Auch im Weltraum entfaltet sich Deutschlands Streben nach Sicherheit. Das Weltraumkommando der Bundeswehr erfasst und bewertet gemeinsam mit militärischen und zivilen Partnern die Gesamtlage im erdnahen Weltraum, plant und führt Weltraumoperationen und koordiniert alle weiteren Aspekte der sogenannten Dauereinsatzaufgabe „Militärische Weltraumnutzung“. Damit unterstützt es die Gesamtoperationsführung der Bundeswehr und trägt zur gesamtstaatlichen Sicherheit Deutschlands wesentlich bei.
Das Weltraumkommando der Bundeswehr ist seit seiner Aufstellung im Juli 2021 ein zentraler Akteur in der Weltraumsicherheit Deutschlands. Nicht nur für uns als Gesellschaft, sondern auch aus militärischer Perspektive stellt der Weltraum eine unverzichtbare Dimension dar. Wettervorhersagen, digitales Fernsehen, Finanztransaktionen, unsere Navigationssysteme auf dem Handy, die Steuerung von Stromnetzen oder Windparks, die Nutzung von Satellitenbildern für eine Vielzahl von Anwendungen sowie auf der militärischen Seite typische Aufklärung, Raketenabwehr und Zeit-, Navigations- und Positionsdaten. All diese Dienste und Anwendungen würden ohne Satelliten im Weltraum und deren Systeme am Boden nicht funktionieren. Die Aufgabe des Kommandos ist es, die militärische Handlungsfähigkeit in der militärischen Dimension Weltraum sicherzustellen und eine sichere Nutzung weltraumgestützter Dienste auch in den anderen Dimensionen Land, Luft, See und Cyber- und Informationsraum in Krise und Krieg aufrechtzuerhalten.
Vom ressortgemeinsam betriebenen Weltraumlagezentrum zum eigenständigen Kommando
Die Keimzelle des heutigen Weltraumkommandos lässt sich bis zum Jahr 2009 zurückverfolgen, als das – zunächst allein unter dem Dach der Luftwaffe – ab 2011 ressortgemeinsam betriebene Weltraumlagezentrum (WRLageZ) seine Pforten öffnete. Dieses Zentrum war der erste Schritt Deutschlands, um eine umfassende Überwachung und Analyse des Weltraumumfelds zu gewährleisten. Soldatinnen und Soldaten arbeiten Seite an Seite mit Angehörigen der Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam daran, ein dauerhaftes und umfassendes Weltraumlagebild zu erstellen und stetig zu aktualisieren. Zu den zentralen Aufgaben gehören zunächst die Katalogisierung und das Tracking sämtlicher Flugobjekte im All. Diese präzise Erfassung ermöglicht es, koordinierende Maßnahmen zu ergreifen, sollte beispielsweise eine Gefahr von Zusammenstößen zwischen eigenen Satelliten und anderen Satelliten oder Weltraumschrott entstehen. Das WRLageZ überwacht nicht nur die Bahnen dieser Objekte, sondern prognostiziert auch potenzielle Wiedereintritte in die Erdatmosphäre und warnt bei Bedarf wie im März des Jahres beim Wiedereintritt eines Batteriepacks der ISS.
Darüber hinaus liegt ein besonderer Fokus auf der Analyse der Auswirkungen des Weltraumwetters, d. h. von Sonneneruptionen und Strahlungsspitzen, um präventive Maßnahmen zu treffen und die Zuverlässigkeit der Satelliteninfrastruktur zu gewährleisten. Bei all diesen Aufgaben handelt es sich vorrangig um sogenannte Safety-Anteile, d. h. Aufgaben, die auf den sicheren Flugbetrieb von Satelliten, das zuverlässige Funktionieren derer Dienste und das Erkennen von Gefahren abzielen. Mit der stetig wachsenden Bedeutung des Weltraums sowohl für das Funktionieren unserer modernen Gesellschaften als auch für militärische Belange wurde zusätzlich zum bereits bestehenden Weltraumlagezentrum schließlich die Aufstellung eines militärischen Kommandos erforderlich. Trotz der formalen Unterscheidung zwischen Weltraumkommando und Weltraumlagezentrum sind beide eng miteinander verzahnt und unterstreichen damit den engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen gesamtstaatlicher Safety- und militärischer Security- Aufgabe. Zum Beispiel bildet das umfassende Lagebild des WRLageZ eine unverzichtbare Grundlage für die operativen Aktivitäten des Weltraumkommandos. Im Gegenzug informiert das Weltraumkommando das Lagezentrum über beabsichtigte Maßnahmen, Operationen und Manöver.
Die Militärische Dimension: Schutz und Sicherung der Weltraumnutzung
Der bisherige Fokus auf Flight Safety-Aspekte im Weltraumlagezentrum wurde durch die Schaffung des Weltraumkommandos um den grundlegend militärischen Aspekt der Space Security erweitert. Im letzten Jahrzehnt ist nicht nur die Nutzung des Weltraums insgesamt exponentiell gestiegen. Neben der Entstehung großer kommerzieller Akteure sind auch verbreitet militärische Fähigkeiten demonstriert worden, die von der Beobachtung und Verfolgung, der Beeinträchtigung und Störung von Gesamtsystemen bis hin zur Zerstörung von Satelliten durch verschiedenste Wirkmittel reichen.
Daher müssen für eine Bedrohungsanalyse und für ein Schutzkonzept immer alle, zumeist aus Hochtechnologie bestehenden Komponenten eines weltraumgestützten Dienstes betrachtet und bewertet werden. Neben dem Satelliten selbst bedarf es der Kommunikation und der Steuerung über eine Bodeninfrastruktur. Die erlangten Daten müssen übermittelt werden können, um ein für Nutzer relevantes, sinnvolles Produkt zu erzeugen. Letztlich sind die komplexen Fähigkeiten zum Start, zum sicheren Betrieb und zur Kontrolle dieser Systeme einzuschließen. Einem Angreifer die Wirkung auf einen eigenen weltraumgestützten Dienst möglichst zu verwehren und ihm die Nutzung seiner Dienste zu erschweren, ist der operative Auftrag des Weltraumkommandos. Damit stehen alle vorgenannten Komponenten im Fokus unserer Überlegungen.
Weltraumoperationen finden bereits jetzt unterhalb der Schwelle einer kriegerischen Auseinandersetzung statt. Wir beobachten regelmäßig Annäherungen, Störversuche verschiedenster Dienste und das „Abschleppen“ von Satelliten sowie Cyberangriffe. In der Vergangenheit haben verantwortungslose Demonstrationen der Fähigkeit zur Zerstörung von Satelliten zu erheblichen, teilweise Jahrzehnte im Orbit verbleibenden Trümmerwolken geführt. Heute kann man fast täglich von gezielten Störungen des GPS-Signals lesen, der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine begann mit einem Cyberangriff auf ein von der Ukraine genutzten Kommunikationssatelliten.
Die Dimension Weltraum ist mit allen anderen militärischen Dimensionen Land, Luft, See und Cyber eng verwoben. Sowohl die gegenseitige Unterstützung mit taktischen Informationen als auch mit Wirkmitteln prägt die sich entwickelnde, enge Zusammenarbeit. Sei es die Warnung vor Überflügen gegnerischer Aufklärungssatelliten, die enge Verschränkung der Luftverteidigung mit der Abwehr von suborbitalen Bedrohungen, das mögliche Ausschalten eines gegnerischen Bodensegments durch Land-, Luft- oder Seestreitkräfte oder die Nutzung von Cyberangriffen oder elektromagnetischen Störungen – all dies kommt einer gemeinsamen Operationsführung, im Fachjargon „Multi-Domain Operation“, zugute und wird im Rahmen einer eigenen Weltraumoperation berücksichtigt. Dem Schutz unserer eigenen Kommunikations- und Aufklärungsdienste sowie das Erhöhen der Widerstandsfähigkeit weiterer Dienste wie Positionierung, Navigation und Zeitsynchronisation gilt das primäre Augenmerk. Aber auch die aktive, sowohl nicht letale als auch letale Wirkung gegen Raumsegmente gehört zum möglichen Spektrum, obschon sich Deutschland wie andere Nationen verpflichtet haben, keine bodengestützten Antisatellitenraketen zu testen, die zusätzlichen Weltraumschrott erzeugen.
In diesem Spektrum analysiert das Weltraumkommando potenzielle Bedrohungen für bundeswehreigene, weitere nationale sowie für verbündete militärische Weltraumsysteme und plant entsprechende Schutzmaßnahmen. Im Falle einer erkannten Bedrohungssituation ergreift das Weltraumkommando der Bundeswehr auf Grundlage des Lagebildes geeignete Maßnahmen, um die Aufrechterhaltung der militärischen Weltraumnutzung zu gewährleisten und eine Gefährdung laufender Operationen auszuschließen. Um eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten auf etwaige Bedrohungen zur Verfügung zu haben, werden verschiedenste Bedrohungsszenarien entworfen und mit allen relevanten militärischen, zivilen und kommerziellen Akteuren im Verbund durchgeplant. Nur so ist es möglich, dass das Weltraumkommando im Ernstfall unverzüglich auf der Grundlage einer schnell herbeigeführten strategischen Entscheidung reagieren kann. Hierzu sind Verfahren etabliert, die eine schnelle Befassung und Entscheidung bis auf die ministerielle und Regierungsebene gewährleisten.
Gerade in der sich global und grenzenlos erstreckenden Dimension Weltraum ist es unabdingbar, mit anderen Nationen sowie mit zivilen und kommerziellen Partnern weltweit zusammenzuarbeiten. Die enge Vernetzung mit internationalen Weltraumbehörden und Streitkräften, wie z. B. mit der U.S. Space Force oder im Rahmen der Combined Space Operations Initiative (CSpO), ermöglicht einen effektiven Austausch von Informationen, die Durchführung gemeinsamer Übungen und Ausbildung sowie die Entwicklung standardisierter Verfahren.
Zukünftige Entwicklungen und Beitrag des Weltraumkommandos
Das Weltraumkommando befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess. Angesichts der rapiden Fortschritte in der Raumfahrttechnologie und der zunehmenden Relevanz des Weltraums für militärische Operationen stehen dem Kommando viele Herausforderungen und spannende Entwicklungen bevor. Geplante Verbesserungen in den Bereichen technischer Systeme, ein mit Partnern betriebenes globales Sensornetzwerk und weitere Innovationen werden die Fähigkeiten des Weltraumkommandos stetig erweitern. Die bereits gestarteten Initiativen zur Erlangung defensivprotektiver und aktiver Wirkfähigkeiten hoffen auf eine im Sinne der Zeitenwende schnelle planerische und effektive Umsetzung. Diese Chance gilt es zu nutzen. Der operative und taktische militärische Bedarfsträger Weltraumkommando der Bundeswehr ist bereit!
Oberleutnant Gian-Luca Omari ist Presseoffizier im Weltraumkommando der Bundeswehr.