Die Herzkammer der Rüstungskontrolle in Europa
Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat in einer Vielzahl von internationalen und regionalen völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen zur Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung. Zur Implementierung dieser Verträge wurde 1991 das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) in Geilenkirchen in Dienst gestellt, das nach den Vorgaben des Auswärtigen Amtes (AA) und auf Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) handelt und aktuell die Einhaltung und Kontrolle von über 20 der angesprochenen Verträge und Abkommen sicherstellt und verifiziert.
Neben der konventionellen Rüstungskontrolle, die beispielsweise die Kontrolle über die Einhaltung vertraglich festgelegter Obergrenzen an bestimmten Waffensystemen umfasst und als Fähigkeit weiterhin unverzichtbar bleibt, stellt auch die humanitäre Rüstungskontrolle, etwa in der Proliferationseindämmung kleiner und leichter Waffen sowie der Sicherstellung von Munitionssicherheit, ein wichtiges Betätigungsfeld des ZVBw dar. Rund 180 Angehörige des Zentrums inspizieren u. a. Militäranlagen in OSZE-Teilnehmerstaaten, führen vertragsrelevante Ausbildungen und Beobachtungsflüge nach dem Vertrag über den Offenen Himmel über deren Territorium durch und begleiten ausländische Delegationen, die zur Inspektion oder für Beobachtungsflüge nach Deutschland kommen. Darüber hinaus nehmen sie sonstige vertraglich vereinbarte Rechte und Pflichten der Bundesrepublik Deutschland wahr.
Von seinen bisher weit über 3.000 Rüstungskontrollmaßnahmen führte das ZVBw etwa zwei Drittel im Ausland durch. Diese Maßnahmen verlangen hohe fachliche Kompetenz, charakterliche Integrität und diplomatisches Geschick. Sie nehmen – meist auf sich allein gestellt – hoheitliche Aufgaben von politischer Bedeutung wahr. Ob bei Inspektionen oder Überprüfungsbesuchen, bei der Durchführung von Vertrauens- und Sicherheitsbildenden Maßnahmen (VSBM), bei Vorführungen neuer Typen von Hauptwaffensystemen, bei Missionen der luftgestützten kooperativen Beobachtung oder als Experte internationaler Gremien – immer sind sie Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland. Die besondere Bedeutung des Zentrums für Verifikationsaufgaben bei der Völkerverständigung ermisst sich in der über Jahrzehnte aufgebauten Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit innerhalb der internationalen Rüstungskontrollgemeinschaft.
Gliederung und Aufgaben: Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr
Das Zentrum für Verifikationsaufgaben wird von einem Brigadegeneral geführt und umfasst fünf Abteilungen. Die Abteilung „Führung“ bildet die Bereiche Personal, militärische Sicherheit, Logistik und IT-/Führungsunterstützung ab und verantwortet truppendienstliche Aufgaben.
Die Abteilung „Zentrale Rüstungskontrollaufgaben“ übersetzt militärstrategische Vorgaben in die praktische Umsetzung auf taktischer Ebene und verantwortet Grundsatzangelegenheiten, Politikberatung & Konzeption, Länderbewertung & internationale Kooperation und die Rüstungskontrollausbildung.
Die Abteilung „Regionale konventionelle Rüstungskontrollaufgaben“ plant und setzt Maßnahmen im Rahmen regionaler konventioneller Rüstungskontrollvereinbarungen um. Im Kern handelt es sich um das Wiener Dokument über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen im OSZE-Raum und das Friedensabkommen von Dayton (Dayton Peace Accords). Von 1991 bis April 2024 wurde auch der Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa implementiert, dessen Umsetzung durch die meisten Staaten derzeit aber ausgesetzt ist. Dennoch wird die Fähigkeit zur Implementierung konventioneller Rüstungskontrolle aufrechterhalten, um bei einem zukünftigen Bedarf unverzüglich die Implementierung wieder aufnehmen zu können und ohne die Fähigkeit langwierig neu aufbauen zu müssen. Weitere Aufgaben umfassen zum Beispiel die Erstellung von Informationen über die deutschen Streitkräfte für die Vertragspartner und die Auswertung der Informationen über Streitkräfte der übrigen OSZE-Teilnehmerstaaten. Die Durchführung von Inspektionen und Überprüfungen führt die Angehörigen der Abteilung von Europa bis nach Zentralasien.
Die Abteilung „Globale Rüstungs- und Proliferationskontrolle“ befasst sich mit der Umsetzung internationaler Vereinbarungen zur Eindämmung des illegalen Waffen- und Munitionshandels, der Humanitären Rüstungskontrolle, des Vertrages über das umfassende Verbot von Nukleartests, des Übereinkommens über das Verbot chemischer Waffen, des Übereinkommens über das Verbot biologischer Waffen, der UN-Resolution 1540 und des Haager Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer Raketen. In diesem Bereich ist das ZVBw global Tätig.
Die Abteilung „Offener Himmel“ führt auf Grundlage des Vertrages über den Offenen Himmel (OH) sowohl Beobachtungsflüge über anderen Vertragsstaatenzwischen Vancouver und Tiflis durch, begleitet aber auch die Delegationen anderer OH-Vertragsstaaten bei deren Beobachtungsflügen über Deutschland. Dabei kommt ein speziell ausgerüsteter Airbus A319 OH zum Einsatz, der seit seiner Zertifizierung im Oktober 2022 zahlreiche Missionen absolviert hat und OH-Partnern zur Anmietung und Mitnutzung zur Verfügung steht.