Ulm. Generalleutnant Alexander Sollfrank ist neuer Befehlshaber des Multinationalen Kommandos Operative Führung sowie Commander des Joint Support and Enabling Command in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne. Im Rahmen eines feierlichen Appells übergaben ihm der Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, und der Chef des Stabes im Obersten Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa (Supreme Headquarters Allied Powers Europe, SHAPE), Admiral Joachim Rühle, die Verantwortung über die beiden Ulmer Hauptquartiere. Sollfranks Vorgänger, Generalleutnant Jürgen Knappe, wurde mit einem Großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet.
EU-Ausrichtung
Das Multinationale Kommando Operative Führung (MNKdoOpFü) steht der Europäischen Union (EU) als strategisches Hauptquartier für militärische Einsätze zur Verfügung. In ihm arbeiten Soldatinnen und Soldaten aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union. Das Ulmer Kommando hat sich seit Aufstellung im Jahr 2013 eine einzigartige fachliche EU-Expertise aufgebaut und diese mehrfach bei multinationalen und teilstreitkraftgemeinsamen Übungen unter Beweis gestellt. Von diesem Fundus profitieren nicht nur die Exekutivorgane der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU, sondern auch die NATO. Mit multinationaler Unterstützung leistet Deutschland so einen wesentlichen Beitrag zur Krisenreaktionsfähigkeit der EU.
Admiral Rühle mit den Generalleutnanten Knappe, Sollfrank und Schelleis nach der Kommandoübergabe(v.l.) (Foto © Fritsch)
Mit seiner deutlichen Ausrichtung auf EU-Aufgaben steht es neben fünf weiteren nationalen Kommandos aus Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien und fallweise auch Polen als höchste militärische Planungs- und Führungsinstanz außerhalb des Brüsseler EU-Sitzes für Operationen im gesamten Spektrum der Petersberg-Aufgaben bereit. Diese umfassen im Kern humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, militärische Beratung und Unterstützung, Konfliktverhütung einschließlich friedenserhaltender Maßnahmen sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten.
Wenn das Kommando durch die Verantwortlichen in der Europäischen Union als Operation Headquarters (EU OHQ) aktiviert wird und der Deutsche Bundestag einem Einsatz zustimmt, untersteht das Hauptquartier direkt dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) der EU. Seine Aufgabe besteht dann in der Umsetzung der politischen Vorgaben des EU-Rates in militärische Weisungen und Aufträge an ein nachgeordnetes operatives Hauptquartier im Einsatzland zur unmittelbaren Führung von Truppen. Weiterhin kann das MN KdoOpFü durch seine Struktur Anfangsfähigkeiten zur Analyse, Erkundung und Planung sofort bereitstellen.
Professionelle Arbeit
Das Joint Support and Enabling Command (JSEC) ist ein gemeinsames Unterstützungs- und Befähigungskommando des NATO-Bündnisses. Es ist verantwortlich für den Verlegungsprozess von NATO-Kräften im gesamten Befehlsbereich des Oberkommandierenden der NATO-Streitkräfte in Europa (Supreme Allied Commander Europe, SACEUR) damit über das europäische Festland, die zugehörigen Territorialgewässer und den Luftraum in seinem Verantwortungsbereich. Dem JSEC obliegt die Koordinierung der Truppenbewegungen des Bündnisses über Staatsgrenzen hinweg innerhalb Europas, samt der Koordinierung des Schutzes sowie der Versorgung mit Munition, Verpflegung und anderen notwendigen Gütern.
Der Kommandowechsel im März erfolgte praktisch „in voller Fahrt“, denn als Antwort auf den Krieg in der Ukraine werden seit diesem Zeitpunkt zusätzliche Truppen der NATO-Mitgliedstaaten an die Grenzen des Bündnisses im Nordosten und Südosten Europas verlegt. JSEC nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Generalleutnant Knappe machte dazu in einem Radiointerview deutlich, dass das JSEC angesichts der Entwicklung in den letzten Monaten „… in alle Überlegungen der NATO zur Truppenverstärkung im osteuropäischen Raum eingebunden“ war.
„Es war mir eine große Ehre, die letzten vier Jahre hier in Ulm das Multinationale Kommando Operative Führung und seit Mitte 2018 auch das Joint Support and Enabling Command zu führen. Vor allem die professionelle Zusammenarbeit und die Einsatzbereitschaft aller Soldatinnen und Soldaten und der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 27 Nationen haben diese Zeit für mich besonders geprägt. Es waren die reichhaltigsten Jahre meiner Karriere, sowohl militärisch, als auch persönlich“, betonte Knappe weiter.
Gemeinsame Verteidigung stärken
Generalleutnant Schelleis übergab während des Appells Generalleutnant Alexander Sollfrank mit der Truppenfahne das Kommando über das Multinationale Kommando Operative Führung, Admiral Rühle übertrug ihm die Verantwortung über das NATO-Kommando JSEC. Nach seiner Rede nahm der Chef des Stabes SHAPE Front zu den internationalen Gästen ein und versicherte ihnen: „Wir werden wie bisher Tag und Nacht arbeiten, damit das NATO-Territorium unverletzt bleibt und sie alle ruhig schlafen können.“
Der 55-jährige Generalleutnant Alexander Sollfrank hat als Befehlshaber des Multinationalen Kommando Operative Führung und als Commander Joint Support and Enabling Command seine Aufgaben in einer Zeitenwende übernommen. Die NATO aber auch die EU stehen vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Ihre Mitgliedsstaaten verstärken nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre Hilfeleistung, greifen aber nicht militärisch ein. Darüber hinaus werden zusätzlich Maßnahmen getroffen, um das Bündnisgebiet zu schützen und ein Übergreifen des Krieges auf NATO-Territorium zu verhindern.
Nach der Kommandoübernahme äußerte der neue Befehlshaber und Commander: „Es ist ein besonderes Privileg, heute das Multinationale Kommando Operative Führung und das Joint Support and Enabling Command zu übernehmen. Gerade in dieser herausfordernden Zeit ist die Zusammenarbeit der Nationen im Bündnis wichtiger denn je. Ich freue mich auf meine neue Aufgabe mit den beiden Kommandos hier in Ulm, im EU- und NATO-Umfeld mit starken Partnern die gemeinsame Verteidigung und Krisenreaktionsfähigkeit weiter zu festigen und zu stärken.“
Hervorragende Arbeit
Generalleutnant Sollfrank befasste sich bis zu seiner Verwendung in Ulm im Auftrag des Generalinspekteurs der Bundeswehr mit den Grundsätzen zur Führung und zum Einsatz der Streitkräfte. Davor war er unter anderem Chef des Stabes Kommando Heer, Kommandeur des Kommando Spezialkräfte in Calw sowie der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall. Sollfrank betonte gegenüber den Medien, dass jeder Kommandowechsel eine Herausforderung sei, er aber Stäbe übernommen habe, die in ihrer Arbeit höchst professionell sind. Zur Entwicklung seit Beginn des Krieges in der Ukraine stellte er fest: „Beide Hauptquartiere sind einsatzbereit und leisten ihren Beitrag für die Verteidigungsfähigkeit der NATO und die Krisenreaktionsfähigkeit der EU. Das ist unsere Kernaufgabe.“
Sollfrank weiter: „Im Moment stehen wir in der EU und NATO gut da, die Einigkeit ist groß. Militärisch wurden bislang alle Aufträge erfüllt, und daran arbeiten wir hier auch in Zukunft.“
Der neue Befehlshaber und Commander machte deutlich, dass die Wilhelmsburgkaserne mit den hochwertigen multinationalen Hauptquartieren, Soldaten aus 27 Nationen und einer hochmodernen Infrastruktur eine in der Bundeswehr einzigartige Schnittstelle zwischen EU und NATO bildet. „Beide Hauptquartiere leisten einen wichtigen Beitrag für die europäische Sicherheitsarchitektur“, betont Sollfrank.
Text: J. Fritsch / HHK