Herr General, welches aktuelle dienstliche Thema hat für Sie zurzeit besondere Priorität?
Eindeutig der Kernauftrag der Offizierschule des Heeres, kurz OSH: Unsere Offiziere, die Führungskräfte der Landstreitkräfte, mit Blick auf die gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen aus-, fort- und weiterzubilden sowie zu prägen. Führung im Gefecht haben wir an der OSH schon vor dem 24. Februar 2022 ausgebildet. Jetzt passen wir unsere Ausbildung an das neue Gefechts- und Kriegsbild an. Das bedeutet auch, im Falle eines Krieges weiter ausbilden zu können. Des Weiteren wollen wir einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung eines Mindsets der Innovationsoffenheit im Heer leisten. Dazu bedarf es auch künftig einer Lernumgebung mit attraktiver Infrastruktur, modernen Ausbildungsmethoden und -mitteln sowie qualifiziertem und motiviertem Lehrpersonal.
Sie sind in diesen Tagen circa ein Jahr im Amt. Welche wesentlichen Schwerpunkte hatten Sie bei der Ausbildung und in der Führung der OSH gesetzt? Was konnten Sie schon erreichen?
Mein Schwerpunkt war es von Beginn an, die Offiziere der Landstreitkräfte so aus-, fort- und weiterzubilden, dass die von ihnen geführte Truppe im Krieg besteht. Dazu gehören werteorientierte geistige Fitness, handwerkliches Können und körperliche Belastbarkeit. In allen drei Bereichen ist es uns im vergangenen Jahr gelungen, wichtige Pflöcke einzuschlagen. Unsere Trainingsteilnehmenden haben sich anlässlich 70 Jahre Bundeswehr so tiefgehend wie nie zuvor mit der Geschichte unserer Streitkräfte auseinandergesetzt. Dazu haben wir unsere taktischen Lagen an das neue Gefechtsbild angepasst. Dabei steht der Führungsprozess Landstreitkräfte im Fokus: Schnelle, wendige Entscheider sind gefordert. Das geht in Zukunft nur durchdigitalisiert. Wer gewinnen will, braucht Führungskräfte, die rasch antizipierend handeln statt nur reagieren. Dieses Mit- und Vorausdenken ist für uns essenziell, um dem potenziellen Gegner die Initiative zu nehmen. Die körperliche Belastbarkeit und Robustheit der Trainingsteilnehmenden steigern wir durch eine Vielzahl an Programmen, zum Beispiel die Einzelkämpfervorausbildung. Hier trifft Bewährtes auf neue Kriegsrealität als Teil der Abschreckung.
Die Offizierschule ist die Ausbildungseinrichtung des Deutschen Heeres für militärische Führungskräfte. Über welche physischen und psychischen Eigenschaften und Leistungen sollte aus Ihrer Sicht das Führungspersonal der Landstreitkräfte verfügen?
Unser Führungspersonal braucht die Trias aus körperlicher und geistiger Fitness sowie ausgeprägter Führungs- und Entscheidungsfahigkeit, damit es in modernen Einsatzszenarien verantwortungsvoll, sicher und erfolgreich handeln kann. Wenn wir in die Ukraine schauen, ist die Frage berechtigt: Unterscheidet sich der Offizier, den wir heute ausbilden, von dem, der vor zehn oder zwanzig Jahren ausgebildet wurde?
Blicken wir auf die Anforderungen, die das moderne Gefechtsbild an uns stellt, stelle ich fest, dass wir die Offiziere der Landstreitkrafte bereits in der Vergangenheit in dem geschult haben, worauf es heute ankommt: wendiges Fuhren, Mitdenken im Sinne der Auftragstaktik und schnelles, entschlossenes Entscheiden. Nur wer mutig und initiativ rasch richtige Entscheidungen trifft, gewinnt das Gefecht! Davon bin ich überzeugt! Abseits des scharfen Endes müssen unsere Offiziere resilient Dagegenhalten. Durch Fake News sowie Einschüchterungen im Inneren wie Äußeren stehen wir ständig in der nicht-kinetischen Feuerlinie des Gegners. Hier besteht nur, wer weiß, wofür er kämpft und dies auch seinen Männern und Frauen vorleben und begründen kann.
Wie beurteilen Sie beim Führungspersonal die Nachwuchslage und die mitgebrachten Ausbildungsvoraussetzungen? Wie schneiden Frauen bei der Erreichung der Ausbildungsziele ab?
Hinsichtlich der mitgebrachten Ausbildungsvoraussetzungen erweisen sich unsere Trainingsteilnehmenden insgesamt als überaus belastbar und motiviert. Gezielte Ausbildung erlaubt es dann, individuelle Potenziale und Talente zu entfalten. Was das Erreichen der Ausbildungsziele betrifft, schneiden Frauen genauso gut ab wie Männer. Kurzum, um unseren Offiziernachwuchs mache ich mir überhaupt keine Sorgen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie in Ihrem Aufgabenbereich, um die Attraktivität des Offizierberufes im Heer zu steigern?
Die OSH versteht sich als erste Ausbildungseinrichtung des Heeres. Infrastruktur, Lehrpersonal, Lehrmethoden und Standort reflektieren genau das. Die Erfahrung an der Offizierschule soll allen Trainingsteilnehmenden einen Eindruck vermitteln, der sie stolz macht, Offizier dieses Heeres zu sein. Im Rahmen meiner eigenen Unterrichte zum Bild des Offiziers arbeite ich die Besonderheiten unseres Berufes für Staat und Gesellschaft heraus. Darüber hinaus bieten wir den Trainingsteilnehmenden neben dem Curriculum des jeweiligen Lehrganges eine Vielzahl an Projekten, Arbeitsgruppen und Vorträgen an. Mit überzeugendem Lehrpersonal und fordernder Ausbildung entlassen wir die Trainingsteilnehmenden in dem Gefühl, ihren Aufgaben gewachsen zu sein. Das schafft Sicherheit und Zufriedenheit. Das macht den Beruf attraktiv.




