Zukunft der Luftwaffe: es geht nicht nur um Kampfflugzeuge

Die Eurofighter der Luftwaffe sollen durch Updates noch bis nach 2055 einsatzfähig bleiben.
Die Eurofighter der Luftwaffe sollen durch Updates noch bis nach 2055 einsatzfähig bleiben. (Foto: Krasimir Grozev)

Während allenthalben angeregt über Medienberichte zu Beschaffungsplänen mit vierstelligen Zahlen gepanzerter Fahrzeuge für das Heer diskutiert wird und das Zielbild 2035+ der Marine zumindest mit Negativschlagzeilen über das Fregattenprojekt F126 im Gespräch bleibt, war von der Zukunft der Luftwaffe zuletzt eher wenig zu hören. Am vergangenen Wochenende positionierte sich immerhin der neue Inspekteur der Teilstreitkraft, Generalleutnant Holger Neumann, im Interview mit dem Spiegel zu deren personellen Aufwuchs. Demnach werde an Plänen gearbeitet, bis 2035 um ungefähr 21.000 Dienstposten in den Dimensionen Luft und Weltraum auf dann rund 50.000 zu wachsen.

Gegenüber dem Aufwuchs von 62.000 auf 161.500 für das Heer – einschließlich dessen Anteil am Unterstützungsbereich – plus 229.500 statt 37.000 Reservistinnen und Reservisten, die dessen letzter Inspekteur Alfons Mais im September ins Spiel brachte, klingt das eher bescheiden. Allerdings war die Kampfkraft der Hochtechnologiestreitkraft Luftwaffe schon immer stärker von Systemen als von der dafür benötigten Personalstärke bestimmt. Interessanter ist also, was die zusätzlichen Soldaten künftig bedienen sollen. Dazu haben dieselben Medienberichte, die über tausende neue Leoparden und Boxer sprechen, durchaus auch einiges zu sagen. Man darf nur nicht allein nach Kampfflugzeugen Ausschau halten, die in der allgemeinen Wahrnehmung der Luftwaffe dieselbe Aufmerksamkeit genießen wie Kampf- und Schützenpanzer beim Heer.

Trostpflaster und Streit unter Partnern

Denn da klingen die Zahlen längst nicht so beeindruckend. Seit längerem angekündigt und vom Bundestag am 8. Oktober bewilligt ist die Beschaffung 20 weiterer Eurofighter der Tranche 5. Damit erhöht sich die aktive Flotte auf 163 Maschinen. Bereits im Zulauf befinden sich 38 Flugzeuge der Tranche 4, die vorwiegend die schon 20 Jahre alten Maschinen der Tranche 1 ablösen. Die Tranche 4 führt das lange erwartete Phased-Array-Radar Captor-E mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung ein. Tranche 5 soll mit dem elektronischen Kampfführungssystem Arexis ausgestattet werden und auch Anti-Radar-Flugkörper AGM-88E AARGM einsetzen können. Damit übernehmen diese Flugzeuge ab 2031 die Rolle des Tornado ECR.

FCAS, hier ein Mock-up bei der Airshow Le Bourget 2023.
FCAS, hier ein Mock-up bei der Airshow Le Bourget 2023, ist eines von mehreren europäischen Projekten für ein Kampfflugzeug der sechsten Generation. (Foto: Georg Mader)

Bekanntlich war dies das Trostpflaster für die europäische Industrie, als die Regierung von Olaf Scholz sich 2022 für die amerikanische F-35 als Nachfolger für die Rolle des Tornado in der nuklearen Teilhabe entschied. Das wurde gerade in Frankreich als Gefährdung des deutsch-französisch-spanischen Projekts Future Combat Air System (FCAS) für ein Kampfflugzeug der sechsten Generation gesehen. Mittlerweile scheinen die daran beteiligten Industriepartner auf deutscher und französischer Seite so heillos zerstritten, dass sogar von einer Trennung und einem deutschen Einstieg in das konkurrierende britisch-italienisch-japanische Global Combat Air Programme (GCAP) die Rede ist. Oder einer Partnerschaft mit Schweden, das wiederum nach dem Ausstieg bei GCAP ein eigenes Projekt verfolgt.

Kampfwertsteigerung durch Computerpower

Vielleicht liegt es an diesen Umständen, dass Berichte zu Plänen über die Beschaffung weiterer 15 deutscher F-35 von Regierungsseite zunehmend weich dementiert werden. Die bereits bestellten 35 Maschinen sollen ab kommendem Jahr ausgeliefert werden, zunächst für die Pilotenausbildung in den USA. Brückenlösung bis zur Einführung eines Kampfflugzeugs der sechsten Generation ab 2040 bleibt der Eurofighter Long-Term Evolution (LTE), der vor allem mit überarbeiteter Avionik bis nach 2055 einsatzfähig bleiben soll. Hier gilt das Prinzip Software-Defined Defence: Leistungssteigerung wird künftig vor allem durch Software-Updates erzielt, für die allerdings auch die entsprechende Computerpower vorhanden sein muss. Auf diesen Standard soll schließlich die gesamte deutsche Eurofighter-Flotte hochgerüstet werden.

Relativ wenig beachtet wurde eine Aussage von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, die er kürzlich bei seinem Besuch in Kanada machte. Während er dort für das deutsch-norwegische U-Boot-Projekt U212CD warb, mit dem die kanadische Marine ihren Bedarf für bis zu zwölf neue U-Boote decken könnte, wies er auf die deutsche Absicht vom Kauf von mindestens 18 Businessjets von Bombardiers Global-Reihe hin. Je drei Global 5000 und 6000 des kanadischen Herstellers sind derzeit bei der Flugbereitschaft der Luftwaffe im Einsatz. Weitere drei Global 6000 sind als Träger des Signalaufklärungssystems Pegasus vorgesehen, nachdem dessen Integration in das unbemannte System RQ-4 Global Hawk gescheitert war. Seit Oktober macht die erste Maschine in den USA Testflüge.

Das GlobalEye-System, das Saabs Frühwarnradar EriEye ER mit Leonardos Seaspray zur See- und Bodenüberwachung sowie elektro-optischen Sensoren auf Bombardiers Global 6000 verbindet, ist ein möglicher Nachfolger für die E-3 Sentry AWACS-Flotte der NATO.
Das GlobalEye-System, das Saabs Frühwarnradar EriEye ER mit Leonardos Seaspray zur See- und Bodenüberwachung sowie elektro-optischen Sensoren auf Bombardiers Global 6000 verbindet, ist ein möglicher Nachfolger für die E-3 Sentry AWACS-Flotte der NATO. (Foto: Mike Burdett)

SIGINT, AEW&C, Drohnen, Transporthubschrauber

Eher unwahrscheinlich scheint, dass diese SIGINT-Rolle – oder der Bedarf der Flugbereitschaft – die Beschaffung von 18 weiteren Exemplaren erfordert. In diesem Zusammenhang wird vielmehr auf das Scheitern des NATO-Programms für den Ersatz der gemeinsamen luftgestützten Frühwarn- und Führungsflotte (AEW&C) von Boeing E-3 Sentry durch die E-7 Wedgetail des gleichen Herstellers verwiesen. Zuvor waren die USA wegen Bedenken zu Kosten und Überlebensfähigkeit von der Beschaffung des neuen Flugzeugs auf Basis der Boeing 737 zurückgetreten. Dort will man sich vor allem auf weltraumgestützte und unbemannte Frühwarnfähigkeiten verlegen. So weit ist man in Europa noch nicht, weswegen das schwedische GlobalEye-System in Frage kommt. Der Nachfolger von Saabs EriEye verwendet die Global-Reihe als Trägerflugzeug.

Allerdings untersucht auch Saab schon gemeinsam mit dem Drohnenhersteller General Atomics die Integration von EriEye-Radars auf der MQ-9B Reaper. Die israelische IAI, deren AEW&C-System EL/W-2085 daheim auf der Gulfstream G-550 eingesetzt wird, hat ebenfalls schon vom möglichen Einsatz ihrer Drohne Heron TP für Frühwarnzwecke gesprochen. Die deutsche Luftwaffe erhält vorläufig zusätzlich zu ihren fünf vorhandenen Heron TP drei weitere samt eines Bewaffnungspakets für 100 Millionen Euro. Was angesichts der Rückorientierung vom internationalen Krisenmanagement zur Landes- und Bündnisverteidigung gegen nicht zuletzt in der Luftverteidigung ebenbürtige Gegner zunächst ungewöhnlich erscheint. Allerdings behindert die Bedrohung durch moderne Flugabwehrsysteme auch nicht die Beschaffung des schweren Transporthubschraubers CH-47F als Nachfolger der abgeflogenen CH-53.

Wachstumsbereich bodengebundene Flugabwehr

In der bodengebundenen Flugabwehr findet andererseits der augenfälligste Aufwuchs der Luftwaffe statt. Kommende Woche will sie die anfängliche Einsatzbereitschaft des ebenfalls aus Israel beschafften Raketenabwehrsystems Arrow 3 in Holzdorf erklären. Zwei weitere Batterien sollen folgen, um einen – begrenzten – Schutz vor außerhalb der Erdatmosphäre anfliegenden ballistischen Raketen mittlerer bis langer Reichweite zu gewährleisten. Mit Frankreich wird an einem Frühwarnsystem vor Raketenstarts gearbeitet, in das die Radars von Arrow und neue Satelliten eingebunden werden sollen. Pläne gibt es auch schon für das Nachfolgesystem Arrow 4, das Arrow 3 nach unten ergänzen soll, einschließlich gegen in der Atmosphäre manövrierende Hyperschall-Flugkörper.

Teststart eines Raketenabwehrflugkörpers Arrow 3.
Arrow 3 ist die bislang letzte eingesetzte Variante der von IAI und Boeing entwickelten Flugkörperfamilie. (Foto: IAI)

In der nächsttieferen Schicht soll die Zahl der Staffeln mit dem System Patriot bis 2029 von derzeit nach Abgaben an die Ukraine nur noch neun wieder auf 17 erhöht werden. Hierfür werden künftig auch im bayerischen Schrobenhausen Flugkörper PAC-2 gegen luftatmende Ziele hergestellt. Für mittlere Reichweiten und Höhen werden derzeit die ersten sechs Feuereinheiten des ebenfalls bereits in der Ukraine bewährten System IRIS-T SLM eingeführt. Vor einem Monat wurde von Plänen zur Beschaffung von 14 weiteren berichtet, zuletzt war gar von 50 die Rede. Diese sollen allerdings offenbar neben den mobilen Nahbereichssystemen Skyranger 30 und IRIS-T SLS auf Fahrgestell Boxer teilweise auch die wieder aufgestellte Heeresflugabwehr ausstatten. Zudem soll die künftige Langstreckenversion IRIS-T SLX eine beweglichere Ergänzung zu Patriot bieten.

Der Weltraum, unendliche Weiten

Angestrebt ist auf jeden Fall, ein zweites Flugabwehrraketengeschwader aufzustellen, nicht zuletzt um NATO-Forderungen zu erfüllen. Unklar ist dagegen noch die Rolle der Luftwaffe bei der künftigen Fähigkeit zu Deep Precision Strikes mit weitreichenden bodengestarteten Flugkörpern. Als zusammen mit den Plänen für defensive Systeme auch über solche für drei Feuereinheiten des amerikanischen System Typhon samt nicht weniger als 400 Marschflugkörpern Tomahawk – allerdings wohl teilweise für die Marine – berichtet wurde, schien sie der logische Betreiber. Schließlich war sie bereits im Kalten Krieg für ähnliche Waffe bis hin zur ballistischen Mittelstreckenrakete Pershing Ia verantwortlich. In dieser Woche sprach allerdings der neue Heeresinspekteur Generalleutnant Christian Freuding davon, bis 2029 hierfür eine erste Batterie als Kern einer Multi-Domain Task Force nach US-Vorbild aufzustellen.

Das ist natürlich interpretationsfähig und schließt auch eine teilstreitkraftübergreifende Task Force nicht aus. Zumal Multi-Domain-Effekte und Zieldaten für Deep Precision Strikes stark auf weltraumgestützten Systemen beruhen. Die wiederum werden vermutlich dem bei der Luftwaffe angesiedelten Weltraumkommando der Bundeswehr unterstehen. Was, wie auch im Spiegel-Interview von Inspekteur Neumann anklang, der zweite große Wachstumsbereich der Teilstreitkraft sein dürfte – obwohl auch der Bereich CIR entsprechende Ambitionen hat. Hier wird von Satellitenprogrammen für insgesamt 14 Milliarden Euro geredet, davon allein 9,5 Milliarden für eine störfeste Konstellation von Kommunikationssatelliten im niedrigen Erdorbit. Auch neue geostationäre Satelliten und Upgrades für Bodenstationen sind vorgesehen. Die künftige Stärke der Luftwaffe wird sich also nicht nur an der Zahl ihrer (bemannten) Kampfflugzeuge messen.

Stefan Axel Boes

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