Nachgefragt bei … Brigadegeneral Peter Richert, Kommandeur Kommando Aufklärung und Wirkung

Intensives Gespräch zwischen Brigadegeneral Richert und Oberst a. D. Horst. (Foto © MRV)
Intensives Gespräch zwischen Brigadegeneral Richert und Oberst a. D. Horst. (Foto © MRV)

Preis für Freiheit ist stete Wachsamkeit!

Herr General, welches aktuelle dienstliche Thema hat für Sie zurzeit besondere Priorität, und wo liegen Ihre Schwerpunkte in der Führung des Kommandos?

Was mich permanent beschäftigt, ist immer die Bereitstellung von aktuellen Lageinformationen. Das heißt, die Ergebnisse, die die Sensoren des Kommandos tagtäglich gewinnen, den Bedarfsträgern zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Das ist der Standardauftrag. Daneben steht natürlich das Stichwort „Kriegstauglichkeit“.

Der Inspekteur des Cyberinformationsraumes hat hierzu einen Fähigkeitstransfer angewiesen, sodass wir zukünftig sicherstellen, dass alle EloKa-Bataillone (Anm. Red.: Elektronischer Kampf) die Fähigkeiten mitbringen, um in einem intensiven Gefecht bestehen zu können. Das bedeutet dann im Folgenden für mich als Kommandeur: Ich muss die Ausbildung der unterstellten Truppenteile auf Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten. Hier haben wir in den letzten zwölf Monaten enorme Fortschritte gemacht. Wir haben verschiedene Großübungen, die im September stattfinden werden, und parallel dazu führen wir regelmäßig Aufklärung im Rahmen von CIR-Operationen durch.

Das heißt, wir setzen unsere Kräfte bereits heute ein, auch an der Ostflanke der NATO, um Aufklärungsergebnisse gewinnen zu können. Da ist es insbesondere wichtig, dass wir Anstrengungen unternehmen, zukünftig gerade durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz Daten noch schneller verarbeiten zu können und noch schneller an die Bedarfsträger zu übermitteln.

Weiterhin großes Thema: Drohnen. Drohnen beschäftigen mich in zwei Richtungen. Zum einen, wie können wir selbst Drohnen für Aufklärung und Wirkung im elektromagnetischen Spektrum nutzen. Und was können wir tun, um gegen gegnerische Drohnen durch Störmaßnahmen wirken zu können. Hier sind bei mir die Fähigkeiten im Kommando gebündelt.

Letzter Punkt, und das ist der wichtigste überhaupt: Das Ganze wird nur funktionieren, wenn wir hinreichend ausgebildetes Personal haben. Das heißt, Nachwuchsgewinnung hat eine sehr hohe Priorität. Es kommt darauf an, das hochspezialisierte Personal – zivil wie militärisch – zu gewinnen und an uns zu binden, denn wir brauchen es, um den anspruchsvollen Auftrag durchhaltefähig, auch unter LV/BV-Bedingungen (Anm. Red.: Landes- und Bündnisverteidigung), zu erfüllen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle militärische Lage an der Ostflanke der NATO und worauf bereiten Sie sich da im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigungvor?

Nach dem Beginn des Krieges Russland gegen die Ukraine sehen wir sehr deutlich, dass Russland seine Ambitionen an der Ostflanke, in der Ostsee deutlich ausgeweitet hat.

Nach dem Beginn des Krieges Russland gegen die Ukraine sehen wir sehr deutlich, dass Russland seine Ambitionen an der Ostflanke, in der Ostsee deutlich ausgeweitet hat. Ich möchte nur zwei wesentliche Punkte erwähnen. Das eine ist: Die hybride Bedrohungslage hat sich deutlich verändert. Was wir tagtäglich sehen, sind Falschinformationen, Fake-Informationen, Stimmungsmache in den Medien. Hier soll natürlich die Bevölkerung in den westlichen Staaten beeinflusst und ein entsprechendes Setting umgesetzt werden. Der zweite Punkt im Hinblick gerade auf den Ostseeraum, auf die Ostflanke, ist das Thema, wie Russland seine Fähigkeiten zum elektronischen Kampf einsetzt. Wir sehen jeden Tag Störungen im Bereich der GPSSignale. Das heißt, dass GPS komplett gestört wird oder GPS-Daten verändert werden, sodass eine eigene Positionierung nicht mehr möglich ist. Ebenfalls von besonderer Bedeutung sind die Zwischenfälle im Hinblick auf Unterwasserkabel. Wo man natürlich Vermutungen haben kann, wo das herkommt. Es bleibt dabei, der Preis für Freiheit ist stete Wachsamkeit. Und das ist ein Thema, für das dieses Kommando steht.

Brigadegeneral Richert bei der Dienstaufsicht auf der Schießbahn. (Foto © Bw/Kevin Schrief)
Brigadegeneral Richert bei der Dienstaufsicht auf der Schießbahn. (Foto © Bw/Kevin Schrief)

Der Inspekteur CIR und auch der Minister haben öfters das Bild genutzt, die Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum sei das Nervensystem der Streitkräfte. Und wenn ich dieses Bild nutze, dann steht das Kommando Aufklärung und Wirkung für die Augen, die Ohren und auch ein wenig für die Faust. Deswegen ist für uns der entscheidende Punkt, dass wir mit den Fähigkeiten, die wir haben, ein Lagebild bereitstellen, um zum einen Krisen frühzeitig erkennen zu können, und zum anderen, um eingesetzte Soldaten schützen und gegen einen Gegner im elektromagnetischen Spektrum auch wirken zu können.

Was dabei wichtig ist: Wir haben diese Fähigkeiten, und im Hinblick auf Kriegstüchtigkeit und Landes- und Bündnisverteidigung ist jetzt die Frage, wie wir entsprechende Kapazitäten gegebenenfalls noch mal ausbauen müssen. Ich meine damit die Modernität von Sensoriken, ich meine damit die Durchhaltefähigkeit des Personalkörpers. Der Generalinspekteur hat sinngemäß einmal formuliert: Wir befinden uns noch nicht im Krieg, wir sind aber auch nicht mehr im Frieden. Und das ist das, was meinen Auftrag bestimmt. Wichtig für mich ist, wir können auch „fight tonight“. Könnten wir es besser? Ja. Und da sind die entsprechenden Maßnahmen ergriffen, sodass wir insbesondere, was die Sensoriken angeht, in den Jahren 2026, 2027 deutlich besser dastehen werden als noch 2022.

Wie steht es um die Mittel der abbildenden Aufklärung im Weltraum?

Wir betreiben derzeit zwei Systeme. Einmal SAR-Lupe und in Teilen bereits auch SARah, das Nachfolgersystem, das sich bereits im Weltall befindet. Wir haben damit die Fähigkeit, Radarbilder zu erstellen. Und was dieses Thema angeht, sind wir nach meiner Bewertung weitestgehend unabhängig. Das ist eine hochspezialisierte Fähigkeit, die insbesondere auch bei anderen Nationen gesucht ist, wo man sehr gut teilen und über entsprechendes Material auch reden und Informationen austauschen kann. Darüber hinaus unterhalten wir bilaterale Kooperationen, zum Beispiel mit Frankreich. Mit Frankreich haben wir über Jahrzehnte eine sehr enge Beziehung, in der wir Bildmaterial im Bereich der optischen Aufklärung austauschen und dann ein gemeinsames Lagebild kreieren können.

Wichtig aus meiner Sicht ist, dass wir auch im Bereich Weltraum deutlich resilienter werden müssen und noch schneller werden können, wenn es darum geht, Bildmaterial bereitzustellen. Deswegen laufen momentan umfangreiche Überlegungen, wie wir vielleicht zukünftig von diesen großen Satellitenprojekten wegkommen, hin zu Kleinund Kleinstsatelliten, die deutlich flexibler sind. Auch was die Payload angeht, die ich an so einen Kleinstsatelliten anhängen kann. Und, das ist auch ein Thema, das man nicht unterschätzen darf: Diese Kleinstsatelliten sind natürlich resilienter. Denn wenn von einem System mit einer Vielzahl von Kleinstsatelliten einige ausfallen, ist das System in Gänze immer noch verfügbar. Bei Großsatelliten sieht das natürlich anders aus.

Wie und in welcher Zeit erreichen die Analyseprodukte der Zentrale Abbildende Aufklärung die Bedarfsträger?

Der entscheidende Punkt ist, dass wir aus der immensen Datenflut, die wir im Bereich der Bildaufklärung haben – das gilt analog auch für die Fernmeldeaufklärung – in kürzester Zeit die Informationen ausfiltern, die jetzt im Moment relevant sind und die die Entscheidungsträger brauchen. Das ist durch Menschen allein nicht mehr zu leisten. Wir setzen im Bereich der Bildaufklärung, aber auch im Bereich der Fernmeldeaufklärung mittlerweile Künstliche Intelligenz ein, um Standardinformationen frühzeitig auszufiltern. Damit der Analyst sich auf komplexe Lagen, auf komplexe Änderungen konzentrieren kann und eine entsprechende Auswertung für die Truppenführer abgeben kann.

Von Michael Horst

Das komplette Interview lesen Sie in Ausgabe 3/25 des HHK!

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