Budapester Gipfelpläne: schon wieder dasselbe Déjà-vu

Hat der gerade Budapest gesagt? Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche beim Treffen mit Donald Trump.
Habe ich das nicht schonmal erlebt? Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche beim Treffen mit Donald Trump. (Foto: picture alliance/Associated Press/Alex Brandon)

Manchmal könnte man eigentlich den Kommentar zu einem vergangenen Ereignis herausholen und noch einmal veröffentlichen, nachdem man nur wenige Wörter ausgetauscht hat. Zum Beispiel „Anchorage“ mit „Budapest“. Über das Verhältnis zwischen den Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin gibt es jedenfalls in dieser Woche nicht viel zu sagen, was nicht schon zu ihrem Treffen in Alaska vor zwei Monaten geschrieben worden wäre. Nachdem sich die Hoffnungen auf Fortschritte bei einer Verhandlungslösung im Ukrainekonflikt, die Putin dort bei Trump erzeugt hatte, sich nach und nach verflüchtigt hatten, schien der Amerikaner das Spiel des Russen immerhin langsam tatsächlich zu durchschauen.

Zumindest erhöhte er den Druck auf diesen, indem er öffentlich erklärte, dass die Ukraine durchaus die Chance zur Rückeroberung aller ihrer russisch besetzten Gebiete habe. Er dachte sogar laut darüber nach, dem angegriffenen Land Marschflugkörper Tomahawk zu liefern. Die Umsetzung war immer zweifelhaft: Die Ukraine verfügt bislang über keine Plattformen für deren Einsatz, und die diskutierte zweistellige Zahl hätte ihre Fähigkeiten nicht wesentlich erhöht. Mit diversen Langstrecken-Drohnen und Marschflugkörpern aus eigener Fertigung kann sie ja bereits jetzt russische Ziele in 2.000 bis 3.000 Kilometer Entfernung von der Frontlinie treffen. Was sie Berichten zufolge nicht zuletzt dank amerikanischer Aufklärungsergebnisse auch tut.

Wo haben wir das schonmal gesehen?

So sind nach letzten Schätzungen zwischen 20 und 40 Prozent der Raffineriekapazitäten Russlands derzeit aufgrund der ukrainischen Kampagne gegen seine Öl- und Gasindustrie außer Betrieb. Auch, weil westliche Sanktionen die Ersatzteilversorgung für Reparaturen erschweren – was sich bislang vor allem durch regionale Treibstoffengpässe im zivilen Sektor äußert. Allerdings könnten ergriffene und angedachte Maßnahmen wie ein Exportverbot und Einkäufe im Ausland mittelfristig die ohnehin zunehmend angespannte Kriegskasse der Öl-Großmacht weiter belasten. In diesem Zusammenhang war Trumps Tomahawk-Drohung vor allem ein politisches Signal. Dem Aufschrei aus russischen Regierungskreisen und ihrem Propagandanetzwerk nach zu urteilen, kam das auch an.

So konnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche in der Hoffnung zum Treffen mit Trump nach Washington fliegen, dass er zwar nicht wirklich mit Tomahawks im Gepäck nach Hause zurückkehren würde – dass der Druck auf Russland für ernsthafte Waffenstillstandsverhandlungen aber um eine weitere Umdrehung erhöht würde. Doch kurz zuvor telefonierten Putin und Trump, und schon sank letzterer wieder betört vor dem Kremlherrscher auf die Knie. Statt Aussagen über die Wiedergewinnung der besetzten Gebiete erklärte er Selenskyj anschließend offenbar: Dieser müsse jetzt aber wirklich die Bedingungen Russlands erfüllen, sonst würde letzteres „die Ukraine zerstören“. Wie der Amerikaner sagt: Déjà-vu all over again.

Was war eigentlich der Fortschritt?

Was Putin dem US-Präsidenten diesmal versprochen hatte, blieb im Ungefähren. Amerikanische Kreise sahen laut Medienberichten folgenden Fortschritt: In Alaska habe er noch angeboten, die Fronten in den Oblasten Cherson und Saporischschja einzufrieren, wenn sich die Ukraine aus dem gesamten Donbass zurückziehe. Nun habe er sich bereit erklärt, auf die nicht von Russland kontrollierten Gebiete in den genannten Oblasten zu verzichten, wenn sich die Ukraine aus dem gesamten Donbass zurückziehe. Wer den Unterschied findet, kann ihn behalten. Vom russischen Außenminister Sergei Lawrow hieß es am Dienstag dieser Woche dann auch, die russischen Bedingungen hätten sich nicht geändert.

Keine Änderung der russischen Position: Präsident Wladimir Putin und sein Außenminister Sergei Lawrow (r.).
Keine Änderung der russischen Bedingungen: Präsident Wladimir Putin und sein Außenminister Sergei Lawrow (r.). (Foto: Presse- und Informationsamt des russischen Präsidenten)

Zuvor hatte Lawrow mit seinem amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio telefoniert, um ein offenbar im Gespräch zwischen Trump und Putin angedachtes weiteres Treffen zwischen beiden auszuloten, diesmal in Budapest. Der ungarische Premierminister Viktor Orban, ein guter Kumpel beider Präsidenten, hatte seine Hauptstadt schon früher als Veranstaltungsort ins Gespräch gebracht. Kleines Problem: um dorthin zu gelangen, müsste der mit internationalem Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gesuchte Russe mindestens ein NATO-Land überfliegen. Aus seiner Sicht wahrscheinlich eher ein politischer Vorteil: Entweder könnte ein Scheitern der NATO angelastet oder diese vorgeführt werden, wenn sie ihm nach Trumps Einladung auf US-Boden auch noch den europäischen Luftraum öffnen müsste.

Wer kam überhaupt auf Budapest?

Der ungarische Nachbar Polen stellte jedenfalls schon mal klar, dass man Putin bei einem Überflug zur Landung zwingen und verhaften würde. Bulgarien erklärte sich dagegen im Interesse eines möglichen Friedens in der Ukraine zu einer Erlaubnis bereit. Wer überhaupt auf die Idee gekommen war, blieb unklar. Auf eine entsprechende Medienanfrage reagierte die Presseabteilung des Weißen Hauses wie jeder zivilisierte Erwachsene mit „Deine Mutter“. Da standen die Zeichen schon wieder gegen das Treffen. Am Wochenende hatte Trump noch ein Einfrieren des Konflikts entlang der aktuellen Frontlinien gefordert. Lawrow lehnte das am Dienstag rundweg mit der bemerkenswert offenen Begründung ab, dass dann ja „ein großer Teil der Ukraine“ unter der Kontrolle eines „Naziregimes“ bliebe.

Das war aus russischer Sicht folgerichtig, da Trump dummerweise in Alaska der Moskauer Haltung zugestimmt hatte, dass es statt eines Waffenstillstands gleich ein umfassendes Abkommen zur Beseitigung der Kriegsursachen geben müsse. Was laut Russland nicht nur die gegenwärtige ukrainische Regierung, sondern auch die NATO-Präsenz in Osteuropa und die Lagerung amerikanischer Atomwaffen in Übersee einschließt. Doch nur selten hat ein Regierungsvertreter so klar ausgedrückt, dass die russischen Ansprüche auf die Ukraine nicht beim Donbass aufhören. Das bestätigte die Position Wolodymyr Selenskyjs, der Trump in Washington offenbar lautstark erläutert hatte, warum er das strategisch wichtige Gelände in dieser Region nicht einfach aufgeben könne.

Und wie geht es mit China weiter?

Beim Treffen mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte am Mittwoch teilte der US-Präsident dann auch mit, dass er den Gipfel in Budapest abgesagt habe, weil es sich „nicht richtig angefühlt habe“ und er kein „unnützes Treffen“ wolle. Vielmehr werde es nun neue Sanktionen gegen die russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft sowie ihre Tochterfirmen geben. „Jedes Mal, wenn ich mit Wladimir spreche“, klagte Trump, „habe ich gute Gespräche, aber dann führen sie nirgendwo hin.“ Immerhin: die Erkenntnis dauerte diesmal weniger als eine Woche, was die russische Seite ziemlich überraschte. Das lässt hoffen, dass der gerne als mächtigster Mann der Welt bezeichnete Mensch irgendwann doch noch den Eindruck loswird, geradezu verzweifelt um Putins Anerkennung als ebenbürtig zu buhlen.

Auch Trump müsste das mittlerweile peinlich sein. Er hat Militärparaden zu seinem Geburtstag abgehalten, Truppen in oppositionsregierte Städte entsandt, unbotsame Medien verklagt, aus dem Weißen Haus und dem Pentagon geworfen – doch andere Autokraten nehmen ihn offenbar immer noch nicht ernst. Am allerwenigsten Putin, obwohl Trump doch geglaubt hatte, den Ukrainekonflikt aufgrund seiner guten Beziehung zu ihm am schnellsten lösen zu können. Vielleicht klappt es ja beim chinesischen Präsidenten Xi Jinping, den er nächste Woche treffen will, nachdem seine Zolloffensive gegen das Reich der Mitte seit Monaten feststeckt. Vorab hat er schon mal erklärt, dass China nicht die Absicht habe, Taiwan zu übernehmen. Schließlich habe er eine großartige Beziehung zu Xi, und die wolle sicher niemand gefährden. Na dann.

Stefan Axel Boes

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