Im Geschäftsbereich BMVg werden die logistischadministrativen Prozesse im Grundbetrieb und internationalen Krisenmanagement seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem ERP-System R/3 ECC (Enterprise Resource Planning) sowie integrierten Komplementärprodukten unterstützt. Das Nachfolgeprodukt S/4HANA bietet in Zusammenhang mit der SAP Business Technology Plattform vielfältige innovative Möglichkeiten für die grundlegende Optimierung der Organisation mit ihren Geschäftsprozessen. Die Umstellung darauf hat in der Bundeswehr bereits begonnen.
2020 hat sich die Bundeswehr im Programm SASPF mit der S/4HANA-Transition auf den langen Weg einer umfassenden digitalen Transformation begeben. S/4HANA ist die neue ERP-Softwarelösung der Firma und Nachfolger des bisher in der Bundeswehr verwendeten Kernprodukts R/3 ERP Central Component (ECC). Allen Nutzern der SAP Software R/3 ECC steht eine umfangreiche Migration auf S/4HANA bevor. Beabsichtigt die strategische Leitung grundsätzlich eine umfassende und insbesondere auch prozessuale Veränderung, haben sich die geschäftlichen Anforderungen und Szenarien grundsätzlich geändert oder will man dringend zukunftsfähig bleiben? In diesem Fall entscheidet man sich für den sogenannten „Greenfield“-Ansatz. Die Organisation nutzt digitale Technologien für eine innovative Transformation ihrer Arbeit. Die Umstellung erfolgt ganzheitlich, in einem „Big Bang“. Bereits bestehende Prozesse werden dem im System verfügbaren Lösung „unterworfen“ und müssen entsprechend angepasst werden.
Im „Brownfield“-Ansatz, der für die Bundeswehr festgelegt wurde, nimmt man Rücksicht auf die Organisation, man möchte diese erstmal vor umfassenden Veränderungen schützen. Das vorhandene Alt-System wird technisch konvertiert auf die neue Software und anschließend schrittweise über einen längeren Zeitraum funktional erneuert. SASPF befindet sich zurzeit in der ersten Phase dieser zweistufigen Transition. Mit der System Conversion wird zuerst das bestehende ERP-System komplett auf S/4HANA konvertiert. Als ersten Schritt bringt sie bis Ende 2025 die bestehende Prozesswelt nach S/4HANA. Entscheidend ist dabei, dass die Vielzahl der Eigenentwicklungen auf Herz und Nieren hinsichtlich der Kompatibilität geprüft werden. Die nachfolgende Innovationsphase nutzt dann die neuen Technologien, um im Geschäftsmodell „Bundeswehr“ Mehrwert zu schaffen und zukunftsfähig zu bleiben. Ab 2026 beginnt dann in der Innovationsphase auf diesem System die zwingend notwendige Einführung der Funktionalitäten S/4HANA, im Schwerpunkt der Branchenlösung Defence & Security. Die Bundeswehr war seit 2016 im Rahmen der Defence Interest Group der Firma SAP an der Entwicklung eng eingebunden. Die vielen in SASPF vorhandenen, vom Herstellerstandard abweichende Prozessimplementierungen (kundeneigene Programmierungen) sind zurückzubauen und in einen S/4HANA-konformen, herstellernahen Standard zu überführen. Mit einzelnen ersten Funktionalitäten ist 2028 auf den APC der Nutzer zu rechnen.
Zudem besteht bereits die Möglichkeit, mit der neuen Lösung den umfassenden Anforderungen der seit 2022 geforderten Kriegstüchtigkeit gerecht zu werden. Die neue ERP-Software der Firma SAP kann das Steuerungs- und Koordinierungssystem der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) werden. LV/ BV benötigt eine ganzheitliche Digitalisierung, ERP ist das Steuerungsinstrument für die Ressourcen LV/BV, S/4HANA bietet hierfür marktverfügbare Lösungen.
Das neue Anwendungsszenario
Mit dem Beginn des Ukrainekrieges änderte sich schlagartig das Anwendungsszenario für das ERPSystem der Bundeswehr. Die Prozesse und Verfahren, aber auch die Anforderungen an die Technologie verändern sich, müssen zwingend kriegstüchtig werden. Die neuen Szenarien des Konfliktbildes LV/BV müssen mit Ressourcen hinterlegt, alle und gegebenenfalls neue Prozesse koordiniert und gesteuert werden. Nicht nur in der Vorbereitung im Grundbetrieb, sondern auch nach Überschreiten der Ablauflinie. Es werden neue Informationsräume aufgebaut, neue Akteure sind auf dem Spielfeld. Die Bundeswehr braucht Transparenz über ihre Ressourcen im Grundbetrieb, für die Bündnis- und die Landesverteidigung, letztendlich auch für den Operationsplan Deutschland. Ein praxisorientiertes, vor allem aber ein integriertes Prozess- und Datenmanagement ist das Instrument, mit dem Klarheit geschaffen werden kann. Sie bilden das Fundament für eine durchgängige Ressourcenplanung und eine umfassende Auswertbarkeit von der Behörde zum Einsatzverband und zurück. Zudem wird die Bundeswehr künftig nicht mehr ausreichend Köpfe und Hände für alle notwendigen Arbeiten zur Verfügung haben. Gerade ein ERP-System kann dann in den unterstützenden Prozessen viel Routinearbeiten übernehmen. Zusätzlich steigen mit der Kriegstüchtigkeit die Anforderungen an Resilienz, Sicherheit und Souveränität und beeinflussen zusätzlich das Design des ERP-Systems.
Rückgrat der Landes- und Bündnisverteidigung
Ein zukünftiges ERP-System der Bundeswehr muss zum Fundament der Digitalisierung der Landes- und Bündnisverteidigung werden. So lässt sich die Einsatzbereitschaft von Personal und Material steuern und der Überblick über die Organisation bewahren. Nicht nur für den Friedensbetrieb, sondern auch in Krise und Krieg müssen Personal- und Materialversorgung entsprechend sichergestellt werden. Mit der Ergänzung des Begriffes „Sustainment“ soll zum zum Ausdruck gebracht werden, dass insbesondere auch nach Überschreiten der Ablauflinie, im Gefecht, die materielle und personelle Versorgung zu unterstützen ist. Die Lösung SAP S/4HANA Defense & Security ergänzt hierfür die Standardfunktionen eines SAP-Systems und steht in vielfachen Integrationsbeziehungen zu anderen Komponenten aus dem SAP-Portfolio. Zentrale Einsätze und Übungen können flexibel geplant und durchgeführt werden, begleitende oder nachfolgende Prozesse wie Bestellungen, Instandhaltungsmaßnahmen und Budgetierungen werden in einem militärischen Kontext integriert, Folgeprozesse aufgrund von organisatorischen Änderungen automatisiert angestoßen und durchgeführt.