Bei der Berichterstattung über vertrauliche Planungen zu Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr gab es diese Woche Nachschlag, wie üblich über ein internationales Medium. Im Sommer waren es die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters, die Zahlen von 1.000 neuen Kampfpanzern Leopard, 2.500 bis 5.000 gepanzerten Transportkraftfahrzeugen Boxer, 3.500 bis 4.000 Patria 6×6 und 1.000 Piranha bis 2035 in den Raum warfen. Diesmal meldete die amerikanische Tageszeitung Politico den Inhalt eines Regierungsdokuments mit insgesamt 320 Projekten im Wert von insgesamt 377 Milliarden Euro. Verbindung nach Deutschland natürlich: Politico ist seit 2021 Teil des Springer-Konzerns. Wesentliche neue Details bei den gepanzerten Fahrzeugen: 662 Schützenpanzer Puma plus 25 Fahrschulfahrzeuge und 561 Flugabwehrsysteme Skyranger 30.
Im Sommer war noch von 400 des ersten und 600 des zweiten Typs die Rede. Der Satz, dass die insgesamt 687 Puma „bis 2035 ausgeliefert“ sein sollen, wird derzeit verschieden interpretiert: ob das nämlich die am Ende in Dienst stehende Gesamtzahl sei, oder zu den bereits vorhandenen oder früher bestellten 400 hinzukomme. Im zweiten Fall beliefe sich die Summe auf 949 Gefechts- und 38 Fahrschulfahrzeuge. Abzüglich der geplanten 40-prozentigen Umlaufreserve genug für 15 Panzergrenadierbataillone á 44 Stück, andernfalls nur für zehn. Wobei sich mittlerweile auch der früher als „PuBo“ bezeichnete Radschützenpanzer auf Boxer-Fahrgestell mit Puma-Turm für die Mittleren Kräfte unter dem Namen Schakal materialisiert hat.
Beschaffung von Material: geplant
Vor zwei Wochen billigte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Beschaffung von 150 Stück hiervon, plus einer Option auf bis zu 200 weitere. Mit anderen Worten, es wird auch noch zwei bis fünf zusätzliche Panzergrenadierbataillone Rad geben. Angesichts der NATO-Forderung nach sieben zusätzlichen deutschen Kampfbrigaden kann sich daraus nun jeder seine Wunschgliederung zusammenstricken. Einschließlich der beiden gerüchteweise geplanten Kampfaufklärungsbrigaden mit Kampf- und Radpanzern, die angeblich eine ähnliche Rolle wie die amerikanischen gepanzerten Kavallerieregimenter des Kalten Krieges übernehmen sollen: als Korpstruppe für robuste Aufklärung, Flankensicherung und ähnliche „Economy of force“-Aufgaben.

Gemeinsam mit den 561 Skyranger sowie den bereits bekannten Plänen für bis zu 168 Radhaubitzen RCH 155 und 123 bestellten Schweren Waffenträgern Infanterie decken die avisierten Boxer-Varianten jedenfalls schon einmal das erste Tausend der früher genannten Zahlen ab. Auch bei der Plattform Piranha zeichnet sich nach den 256 8×8-Fahrzeugen für das Führungsnetzwerk TaWAN mit den am 20. Oktober bestellten Spähpanzern Luchs 2 auf 6×6-Fahrgestell – zuvor als Korsak bezeichnet – die Aufteilung der Gesamtstückzahl ab. Darüber hinaus berichtet Politico über weitere Vorhaben für alle Teilstreitkräfte. So etwa 14 Feuereinheiten des Flugabwehrsystems IRIS-T SLM samt 396 Flugkörpern und 300 weiteren der Kurzstreckenversion IRIS-T SLS. Letztere wohl für die FlaRak-Version des Boxers.
Abgabe von Bundeswehr-Liegenschaften: gestoppt
Hinzu kommen weitere MALE-Drohnen Heron TP aus Israel samt passender Bewaffnung für 100 Millionen Euro, ein Dutzend taktische Aufklärungssysteme LUNA NG und vier Marinedrohnen uMAWS. Ebenfalls für die Marine sind vier zusätzliche Seepatrouillenflugzeuge P-8 Orion Euro vorgesehen, von denen bislang acht bestellt sind. Die Absicht zum Kauf weiterer P-8 war bereits bekannt, ebenso wie für 15 weitere Kampfflugzeuge F-35. Auch drei amerikanischen Mehrzweck-Flugkörperstartsysteme Typhon (wohl ebenfalls als Feuereinheiten mit jeweils mehreren Startern) stehen auf der Liste – zusammen mit nicht weniger als 400 Marschflugkörpern Tomahawk Block Vb. Dies soll offensichtlich die Lücke bei den deutschen Fähigkeiten zum „Deep Precision Strike“ schließen, bis die multinationale Initiative European Long-Range Strike Approach (ELSA) im nächsten Jahrzehnt ein europäisches System hervorbringt.
Einen großen Anteil des kalkulierten Gesamtumfangs machen schließlich Satellitenprogramme für insgesamt 14 Milliarden Euro aus, davon allein 9,5 Milliarden für eine störfeste Konstellation von Kommunikationssatelliten im niedrigen Erdorbit. Auch neue geostationäre Satelliten und Upgrades für Bodenstationen sind vorgesehen. Also so ziemlich alles, was für die Erfüllung des Versprechens von Bundeskanzler Friedrich Merz notwendig ist, die Bundeswehr zur konventionell stärksten Armee Europas zu machen. Dazu passend gab es diese Woche die Meldung, dass die Konversion von Liegenschaften der Bundeswehr für eine zivile Nachnutzung (endlich) gestoppt werde. Aktuell betreffe das zunächst 187, die bereits an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben abgegeben wurden. Und außerdem weitere 13, die die Bundeswehr noch betreibt.

Ausbau der Truppenstärke: gefährdet
An Planungskapazitäten – und der notwendigen finanziellen Perspektive – herrscht jedenfalls offensichtlich kein Mangel. Woraus sich allerdings die Frage ergibt: Wer soll eigentlich in diese Liegenschaften einziehen und die ganzen schönen Systeme am Ende bedienen? Denn in der Frage des personellen Ausbaus der Bundeswehr kreist die Politik nach wie vor um sich selbst. Zwar schaffte es die schwarz-rote Koalition nach der gescheiterten Verschlimmbesserung vor zwei Wochen, den Gesetzentwurf zum Neuen Wehrdienst doch noch in den Bundestag einzubringen. Seitdem scheint sie jedoch genau da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatte. In Medienberichten, die aus Koalitionskreisen jeweils postwendend als überholt bezeichnet wurden, ist weiterhin von Verhandlungen über ein Vier-Phasen-Modell die Rede.
Wobei allerdings die erste Phase den Ist-Zustand des Entwurfs beschreibt und die vierte eine Erklärung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls annimmt, wodurch die ausgesetzte Wehrpflicht ohnehin wieder aktiviert würde. Darüber muss man also keine Verhandlungen führen. Dazwischen scheint es immer noch um Losverfahren für die Vorladung zur Musterung bereits ab nächstem Jahr und in Phase drei für die Heranziehung zum Wehrdienst zu gehen, falls die Zahl der Freiwilligen nicht ausreicht. Unklar ist, ob wie von Verteidigungsminister Boris Pistorius gefordert ab 2027 wieder alle 18-jährigen Männer gemustert würden. Drumherum schwirren Daten zwischen 2035 und 2039, bis zu denen der geplante Friedensumfang von 260.000 Mann und Frau erreicht werden soll. Und von denen man allesamt hoffen will, dass es sich um Schreibfehler handelt.
Währenddessen droht das Jahresende, nach dem das Gesetz eigentlich in Kraft treten soll, um die Grundlage für den Wiederbeginn der Wehrerfassung in 2026 zu schaffen. Geplant ist noch eine Expertenanhörung am 10. November. Angesichts des parlamentarischen Sitzungskalenders müsste der Bundestag den Entwurf dann bis zum 5. Dezember – also in fünf Wochen – beschließen, damit der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres am 19. zustimmen könnte. Man fragt sich, wie es in einer so lange als sicherheitskritisch erkannten Frage so knapp werden konnte. Vielleicht sollte man dazu mal nach Kroatien schauen. Dort hat das Parlament am vergangenen Freitag die 2008 ausgesetzte Wehrpflicht zum Jahresende wieder aktiviert. Ab dann werden alle 18-jährigen Männer gemustert. So geht’s also auch.
Stefan Axel Boes



