Interview mit Thomas M. Meyer, Key Account Manager W.L. Gore & Associates
Herr Meyer, welche besonderen Herausforderungen prägen aktuell Ihr Tagesgeschäft? Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine beschaffen alle Armeen in großem Maße militärische Bekleidung und Ausrüstung. Wir erwarten daher, dass sich die hohe Nachfrage zu einem regelrechten Wettbewerb auf der Beschaffungsseite entwickeln könnte: Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck daran, unsere Produktion und unser Lieferantenportfolio auszuweiten. Warum ist das schwierig, und was tun Sie konkret?
Die Steigerung der Kapazitäten geht nicht über Nacht, wir haben eine komplexe Lieferkette. Wir sprechen von hochspezialisierten Unternehmen, von denen es nicht viele gibt, die vorgelagerte Produktionsschritte in der geforderten Qualität abdecken können. Beispielsweise dauert es in der Regel bis zu zwei Jahre, neue Textildruckereien für die sehr speziellen Tarndrucke zu qualifizieren.
Welche Ziele verfolgen Sie bei der Ausstattung der Bundeswehr und der Institutionen mit Sicherheitsaufgaben, und wo setzen Sie Schwerpunkte in der Firma? Unser Ziel ist es, den Soldatinnen und Soldaten der Bündnisarmeen maximalen Schutz im Angesicht der neuen Bedrohungsszenarien zu geben.
- Erstens werden unsere Soldatinnen und Soldaten zum Schutz der NATO-Ost- und Nordostflanke sowie der arktischen Regionen wieder vermehrt in kalten und nasskalten Klimazonen operieren. Bei diesen extremen Klimaverhältnissen ist der Wetter- und Kälteschutz von Bekleidung und Schuhen ganz besonders wichtig.
- Zweitens erfordern moderne Gefechtssituationen eine höhere Mobilität der Truppe und mehr Beweglichkeit des einzelnen Soldaten. Wenn ein gepanzertes Gefechtsfahrzeug mit 60 km/h in eine Stellung fährt, die Soldaten aber aufgrund voluminöser Bekleidung und sperriger Ausrüstung nicht schnell absitzen können, ist der Geschwindigkeitsvorteil dahin. Tragekomfort und Bewegungsfreiheit führen zu mehr Beweglichkeit und diese zu überlegener Kampfkraft. Hier geht es also immer um Passform, Kompatibilität und Elastizität der Bekleidung.
- Drittens zeigt der Krieg in der Ukraine, dass neben dem ballistischen Schutz der Schutz vor Hitze und Flammen wichtiger wird. In der Ukraine kommt massiv die Artillerie mit enormen Blast-Wirkungen zum Einsatz. Und bei Brandbomben mit weißem Phosphor entstehen schwerste Brandverletzungen, die zu den langwierigsten Verletzungen überhaupt zählen, physisch wie psychisch. Bekleidung mit Schutz vor Hitze und Flammen ist daher überlebensnotwendig.
Welchen Beitrag kann Gore bei modularen Bekleidungskonzepten leisten? Seit über 40 Jahren ist Gore Hauptlieferant von Funktionstextilien und Entwicklungspartner aller NATO-Armeen. Wir liefern eine große Bandbreite an Hightechmaterialien, die bereits in vielen Bekleidungskonzepten von Kopf bis Fuß und von innen nach außen eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise der Kampfbekleidungssatz Streitkräfte der Bundeswehr oder die Nordic Combat Uniform in Skandinavien.
Wir stellen nicht nur Textiltechnologien her, sondern beraten unsere Kunden ganzheitlich und testen auch Bekleidungssysteme mit unserem Comfort Team und unseren Klimalaboren. Wie müssen die einzelnen Bekleidungsschichten aufgebaut sein und zueinander passen? Wie wird der Schweiß abtransportiert?
Wie ist der Sachstand bei der Ausstattung der Bundeswehr/ Truppe mit dem Kampfbekleidungssatz Streitkräfte (KBS SK)? Wir produzieren weiterhin unter Hochdruck Laminate für Nässeschutzbekleidung und haben bis heute mehrere Hunderttausend Meter geliefert. Ein Los der Kampfbekleidung des Kampfbekleidungssatzes Streitkräfte in Fünffarb-Tarndruck und die gesamte Kampfbekleidung der Spezialkräfte in Multitarndruck (MTD) wurden mit unserer PYRAD-Technologie für den Flammschutz ausgestattet. Die Kampfbekleidung des Kampfbekleidungssatzes Streitkräfte wird nun neu ausgeschrieben, und wir rechnen mit einer Beauftragung im Jahr 2025; erste Lieferungen Anfang 2026 bis 2029. An dieser Ausschreibung werden wir uns wieder mit unseren Lizenzpartnern beteiligen.