Die verschlungenen Wege eines Sturmgewehrs – eine Fallstudie zum legalen und illegalen Waffenhandel
Dieser Artikel beleuchtet die Beschlagnahmung und anschließende Nachverfolgung der Herkunft eines Sturmgewehrs Typ 56-1. Diese Kalaschnikow-Variante ist weit verbreitet und erfreut sich aufgrund ihrer Robustheit in vielen Regionen dieser Welt großer Beliebtheit.
Die folgende Geschichte beginnt an der nördlichen Grenze Ghanas zu Burkina Faso.Sie ist fiktiv, jedoch eng an reale Gegebenheiten angelehnt und beruht auf Erfahrungen und Kenntnissen von Experten des Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) in Geilenkirchen. Dabei werden die Komplexität des legalen und illegalen Handels mit Kleinwaffen und Munition sowie der verschwommene Übergang von einem zum anderen beleuchtet.
Am Checkpoint nördlich von Bawku
März 2024. An einem Checkpoint in der Nähe der regionalen Provinzhauptstadt Bawku stoppt eine Einheit der Formed Police Unit (FPU) einen Kleintransporter im Rahmen einer Routinekontrolle. Am Steuer des Fahrzeugs sitzt ein Ghanaer aus Bawku, der angibt, er habe Verwandte in Burkina Faso besucht. Im Zuge der Befragung beschließen die Polizisten der FPU, das Fahrzeug aufgrund der nicht vollständig einsehbaren Ladung genauer zu durchsuchen. Hierzu setzt die gut ausgerüstete Einheit auch einen kürzlich aus Deutschland erhaltenen tragbaren Röntgenscanner ein.
Mithilfe dieser Technik kann die FPU in der Seitenwand des Transporters mehrere verdächtige Metallteile entdecken. Diese werden nach dem Öffnen der Seitenwand als Waffenteile identifiziert. Im Zuge der weiteren Durchsuchung werden gut versteckt im Fahrerraum Munition sowie eine Reihe militärischer Ausrüstungsgegenstände gefunden. Daraufhin wird der Fahrer vorläufig festgenommen und zur nächstgelegenen Polizeistation verbracht.
Bei der Befragung gibt der verdächtige Fahrer schließlich an, dass er in Burkina Faso für eine islamistische Extremistengruppe gegen die Regierung des Landes gekämpft habe. Die gefundene Waffe habe er Ende 2022 von einem nigerianischen Händler erhalten, der scheinbar mit anderen Terrorgruppen, aber auch mit korrupten Beamten in den benachbarten Ländern in Verbindung stehe. Die Munition stamme aus erbeuteten Beständen.
Dieser Vorfall ist ein exemplarischer Ausschnitt aus dem aktuellen Lagebild in der Region. Mangelnde staatliche Kontrolle und scheinbar willkürliche Repressalien lokaler Sicherheitskräfte sowie finanzielle Nöte der Bevölkerungen treiben die Bewohner in die Arme islamistischer Extremisten für deren Dschihad. In diesem Fall besonders aktiv ist die Terrorgruppe Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM), die in Burkina Faso einerseits Regierungstruppen bekämpft und andererseits bestehende Feindschaften lokaler Stammesgruppen bewusst befeuert, um für Instabilität zu sorgen. Nach dem Putsch im September 2022 wurde eine Übergangsregierung in Burkina Faso installiert. Dieser ist es gelungen – auch mithilfe ausländischer Söldner – den Druck auf die Terrorgruppe derart zu erhöhen, dass sich deren Kämpfer ghanaischer Herkunft auf den Rückweg in die Heimat machten.
Die Identifizierung der Kalaschnikow
Die Situation im Nachbarland sorgt zunehmend für Unruhe bei den ghanaischen Behörden. Neben der Rückkehr von radikalisierten Landsleuten steigt zudem die Gefahr des illegalen Waffenhandels in der Region besorgniserregend an. Bislang war Ghana vor allem Transitland für Waffen und andere illegale Waren.
Die politische und wirtschaftliche Stabilität des Landes verschlechtert sich zunehmend aufgrund der wachsenden Konflikte in den Nachbarländern. Entsprechend bemüht sind daher die Behörden, illegalen Waffenhandel zu unterbinden und hierzu auch Herkunft und Routen der Waffen zu identifizieren. Die vor Ort befindliche Einheit der Polizei konnte die gefundene Waffe trotz umfangreicher technischer Kenntnisse nicht identifizieren. Ohne eindeutige Identifikation ist die erfolgreiche Nachverfolgung einer Waffe nahezu unmöglich. Häufig jedoch unterbleibt dieser erste Schritt aufgrund von Unwissenheit oder Unsicherheit der handelnden Akteure.
In unserem fiktiven Beispiel wendet sich die ghanaische Polizei an die Nationale Kleinwaffenkommission des Landes. Angehörige dieser Kommission wurden in den Jahren 2023 und 2024 durch erfahrene Ausbilder des Zentrums für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr, konkret aus dem Bereich Proliferationskontrolle und Waffentransfer, in der Methodik zur Identifikation von Kleinwaffen ausgebildet. Durch die grundlegende und effiziente Schulung erlangten die Teilnehmer das methodische Wissen, um sich zukünftig selbst in ihrem Aufgabenbereich fortzubilden.




