch dringender als der Ersatz für den Tornado ist al- lerdings die lang ersehnte Beschaffung eines neuen schweren Transporthubschraubers (STH). Inzwischen ist die Wahl auf die CH-47F „Chinook“ gefallen. Auf der ILA wird der Helikopter mit seiner charakteristi- schen Tandem-Rotoranordnung live im Flug zu erle- ben sein. Ebenfalls auf Zuwachs hofft die Flotte der leichten Unterstützungshubschrauber (LUH) vom Typ H145M der Bundeswehr – auch dieser Drehflügler wird auf der ILA ausgestellt. Obgleich eindeutig ein fliegendes Waffensystem wird die überwiegende Anzahl der neuen LUH wohl im Heer ihren Dienst tun. Doch nicht nur dem Deutschen Heer gehört ein Teil des Himmels, auch die Marine ist in der Dimension Luft vertreten. Mit der jüngst getroffenen Entscheidung zur Beschaf- fung des Seefernaufklärers P-8A Poseidon erhalten die Marineflieger ihre lang ersehnte Ablösung für die P-3C Orion. Auch eine solche P-8A wird ihren Weg auf die ILA finden und kann dort begutachtet werden. Eine durchsetzungsfähige Bundeswehr muss das Ge- biet der Bundesrepublik und ihrer Verbündeten so- wie ihre Soldatinnen und Soldaten effektiv gegen Gefahren aus der Luft schützen können. Darunter fällt die Verteidigung gegen Flugkörper, Flugzeu- ge, Hubschrauber und Drohnen. Auch hier zeigt die deutsche Industrie ihre Lösungsansätze. Darunter fällt die Präsentation des Konzeptes für den sukzessiven Aufwuchs des „Nah- und Nächstbereichsschutzes“ (NNbS). Damit soll die Verteidigungsfähigkeit gegen Kampfflugzeuge, Hubschrauber und größere Droh- nen in mittleren Kampfentfernungen zeitnah und substanziell verbessert werden. In einem nächsten Schritt ist ein signifikanter Fähigkeitsaufwuchs bei der Abwehr von Klein- und Kleinstdrohnen geplant. Im darüberliegenden Höhenband verlässt sich die Bundeswehr auf das Flugabwehrsystem Patriot, um die Verteidigung gegen Flugzeuge und Flugkörper zu gewährleisten. Auch hier hat die Industrie bereits Vorstellungen über dessen konsequente Weiterent- wicklung, die sie auf der ILA vermitteln wird. Gegen die Bedrohung durch modernste ballistische Raketen war in jüngster Zeit von einer möglichen Beschaffung des amerikanisch-israelischen Flugkörpers „Arrow 3“ die Rede – auch dieser wird auf der ILA gezeigt. Gleiches gilt für den Schwerpunktbereich der Kom- munikation. Neben Lösungen für den verschlüsselten und störungsresistenten Datenaustausch zeigt die BESUCHEN SIE UNS AUF DER ILA. HALLE 4, STAND 210HHK 3/2022 ILA „Manned-Unmanned Teaming“ erfordert einen tech- nisch anspruchsvollen Grad an Datenaustausch und Koordination, aber eben auch einen gewissen Grad an Eigenständigkeit, der seinerseits auf einem soliden ethischen Fundament ruhen muss. Denn Waffensys- teme, die unsere Gesellschaft schützen sollen, werden auch immer ihren menschlichen Werten verpflichtet sein müssen. Dies gilt besonders für den Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), deren Einsatz gerade bei der Bewältigung der schier unvorstellbaren Daten- mengen, wie sie in modernen Waffensystemen pro- duziert werden, unerlässlich ist. Der Mensch bleibt der militärische Entscheider, wird aber in Zukunft noch stärker auf einen ganzen Stab künstlich intelli- genter Unterstützer zugreifen können – und müssen. Auf der ILA wird das Vorhaben NGWS/FCAS sowohl durch die deutsche Industrie als auch die Luftwaffe in seinen militärischen, technischen und ethischen As- pekten vorgestellt und diskutiert. Betreuung und konzeptionelle Weiterentwicklung Doch nicht nur die mehr oder weniger ferne Zukunft der militärischen Luftfahrt gibt es auf der ILA zu entde- cken, sondern auch Einblicke in den aktuellen Betrieb. Im Military Support Center (MSC) stellen Industrie und Streitkräfte ihre Kooperation bei der Betreuung der fliegenden Waffensysteme der Bundeswehr vor. Am Beispiel des Eurofighter, des Hubschraubers NH90 und deren hochkomplexer Ausstattung zeigt ein Team aus Bundeswehr, großen Systemhäusern und der mittelständisch geprägten Ausrüstungsindust- rie die gemeinsame Arbeit für einsatzbereite Streit- kräfte. Dabei wird hier erstmalig auch ein bewusster Fokus auf Nachhaltigkeit im Verteidigungsbereich gelegt. Mit dem „Forum Air“ ist das MSC zudem di- rekt mit der zentralen Diskussionsplattform rund um Verteidigungsthemen verbunden. Hier tauschen sich Streitkräfte, Industrie und Forschung zum „heute, morgen und übermorgen“ der militärischen Luftfahrt aus. Die ILA 2022 bietet damit die perfekte Gelegenheit, nach vier Jahren wieder „Innovation and Leadership“ live und in aller Aktualität zu erleben – wir freuen uns auf Ihren Besuch! Industrie auch, welche signifikante Rolle inzwischen Weltraumanwendungen in diesem Feld spielen. Neue Technologien im Zeichen des NGWS/FCAS Viele dieser Vorhaben sollen akute oder sich unmit- telbar abzeichnende Lücken im Fähigkeitsportfolio der Bundeswehr stopfen. Dabei ist es primär Ziel, den in den letzten Jahrzehnten aufgelaufenen Moderni- sierungsstau abzubauen. Gleichzeitig gehen Politik, Streitkräfte und Industrie aber auch die Aufgabe an, die Bundeswehr für zukünftige Szenarien durchset- zungsfähig zu rüsten. Hier gilt es, neue Technologien zielgerichtet und mit Blick auf die Bedrohungslagen der Zukunft reif zu machen. Aktuelles Leuchtturm- projekt für die Dimension Luft ist das Vorhaben „Next Generation Weapon System in einem Future Combat Air System“ (NGWS/FCAS). Dessen Nukleus bildet das gemeinschaftlich zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien entwickelte NGWS. Es wird aus einem Next Generation Fighter (NGF) bestehen, der über eine Air Combat Cloud (ACC) mit unbemannten Re- mote Carriers (RCs) vernetzt ist. Dieses System der Systeme bildet einen Informations- und Wirkverbund, der seine Aufträge selbst unter widrigsten Bedingun- gen erfüllen kann. Um die ambitionierte Vision eines „System of Sys- tems“ Wirklichkeit werden zu lassen, müssen signifi- kante Technologiesprünge realisiert werden. So dient der Next Generation Fighter als bemannte Komman- doplattform für die Remote Carrier. Er muss also be- sonders leistungsfähig ausgelegt sein, um Pilotinnen und Piloten im umkämpften Luftraum zu schützen und gleichzeitig sicher führen und kommunizieren zu können. Dazu benötigt er leistungsstarke Triebwerke, modernste Avionik sowie Mittel, sich der Aufklärung durch den Gegner entziehen oder notfalls gegen Be- schuss verteidigen zu können. Das Mehrzweckwerk- zeug des NGWS sollen indes die Remote Carrier bil- den. Verfügbar in verschiedenen Auslegungen und Rollenprofilen sollen sie die notwendige Flexibilität des NGWS sichern und eine Vielzahl möglicher Missi- onen durchführbar machen. Dazu müssen diese aber sowohl untereinander als auch mit ihrem verantwort- lichen Lfz-Führer zusammenarbeiten können. Dieses Besuch der Bundeskanzlerin auf der ILA 2018 ©Mike AuerbachDIE RICHTIGE WAHL FÜR DEUTSCHLAND Der H-47 Chinook steht schon heute als risikoarme und zuverlässige Lösung für Deutschlands Schwerlast- Missionen bereit. Über 6 Millionen absolvierte Flugstunden und mehr als 950 Chinooks im weltweiten Einsatz belegen seine Erschwinglichkeit und unerreichte Einsatzvielfalt. Der Chinook kann unter den härtesten Bedingungen und in den anspruchsvollsten Umgebungen fliegen und somit auch die herausforderndsten Missionen der deutschen Bundeswehr problemlos erfüllen. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Interoperabilität mit den insgesamt 20 internationalen Betreibern, darunter 8 NATO Nationen, bei denen der Chinook weltweit im Einsatz ist. The Boeing Company @BoeingDACH boeing.de/chinookNext >