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Auf halber Strecke dürfen wir nicht Kurs und Fahrt verlieren!

Vizeadmiral Frank Lenski im intensiven Gespräch mit dem Chefredakteur des „Hardthöhenkurier“, Michael Horst. (Foto © Bw/Stamm)
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Nachgefragt bei … Vizeadmiral Frank Lenski, Befehlshaber der Flotte und
Unterstützungskräfte sowie Stellvertreter des Inspekteurs der Marine

Herr Admiral, wie beurteilen Sie aktuell – zum Beispiel durch die NATO-Beitritte Finnlands und Schwedens – die strategische Position an der maritimen Nordflanke der NATO und speziell in der Ostsee? Zunächst einmal können wir stolz auf 75 Jahre NATO sein. Man kann es als Geschenk bezeichnen, dass wir mit Schweden das 32. Land im Bündnis begrüßen durften. Das hat sich insbesondere für die Nordflanke insofern bemerkbar gemacht, als dass sich die Geografie speziell in der Ostsee deutlich zu unseren Gunsten verändert hat. In diesem Zusammenhang möchte ich aber deutlich betonen, dass die Ostsee kein NATO Meer ist. Im Einklang mit internationalem Seerecht ist die Ostsee natürlich ein offenes Meer, eine offene See für alle Anrainer. Und wir alle hängen davon ab, dass die Ostsee jederzeit frei befahrbar ist.

Strategisch gesehen sind die Beitritte Finnlands und Schwedens ein deutlicher Gewinn für unser Bündnis. Denn sie bedeuten eine Stärkung der Ostflanke, die auch durch zwei Neuerungen im Bereich der NATO Kommandostruktur deutlich wird. Zum einen wird in Norfolk das Joint Force Command gestärkt. Hier sind sicherlich noch einige Überlegungen anzustellen, wie die regionalen Zuordnungen dieses Kommandos in Abgrenzung zum Joint Force Command in Brunssum erfolgen werden. Faktisch aber wird sich durch die Aufnahme von Finnland und Schweden der strategische Faktor bei uns im Norden deutlich verstärken. Zum anderen, und das ist für uns eben besonders wichtig, erhält die Deutsche Marine in der Ostsee absehbar die Aufgabe, den sogenannten CTF Baltic (Red.: Commander Task Force Baltic) voraussichtlich zum 1. Oktober 2024 aufzustellen. Das bedeutet, dass wir das NATO-Regionalkommando für die Ostsee bereitstellen und den Auftrag haben, die Koordinierungs- und Führungsaufgabe für die Ostseeanrainer zu übernehmen – natürlich eingegliedert in eine Kommandostruktur, die uns ausgehend von einem Joint Force Command über ein MCC (Red.: Maritime Component Command) Vorgaben für die Durchführung geben wird. Wir sehen also, die Ostsee ist von hohem strategischem Wert. Zudem ist wichtig festzuhalten, dass zum Schutz der baltischen Staaten die Freiheit der Versorgungswege durch die Ostsee letztlich ein Kernaspekt unserer Verteidigungsfähigkeit ist. Denn die Drehscheibe Deutschland beginnt an der Ostküste Amerikas und endet an der baltischen Küste beziehungsweise an den jeweiligen Anlandungsküsten, die wir letztlich freihalten, den sogenannten Sea Ports of Debarkation.

Welche wesentlichen Erkenntnisse zieht die Flotte aus dem Seekriegsgeschehen des Ukrainekrieges im Schwarzen Meer und der Bedrohung der Schifffahrt im Arabischen Golf und den angrenzenden Seegebieten? Auf der einen Seite sehen wir sehr deutlich, dass die Blockade des Schwarzen Meeres fatale Folgen für Wirtschaft und Handel hat. Die Verminung von Küsten und auch freitreibende Minen behindern die Schifffahrt extrem. Erst dann, wenn Seegebiete von Minen geräumt sind, wird sich auch die zivile Handelsschifffahrt wieder ungestört bewegen können. Aber auch die militärischen Aktivitäten werden durch Minen massiv gehemmt, was bisher sowohl von russischer Seite als auch von ukrainischer Seite genutzt wurde.

Auf der anderen Seite sehen wir, dass die Ukraine, Daraus kann man sicherlich gute Lehren für den Bereich der Ostsee ziehen. Auch hier reden wir von einem Seegebiet, das eng begrenzt ist, wir nennen das „Confined and Shallow Waters“. Also ein Seegebiet, das allein aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten gute Voraussetzungen bietet, um die Nutzung der See mit von der Küste aus wirkenden Elementen zu verhindern. Wir sehen natürlich auch in Kaliningrad massive Potenziale, gegen Seekriegsmittel und Luftkriegsmittel anzugehen. Das bedeutet, dass wir nahezu alles, was wir im Bereich unbemannter Systeme in der Ukraine und auch auf russischer Seite lernen, auf die Ostsee übertragen können. Die Lehren daraus haben wir bereits in unserer Zukunftsplanung, dem sogenannten „Kurs Marine 2035+“ berücksichtigt. Dort haben wir eine Flotte ausgeplant, die insbesondere in der Ostsee aus kleinen, beweglichen und zum Teil unbemannten Systemen besteht, um in die Tiefe des Raumes wirken zu können, ohne gleichzeitig in ein hohes Gefahrenpotenzial zu geraten. Bezogen auf die Bedrohung der Schifffahrt im Arabischen Golf und den angrenzenden Seegebieten lässt sich festhalten, dass die Europäische Union ihre Bemühungen zur Durchsetzung der Sicherheit des Seeverkehrs im Roten Meer und zum Schutz der Freiheit der internationalen Seefahrt verstärkt.

Buster-Boote der Fregatte F 222 „Baden Württemberg“ während  „RIMPAC“ im Seegebiet vor Hawaii/USA. (Foto ©Bw/Nico Theska)

Denn unsere Lieferketten, unser Wohlstand und unsere Freiheit in Deutschland und Europa sind abhängig von freien Seewegen. Und das in Frieden, Krise und noch mehr im Verteidigungsfall, denn 90 Prozent des Welthandels erfolgen auf dem Seeweg. Das Rote Meer und der Suezkanal gehören zu den wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Werden diese gestört, sind die Lieferketten unterbrochen und die Industrie kann nicht produzieren. Das haben wir bei der Havarie des Containerschiffes „Ever Given“ (23. März 2021) ganz deutlich gespürt. Die Operation EUNAVFOR (European Union Naval Force) „Aspides“ soll einen Beitrag leisten, Schiffe auf einer der wichtigsten internationalen Handelsrouten gegen Angriffe der Huthi-Milizen aus dem Jemen zu schützen. Wir als Deutsche Marine haben uns bisher mit der Fregatte „Hessen“ beteiligt. Die Fregatte der Klasse F124 mit einer Besatzung von obwohl sie nur noch über eine minimale Flotte verfügt, in der Lage ist, ferngelenkte Systeme – Unterwasser, Überwasser und in der Luft – einzusetzen, um die russische Schwarzmeerflotte in die Defensive zu drängen. Trotz der zahlenmäßigen Überlegenheit der russische Flotte ist sie also in der Lage, das Befahren des Schwarzen Meeres für diese nahezu unmöglich zu machen. ca. 240 Soldatinnen und Soldaten ist besonders durch ihre weitreichenden Luftverteidigungsfähigkeiten zum Schutz von Schiffen gegen multidimensionale Angriffe geeignet. Zusätzlich leistet aber zum Beispiel auch deutsches Personal Dienst im Stab des operativen Hauptquartiers im griechischen Larissa.

Das Einsatzgebiet von „Aspides“ umfasst die Meerenge von Bab al-Mandab und die Straße von Hormus sowie die internationalen Gewässer im Roten Meer, im Golf von Aden, im Arabischen Meer, im Golf von Oman und im Persischen Golf sowie den darüberliegenden Luftraum. Der operative Schutzauftrag von Schiffen ist allerdings auf eine Linie südlich des omanischen Hafens Maskat beschränkt. Das entspricht auch dem Gebiet der derzeitigen Bedrohung durch Angriffe der Huthi-Milizen.

Das weit gefasste Einsatzgebiet unter Einschluss auch des Persischen Golfs erleichtert der EUNAVFOR „Aspides“ vor allem die Kooperation und den Austausch mit weiteren internationalen Marineoperationen vor Ort. Dazu gehören insbesondere die amerikanische Operation „Prosperity Guardian“, aber auch die multinationalen Combined Maritime Forces.

In den kommenden Jahren erhält die Marine neue Einheiten, zum Beispiel Sea Tiger, Korvetten, Flottendienstboote, Fregatten F126 und Uboote der Klasse 212CD und Modernisierungen F123. Über welche wesentlichen neuen Fähigkeiten wird die Flotte dann verfügen? Es ist richtig, dass vieles erneuert wird. Aber wir müssen gleichzeitig auch erkennen, dass das in Teilen nichts anderes ist als die Ablösung der in die Jahre gekommenen Altsysteme, welche jetzt nach und nach die aktuellen Einheiten der Flotte ersetzen. Das Wesentliche dabei ist, dass wir es schaffen müssen, auf den neuen Plattformen auch einen Fähigkeitsgewinn zu implementieren.

Das bedeutet, dass wir  nicht nur „alt gegen neu“ ersetzen, sondern dabei auch Fähigkeiten in allen Dimensionen erweitern – das betrifft auch einzelne Komponenten. Ich nehme einmal als Beispiel die Fregatte 126, die mit neuer Sonartechnologie ausgestattet wird. Sie wird mit Schlepp-Sonaren einen wesentlich besseren Beitrag im Bereich der Anti-Submarine Warfare liefern können. Ein weiteres Beispiel: Wir werden mit den Ubooten der Klasse 212CD zukünftig sowohl an der Nordflanke wie auch in der Ostsee wirken können. Dort werden wir dann auch Fähigkeiten haben, über die wir mit den derzeitigen Booten nicht verfügen.

Kurzum, es kommt nicht nur darauf an, die Flotte zu erneuern, sondern es kommt darauf an, im Rahmen dieser Erneuerung auch wesentliche Fähigkeitsgewinne zu erzeugen. Das wird auf der einen Seite durch die Plattform erzielt, auf der anderen Seite aber auch zum Beispiel durch Effektoren, die natürlich ebenfalls beschafft und eingerüstet werden müssen. So wird beispielsweise der zukünftige Flugkörper, den wir zusammen mit Norwegen entwickeln, eine wesentlich höhere Reichweite vorweisen und auch über eine Strike-Fähigkeit verfügen.

Aber auch die Abwehrfähigkeit gegen jede mögliche Bedrohungsart muss bei den neuen Systemen noch wesentlich stärker ausgeprägt sein. Das geht mit passiven Eigenschutzfähigkeiten im Bereich der Elektronischen Kampfführung los und endet mit Systemen, die wir insbesondere gegen die Bedrohung durch Drohnen entwickeln. In diesem Bereich könnte in Zukunft die Lasertechnologie einer der entscheidenden Gamechanger sein.

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