Interview mit Generalmajor Gerald Funke, Kommandeur Logistikkommando der Bundeswehr, zum zehnjährigen Jubiläum des LogKdoBw
Sehr geehrter Herr General, am 15. Januar 2013 wurde das Logistikkommando der Bundeswehr in Dienst gestellt. Was waren die Gründe dafür? Der Gedanke des Fähigkeitskommandos war im Kern die Zusammenführung bislang verteilter Verantwortlichkeiten. Jede Teilstreitkraft hatte früher ein eigenes Logistisches System mit eigenen Verfahren und Prozessen sowie eigenen logistischen Kräften. Ein gemeinsames Logistisches System der Bundeswehr, wie wir es heute kennen, gab es nicht. All dies war sehr ressourcenaufwendig und nur begrenzt effizient. Der Wunsch nach einem gezielteren Einsatz knapper Ressourcen führte im Jahr 2000 zur Gründung der Streitkräftebasis (SKB). Nach vielfältiger Reduzierung der Bundeswehr unter dem Stichwort der Friedensdividende war es entscheidend, aus dem Verbleibenden maximale Synergieeffekte zu erschließen, um die „Kampftruppe“ aller damaligen Teilstreitkräfte (TSK) so effektiv wie möglich unterstützen zu können. Dies gelang durch Zusammenführung der verbliebenen logistischen Elemente aller TSK, die grundsätzlich gleiche querschnittliche Aufgaben in der logistischen Leistungserbringung wahrnehmen. So wurde unter dem Dach der SKB das, was heute als Basislogistik bekannt ist, geschaffen. Die Verantwortlichkeiten waren jedoch immer noch verteilt. Zwei der vier Wehrbereichskommandos (WBK) waren „Logistik heavy“, das WBK I in Kiel und das WBK IV in München. In einer regionalen Zuordnung unterstanden den beiden WBKs verschiedene Logistikbataillone, damals noch reine Nachschub-, Transport- oder Instandsetzungsverbände, genauso wie die Lagereinrichtungen der Depotorganisation. Übergeordnete Verantwortungen waren im Streitkräfteamt und im Streitkräfteunterstützungskommando verortet. Die wesentliche Triebfeder, die zur Gründung des Logistikkommandos der Bundeswehr (LogKdoBw) führte, war also der Wille, eine gemeinsame Verantwortung für das logistische System insgesamt zu schaffen; ein Fähigkeitskommando, in dem Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung, kurz AKV, gebündelt werden. Das ist auch der Grund, weshalb ich als Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr auch die Funktion des sogenannten „Generals Bundeswehrlogistik“ wahrnehme und damit die einheitliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Logistischen Systems der Bundeswehr verantworte.
Generalmajor Gerald Funke stellte sich den Fragen von Chefredakteur Burghard Lindhorst.( Foto © Bw/Michael In der Au)
Und wie sieht es heute aus? Heute unterstehen dem LogKdoBw die mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis. Diese bestehen aktuell aus einem Logistikregiment, den Logistikbataillonen, einem Spezialpionierregiment und einem RSOM-Bataillon (Reception, Staging, Onward Movement). Hinzu kommt die Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt, an der die querschnittliche Ausbildung für alle Organisationsbereiche erfolgt, sowie das Zentrum Kraftfahrwesen der Bundeswehr in Mönchengladbach, welches die zentrale Verantwortung für den Kraftfahrbetrieb für die gesamte Bundeswehr trägt. Ebenfalls unterstellt ist das Logistikzentrum der Bundeswehr in Wilhelmshaven, welches auf der Durchführungsebene den „operativen“ Tag-zu-Tag-Betrieb des logistischen Systems steuert und verantwortet. Dem Logistikzentrum sind alle ortsfesten logistischen Einrichtungen nachgeordnet von den klassischen Munitionsund Materiallagern (inklusive Betriebsstofflager sowie Sanitätsmateriallagern) bis hin zum Mechatronikzentrum in Jülich, dem Elektronikzentrum in Bad Bergzabern, dem Kalibrierzentrum in Mechernich mit seinen Außenstellen sowie dem Materialwirtschaftszentrum Einsatz in Hesedorf mit seinen Außenstellen. Dazu zählt auch ein sogenannter LogHub in Pfungstadt als deutscher Beitrag im Rahmen eines Projektes der Ständigen Strukturieren Zusammenarbeit in der EU (PESCO). Insgesamt gehören zum Verantwortungsbereich des LogKdoBw rund 17.000 Frauen und Männer, knapp zwei Drittel davon Soldatinnen und Soldaten, in 55 Dienststellen an 73 Standorten. Damit machen wir Logistik aus einem Guss! Ich gestalte als General Bundeswehrlogistik mit dem Stab in Erfurt das Logistische System der Bundeswehr insgesamt. Das LogKdoBw regelt auch das Zusammenwirken der unterstellten logistischen Kräfte der Basislogistik mit denen der militärischen Organisationsbereiche, der sogenannten Einsatzlogistik. Es gibt vier logistische Ebenen: Ebene 1 umfasst alle logistischen Aufgaben im Rahmen der Eigenversorgung innerhalb einer Dienststelle. Die Ebene 2 sind Versorgungseinrichtungen, die über eine Lagereinrichtung und grundsätzlich über ein Lagerverwaltungssystem verfügen, aus der zugeordnete Verbraucher logistisch versorgt bzw. unterstützt werden. Zu den Versorgungseinrichtungen der logistischen Ebene 2 gehören u. a. auch technische Einrichtungen der Luftwaffe, unterstützende Einheiten des Heeres, die Einsatzversorgung der Marinestützpunktkommandos und des Marinefliegerkommandos, vergleichbare Versorgungseinrichtungen des Zentralen Sanitätsdienstes, die Wehrtechnischen/ Wehrwissenschaftlichen Dienststellen, das Marinearsenal des Organisationsbereiches Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung sowie Versorgungseinrichtungen der SKB, die ein logistisches Netzwerk aufspannen (Basislogistik). Die Ebene 3 umfasst die logistischen Einrichtungen der Zentrallogistik (ortsfeste logistische Einrichtungen), die Materialumschlagszentren des Organisationsbereiches Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen sowie das Logistikzentrum selbst. Die Ebene 4 bildet die wehrtechnische Industrie. Wo notwendig und sinnvoll, erfolgt die logistische Leistungserbringung zentral, wo immer möglich aber dezentral. Die „Spielregeln im System“, also insbesondere die Grundsätze, Standards und Verfahren werden einheitlich und für alle in den vier logistischen Ebenen Involvierte in Erfurt festgelegt.
Diese zehn Jahre waren durch sicherheitspolitische Veränderungen geprägt.Wie wirkte sich das auf das Logistikkommando aus? Im Januar 2013 standen noch klar die Auslandseinsätze im Vordergrund wie zum Beispiel auf dem Balkan, in Afghanistan und die Unterstützung der Marineoperationen. Diese bestimmten unser Denken und auch unsere Truppeneinteilung. Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) war gedanklich weiter weg. Erst im Februar 2014 kam der Weckruf mit dem ersten Angriff Russlands auf die Ukraine, der Besetzung der Krim und Teilen des Donbass. Das Umdenken in Richtung Collective Defense begann – auf dem NATO-Gipfel in Wales wurden entsprechende Beschlüsse gefasst. Für die Bundeswehr wurden verschiedene Trendwenden angestoßen, aber die finanzielle Ausstattung noch nicht wesentlich verbessert. Das Weißbuch 2016 und die Konzeption der Bundeswehr 2018 zeigten den neuen Weg auf. Bezogen auf die Logistik wurde 2019 u. a. entschieden, drei Munitions- und fünf Materiallager wieder in Betrieb zu nehmen. In der Truppe fand eine Abkehr vom reinen Kontingentdenken statt. Hieraus hatte sich die Zahl von sechs Logistikbataillonen begründet. Aus diesem Grund waren die Verbände vergleichsweise groß, da sie eine Vielzahl unterschiedlicher Auslandseinsätze der Bundeswehr bedienen mussten. Bei LV/BV stellt das ganz anders dar. Auch wenn sich viele Ältere – auch ich zähle mich dazu – an die ehemaligen General Defense Plans des Kalten Krieges erinnert fühlen: Die Situation der Landes- und Bündnisverteidigung damals und heute ist nur wenig vergleichbar. Denken Sie nur an die Distanzen. Diese waren damals bei einer potenziellen Verteidigung im eigenen Land wesentlich geringer als das heute der Fall ist – mit allen Konsequenzen für die Ausgestaltung des Logistischen Systems. Zwischenzeitlich hatten wir uns auf einen sogenannten 360-Grad-Ansatz einzustellen, um irgendwo auf diesem Globus in Einsätze gehen zu können. Tailored to the Mission, also das bedarfsgerechte, aber auch zeitaufwendigere „Zuschneiden“ der logistischen Kräfte auf das konkrete Krisenszenario wurde das Gebot der Stunde. Klassischerweise würde es als Basis einen See- oder Flughafen geben, idealerweise beides nahe beieinander, über die die Folgeversorgung laufen und daraus die Kampftruppe versorgt würde. Heute versorgen wir die Truppe in einem LV/BV-Szenario flexibler und mehr aus den Strukturen heraus, die wir gerade dabei sind, einzunehmen. Wir gestalten den Gedanken des logistischen Netzwerkes im Einsatzgebiet mit dislozierten, modular und verlegefähig aufgebauten, bewusst redundanten logistischen Knoten, an denen bzw. von denen aus logistische Leistungen erbracht werden. Daraus versorgen wir die Bedarfsträger aller Organisationsbereiche und können sehr flexibel agieren: Geht die Kampftruppe nach vorne, folgen die schnell verlegbaren logistischen Einrichtungen. Nicht zu vergessen: Aus dem Netzwerk heraus müssen alle Kräfte im Raum versorgt werden, also auch z. B. Kräfte von CIR, der Sanität oder auch von Luftwaffe und Marine. Derzeit sind wir dabei, unsere „alten“ bestehenden Strukturen LV/BV-tauglich zu machen. Durch umfangsneutrale Umgliederung schaffen wir eine zukünftige Struktur mit sieben Logistikbataillonen, einem Nukleus eines auf RSOM spezialisierten Bataillons und zwei Regimentsstäben. Die NATO hat dieses Jahr auf dem Gipfel in Madrid konkrete Verteidigungsplanungen beauftragt, für uns mit dem regionalen Fokus Baltikum. Darauf bereiten wir die Truppe jetzt vor. Zum jetzigen Zeitpunkt kennen wir das Ergebnis der Bestandsaufnahme des Bundesministeriums der Verteidigung noch nicht. Allerdings erwarte ich im Hinblick auf die Logistik keine großen Überraschungen. Ich hoffe, dass diese umfangsneutrale Umgliederung nunmehr abschließend bestätigt wird. Die jüngsten Erfahrungen aus dem Ukrainekrieg haben die Bedeutung einer leistungsfähigen militärischen Logistik deutlich unterstrichen. Deshalb bin ich sehr dankbar für die zusätzlichen 1.000 militärischen logistischen Dienstposten, die uns im Juni von Frau Ministerin und Herrn Generalinspekteur zugesagt wurden. Diese will ich ausschließlich in die Truppe, nicht in Stabsstrukturen investieren. Daraus soll ein weiteres Logistikbataillon aufgestellt und das bislang nur als Nukleus existierende RSOM-Bataillon verstärkt werden. Ein Teil der Dienstposten kommt den ortsfesten logistischen Einrichtungen zugute, um ihre Durchhaltefähigkeit 24/7 zu stärken. Es handelt sich dabei derzeit ausschließlich um militärische, aber keine zivilen Dienstposten. Aufgrund des gebilligten Kapazitätsaufwuchses in der Depotorganisation und der Defizite in der Robustheit der ortsfesten logistischen Leistungen würde ich mir wünschen, auch die Anzahl ziviler Stellen bedarfsgerecht erhöhen zu können. Einige wenige Dienstposten werden wir in den Aufbau eines Technologiezentrums Systemsicherheit im Bereich des Zentrums Kraftfahrwesen investieren, um uns dort moderne Techniken für die Landbeweglichkeit wie das unbemannte Fahren unter militärischen Rahmenbedingungen zu erschließen und zulassungsfähig auszugestalten. Auch die Logistikschule der Bundeswehr soll einige Dienstposten erhalten. Die größte Schule der Bundeswehr mit jährlich rund 15.000 Lehrgangsteilnehmern ist nicht nur ein klassischer Ausbildungsbetrieb. Dort ist auch etwas, was ich gerne als meine drei Diamanten bezeichne: ein logistisches Übungszentrum für Bataillonsstäbe, das Spezialpionierausbildungszentrum in Putlos und das Joint Logistics Support Group Coordination and Training Centre, kurz JCTC, eine Ausbildungsstätte für logistische Arbeit in multinationalen Stäben. Letzteres wollen wir mit einigen Dienstposten verstärken, um hier in einem Feld bereits hoher internationaler Reputation und zunehmender Bedeutung noch wirkungsvoller tätig werden zu können. Diese Planungen sind aber – wie bereits gesagt – zu trennen von der umfangsneutralen Umgliederung.
Die Vielschichtigkeit Ihrer Aufgaben muss sich doch auch in ihrem Stab in Erfurt widerspiegeln … Ja, genau. Das kann man an der Grobstruktur des Stabes gut festmachen. Ich habe eine Abteilung Führung, die in einer klassischen Gliederung die Aufgaben wahrnimmt, die sich mir als Truppenführer entsprechend der Ebene Divisionskommandeur stellen. Führung umfasst natürlich den Stab selbst, die mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis (mobLogTr SKB), die Logistikschule der Bundeswehr, das Logistikzentrum der Bundeswehr und das Zentrum Kraftfahrwesen der Bundeswehr. Zusätzlich ist die Abteilung noch – quasi als Brigadeebene – der Stab der mobLogTr SKB. Ein Beispiel: Bei den Beurteilungen müssen diese sowohl aus Brigade- als auch Divisionszuständigkeit bearbeitet werden. So zieht sich das durch alle Führungsgrundgebiete. Die Abteilung Planung blickt in zwei Richtungen: Was tun wir für die Weiterentwicklung des Logistikkommandos als Fähigkeitskommando? Hierunter fällt als Beispiel die Umgliederung, die ich vorhin beschrieben habe. Zweiter Aspekt: Wie wollen wir das Logistische System der Bundeswehr weiterentwickeln? Als General Bundeswehrlogistik ist dementsprechend der Blick auf das Gesamtsystem mit allen militärischen Organisationsbereichen, dem Bundesamt für Ausrüstung Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, dem Bundesamt für Infrastruktur, Umwelt und Dienstleistungen der Bundeswehr, der Heeresinstandsetzungslogistik bis hin zum BwFuhrparkService zu richten, um hier die wesentlichen Player zu nennen. Die Abteilung Einsatz ist nach Geschäftsprozessen gegliedert: Logistische Führung, Materialbewirtschaftung, Instandhaltung und Fertigung, Technisch-Logistisches tisches Management, Verkehr und Transport sowie Logistische Sonderaufgaben. Diese Abteilung schreibt Konzepte für die Einsätze, zum Beispiel im Baltikum. Sie steuert den Grundbetrieb durch die Herausgabe von Regelungen und gibt aus dem Blickwinkel einsatzbedingter Erfordernisse ebenfalls wichtige Impulse zur Weiterentwicklung des Logistischen Systems der Bundeswehr. Zu den vielen Facetten gehören noch weitere Basisaufgaben wie im Kraftfahrwesen die Sicherstellung und Weiterentwicklung der Landmobilität. Ein weiteres Beispiel ist das Datenmanagement, die Eingabe der umfangreichen Stammdaten z. B. von Fahrzeugen für das SASPF-System, die irgendwie und irgendwann mal alle Nutzer benötigen, z. B. für die Materialdisposition, die Instandsetzung, aber auch die Verkehrs- und Transportplanung. Diese ganze Vielschichtigkeit umfasst weiterhin alle logistischen Sonderaufgaben bis hin zum Thema Feldpost. Ein weiteres Handlungsfeld ist die Digitalisierung. Die Durchgängigkeit der Verfahren und Prozesse möchte ich überall dort kultivieren, wo es unserer Aufgabe hilft. Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Aber sie ist eine Chance auch für die Logistik. Die Innovationszyklen werden immer kürzer. Mit Digitalisierung können wir auch das beherrschen. Nehmen wir das Einlagern von Ersatzteilen: Früher haben wir Panzer beschafft, die Ersatzteile auf Lager gelegt, und die passten 20 Jahre später noch. Heute bestehen bei einzelnen Waffensystemen Obsoleszenzen aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Ersatzteilen, die teilweise durch Nutzungsdauerverlängerungen der Waffensysteme hervorgerufen werden. In der Kurzfristigkeit beherrsche ich das dann nur noch, wenn mir die Digitalisierung eine umfangreiche schnelle Informationsverarbeitung ermöglicht. Ein weiteres Thema wäre das „unbemannte Fahren“. Warum nicht auch unbemanntes Fliegen, ein Quadrocopter, der ein Ersatzteil schnell weit nach vorne bringt? Logistik modern halten, auch vor den Herausforderungen der Demografie. Wo kann ich etwas autonomer, ganz ohne oder mit nur wenig Personal gestalten?
Das alles hat doch sicherlich durch die Fortsetzung des russischen Angriffs auf die Ukraine seit Februar ganz neue Impulse bekommen und weitere Prüffragen aufgeworfen? In der Tat. Meist hat man bisher über Logistik nur dann gesprochen, wenn einmal etwas nicht funktionierte. Und das gilt im Zivilen genauso wie in der Bundeswehr. In 99 Prozent der Fälle, wo alles geklappt hat, war dies selbstverständlich. Nunmehr diskutiert man sehr intensiv über die Bedeutung der Logistik. Über militärische Aspekte, aber auch die zivile Bedeutung, wenn beispielsweise Lieferketten für die Industrie ausfallen. Zur militärischen Logistik: Wir haben noch aus den ersten Tagen des Krieges diesen kilometerlangen Konvoi der Russen vor Augen. Jeder fragte sich, was machen die eigentlich da? Sind die überhaupt durchhaltefähig? Warum funktioniert das nicht? Militärische Logistik war plötzlich in aller Munde. Zwar hatte auch früher niemand gesagt, Logistik sei unwichtig. Aber jetzt tritt die Bedeutung sehr augenscheinlich in den Vordergrund. Logistik gewinnt keine Kriege, aber ohne Logistik gehen sie mit Sicherheit verloren. Logistik muss von Anfang an mitgedacht werden, sonst scheitert eine Operation. Logistische Ziele sind von hoher Bedeutung. Die Zerstörung eines Materiallagers mit Versorgungsgütern hat viel größere Effekte als die Vernichtung einzelner Kampfpanzer. Das Abschneiden der Kampftruppe von der Logistik erzielt nachhaltig eine sehr hohe Wirkung an der Front. Dieses Bewusstsein ist jetzt glasklar geworden. Welche Lehren ziehen wir daraus? Die Tiefe des Raumes ist kein Schutz mehr. Auch wenn ich meine Lager und Werkstätten in erheblicher Entfernung zum Feind einrichte, können sie mit weitreichender Artillerie in Dutzenden mit Lenkflugkörpern oder Drohnen teils auch in Hunderten Kilometern Entfernung getroffen werden. Die Versorgungswege, die Ground Lines of Communication, sind sehr lang und werden gezielt zerstört wie etwa Straßen- oder Eisenbahnbrücken. Was bedeutet das nun? Schauen wir auf das logistische Netzwerk mit seinen Knoten. Entweder gestalte ich diese sehr schnell verlegbar oder ich habe beispielsweise bestimmte Munition nicht allein in einem Lager, sondern an mehreren Stellen. Wird ein Lager ausgeschaltet, versorge ich aus einem anderen. Wie schaffen wir es, uns gegen Luftbedrohung, insbesondere durch Drohnen, effektiver zu schützen? Wie wähle ich Transportwege? Nicht nur auf einen Verkehrsträger abstützen wie etwa die Bahn bei den Russen, sondern mehrere Transportmittel wählen, eine Mischung. Das Thema der Vorratshaltung, also Munition und Material, ist sehr deutlich geworden. Hier müssen wir richtig viel investieren. Kaltstartfähigkeit bedeutet auch, auf volle Material- und Munitionslager zugreifen zu können. Und dies gilt umso mehr unter dem Aspekt gefährdeter globaler Lieferketten. Die Infrastruktur in unseren Lagern stammt zum Teil noch aus den dreißiger Jahren und im Schwerpunkt aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Sanierungsbedarf ist immens. Bei den derzeitigen Verfahren eine echte Herausforderung. Wir sind grundsätzlich nicht schlecht aufgestellt und mir ist nicht bange für kommende Aufgaben mit kürzeren Reaktionszeiten und höherer Einsatzbereitschaft wesentlich größerer Truppenkontingente als bisher. Aber diese und andere Fragen beschäftigen uns, wir arbeiten an Lösungsvorschlägen. Auch was bereits gut ist, kann durch Auswerten von Erkenntnissen, Nachdenken und konsequentem Handeln noch besser werden! Das erscheint wie eine Binsenweisheit, hat aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse eine besondere Bedeutung. Insofern hat der Ukrainekrieg den Nachdruck zur Lösung vieler, auch der logistischen Probleme noch einmal immens verschärft.