Es ist jetzt Zeit zu tun, was nötig ist!

Generalleutnant a. D. Frank Leidenberger im intensiven Gespräch mit Michael Horst während der 38. AFCEA Fachausstellung in Bonn. ( Foto ©MRV/Socrates Tasso )
Generalleutnant a. D. Frank Leidenberger im intensiven Gespräch mit Michael Horst während der 38. AFCEA Fachausstellung in Bonn. ( Foto ©MRV/Socrates Tasso )

Nachgefragt bei … Generalleutnant a. D. Frank Leidenberger, CEO und Vorsitzender der Geschäftsführung der BWI GmbH

Sehr geehrter Herr Leidenberger, das Leitthema der AFCEA Fachausstellung 2025 „Zeitenwende in der nationalen Sicherheit – Resilienz durch disruptive digitale Lösungen“ hat sich seit dem letzten Jahr nicht geändert. Sind wir aus Ihrer Sicht in der digitalen Zeitenwende zu langsam, was muss sich ändern und welche wesentlichen Folgerungen hat das für die BWI?

Die klare Antwort ist ja, wir sind nicht schnell genug. An vielen Stellen hat man den Eindruck, dass einige in Deutschland glauben, man müsse nur abwarten und dann wird sich alles wieder zum Guten wenden. Aber unabhängig davon, ob Präsident Trump nun gerade mit oder ohne NATO plant und unabhängig davon, wie sich die Situation in der Ukraine weiterentwickelt, müssen wir Deutschland und die Bundeswehr wieder verteidigungsfähig machen. Sieht man sich die neuesten Entwicklungen an, wird überdeutlich klar, dass Digitalisierung und Technologien wie KI und Cloud dabei eine signifikante Rolle spielen. Um Schritt halten zu können, brauchen wir daher für Deutschland eine entsprechend moderne Rechenzentrums- und Kommunikationsinfrastruktur, die sicher und performant ist. Hier spielen „private“ Clouds, Multi-Cloud und KI-Rechenzentren eine wichtige Rolle. Der Bund sollte sich auf den Weg machen und beispielsweise KI-Rechenzentren für staatliche Aktivitäten zur Verfügung stellen und diese wichtigen Infrastrukturfragen nicht mehr einzelnen Initiativen überlassen. Wir müssen darüber hinaus ehrlich zu uns selbst sein: Sind unsere Prozesse so, wie wir sie heute haben, der Situation angemessen? Können wir es uns leisten, auf die Goldrandlösung zu warten, statt endlich auf Tempo zu setzen? Dieses Umdenken in den Köpfen ist nötig. Nur dann werden wir in der Lage sein, uns für die aktuelle und zukünftige geopolitische Situation angemessen aufzustellen.

Schluss mit Zuschauen – Zeit loszulegen! Was und wen konkret meinen Sie damit? Ist der „Whatever it takes“-Ansatz zielführend?

Eine Schlüsselfrage ist, ob es uns gelingt, die Produktion der Verteidigungsindustrie so zu beschleunigen, dass sie nicht mehr durch die derzeitigen, eher bürokratischen Prozesse des Regierungs- und Verwaltungshandelns gebremst ist. Denn was müssen wir eigentlich erreichen? Wir müssen die Produktion unserer Waffen- und Einsatzsysteme von Anfang an als industriellen Prozess der Massenfertigung begreifen und ihn frühzeitig von der Rohstoffbeschaffung bis hin zum Endprodukt durchgängig denken. Wir müssen niedrige Hardware-Kosten erreichen und diese mit hochwertiger Software – und hier liegt der Schlüssel zur Überlegenheit – verbinden. Das ist das neue Ökosystem, das wir gestalten müssen, bei dem IT eine wesentliche Rolle spielen wird. Dafür ist es wichtig, dass wir aufhören, die Zeitenwende nur zu beobachten und darüber zu reden – es ist jetzt Zeit zu tun, was nötig ist.

Durchgängig an beiden Tagen immer gut besucht: der Stand der BWI während der 38. AFCEA Fachausstellung in Bonn. ( Foto ©MRV/Socrates Tasso )
Durchgängig an beiden Tagen immer gut besucht: der Stand der BWI während der 38. AFCEA Fachausstellung in Bonn. ( Foto ©MRV/Socrates Tasso )

Die BWI gibt auf dem Messestand Einblicke zu Projekten, die dazu beitragen, die IT der Bundeswehr automatisierter, reaktionsschneller und resilienter zu machen. Was bedeuten Cloud, Data Analytics und Automation für die Fähigkeiten der Streitkräfte?

Ohne diese Technologien werden Streitkräfte künftig nicht bestehen können. Bei militärischen Konflikten geht es zuallererst um Tempo. Wer schneller Informationen hat, wer schneller reagieren kann, der ist im Vorteil. Dies gilt für die letzte Meile genauso wie für alle Prozesse und Abläufe im Hintergrund. Über eine Cloud lassen sich Anwendungen, Plattformen und Infrastrukturen als skalierbare Services schneller, flexibler und effizienter zur Verfügung stellen. Sie ist aber auch Grundlage für den Datentransfer unmittelbar im Einsatz. Data Analytics hilft bei der Auswertung der entstehenden Datenmengen. Das ist in vielen Bereichen wichtig, wird aber auch bei der Aufklärung eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel Drohnendaten ausgewertet werden müssen. Automation hilft uns dabei, Prozesse schneller und effizienter zu gestalten und letzten Endes auch Fehler zu vermeiden. Gerade bei einer dem Umfang nach kleinen Armee, die aber schlagkräftig sein soll, spielt diese Effizienz eine wichtige Rolle.

Die AFCEA Bonn e.V. hat sich zu einer der etabliertesten Dialogplattformen für die IT- und Kommunikationsbranche entwickelt. Sind Sie zufrieden mit dem Interesse der zivilen und besonders militärischen Besucher oder spüren Sie noch Skepsis?

Ich glaube, Skepsis ist das falsche Wort. Bei den militärischen Besuchern herrschte weitestgehend Klarheit darüber, in welcher Situation sich Deutschland und die Bundeswehr befinden und was jetzt getan werden muss. In unserer Gesellschaft insgesamt setzt sich die Erkenntnis, dass Deutschland plötzlich wieder selbst gefragt ist, seine demokratischen Werte zu verteidigen – was Geld kostet und zur Not auch militärische Mittel erfordert –, nur langsam durch. Ich glaube, statt Skepsis herrscht im zivilen Umfeld eher Unsicherheit, was die aktuelle Situation für uns als Land in Europa und für jeden einzelnen bedeutet und was genau jetzt passieren muss. Hier müssen Politik, Wirtschaft, Bundeswehr und Forschung die Köpfe zusammenstecken, den konkreten Bedarf analysieren und einen gemeinsamen Lösungsweg definieren, den alle mittragen. Ja, das wird Geld kosten und nicht alles wird morgen fertig sein – aber der Weg ist alternativlos. Deutschland muss wieder verteidigungsfähig werden. Für sich selbst und natürlich zusammen mit seinen Partnern.

Sehr geehrter Herr Leidenberger, vielen Dank für die interessanten Informationen und weiterhin viel Erfolg für Ihre wichtige Arbeit!

Hier finden Sie Sonderpublikation zur AFCEA!

Die Sonderpublikation zur AFCEA Fachausstellung 2025 kann kostenlos heruntergeladen werden. (Bild: MRV)
Die Sonderpublikation zur AFCEA Fachausstellung 2025 kann kostenlos heruntergeladen werden. (Bild: MRV)

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