Eine neue Ära der Kriegsführung?
Die sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern von den Streitkräften der NATO-Staaten, folglich auch dem Deutschen Heer, eine Anpassung an neue Formen der Kriegsführung.
Multi-Domain Operations (MDO) beschreibt die Integration und Koordination von Operationen über alle militärischen Dimensionen hinweg – Land, Luft, Weltraum, See, Cyber- und Informationsraum – im Zusammenwirken mit nichtmilitärischen Akteuren im multinationalen Kontext auf ein Ziel zusammengefasst.
Hintergrund und Definition von Multi-Domain Operations
Multi-Domain Operations ist ein Konzept, das ursprünglich von der U.S. Army entwickelt wurde, um die Komplexität moderner Konflikte zu adressieren. Es zielt darauf ab, das Handeln in den verschiedenen Dimensionen beziehungsweise Domains gemäß NATO-Terminologie der Kriegsführung so zu vernetzen, dass eine dem Gegner fortwährend überlegene Position erreicht wird. MDO erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen militärischen und zivilen Akteuren, um in einem dynamischen und oft unvorhersehbaren Umfeld effizient und effektiv zu operieren.
Das NATO-Konzept der MDO stellt grundsätzlich eine Evolution der leitenden Prinzipien der verbundenen Operationen (Joint Operations) in Verbindung mit dem vernetzten Ansatz (Comprehensive Approach) dar. Kern dieser Weiterentwicklung ist die Erweiterung der klassischen Dimensionen Land, Luft, See durch stärkere Vernetzung mit den Dimensionen Cyber- und Informationsraum sowie Weltraum. Die zielgerichtete Orchestrierung beziehungsweise Synchronisierung (jeweils der militärischen beziehungsweise nichtmilitärischen Effekte) sämtlicher Aktivitäten aus allen und in alle genannten Dimensionen soll den Gegner im Kontinuum von Frieden, Krise und Konflikt vor ständige Dilemmata beziehungsweise Nachteile in der Operationsführung stellen.
Entscheidendes Wesensmerkmal ist die Synchronisierung der Aktivitäten und Effekte militärischer und nichtmilitärischer Machtinstrumente (Instruments of Power) und Akteure in einem vernetzten Ansatz, um die jeweils gewünschten Effekte durch geeignete Mittel aus allen Effektdimensionen auszuwählen und zeitgerecht orchestriert zur Wirkung zu bringen, um dadurch einen Gegner in seiner Reaktionsfähigkeit und Entscheidungsfindung zu überfordern.
Die NATO definiert MDO wie folgt: „The orchestration of military activities across all operational domains and environments, synchronized with non-military activities to enable the Alliance to create converging effects at the speed of relevance.” Dieser Definition sind die deutschen Streitkräfte umfänglich gefolgt und setzen dies über das Bundesministerium der Verteidigung und das Planungsamt der Bundeswehr in einer Arbeitsgruppenorganisation unter Beteiligung der Dimensionsverantwortlichen sowie weiterer Stakeholder um. Multi-Domain Operations sind konzeptioneller Bezugspunkt der Fähigkeitsentwicklung der Bundeswehr. Grundvoraussetzungen für die wirkungsvolle Anwendung von MDO im Sinne eines fortwährenden Bestrebens Informations-, Führungs- und Wirkungsüberlegenheit sind unter anderem die Verfügbarkeit eines digitalen (möglichst) Echtzeitlagebildes sowie ein optimiertes Sensor-Effektor-Netzwerk in einer resilient vernetzten Bundeswehr. Die technischen Potenziale der Digitalisierung wie beispielsweise Software-Defined Defence (SDD) oder Künstliche Intelligenz (KI) müssen perspektivisch genutzt und in diesem Kontext ausgerichtet werden.
