Schnell. Unbürokratisch. Pragmatisch.
Von Christina Moritz
Deutschland steht kurz vor Neuwahlen. Die nächste Bundesregierung muss vieles ändern – auch und vor allem die deutsche Sicherheitsarchitektur. Krieg und handfeste Bedrohungen wie Terroranschläge, Sabotage, Cyberattacken, Destabilisierung und Beeinflussung über Falschmeldungen in Sozialen Medien bis hin zu Wahlfälschung sind zu bekämpfen. Gleichzeitig müssen die Deutschen in ihrem persönlichen Umfeld resilienter und auf Krisen vorbereitet werden.
Verteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das weiß in Skandinavien buchstäblich bereits jedes Kind. Neben Übungen und Mitteln braucht es übergeordnete Institutionen, um dies landesweit zu koordinieren. Das Königreich Schweden hat es vorgemacht – ein Nationaler Sicherheitsrat ist schnell und unbürokratisch etabliert, wenn nicht zögerliches Wenn und Aber, sondern die Akzeptanz zwingend notwendiger Anpassungen, gepaart mit Pragmatismus, das Handeln bestimmen.
Die weltweite Sicherheitslage hat sich fundamental verändert und mit ihr die Anforderungen an staatliche Sicherheitsvorsorge. Um ihre Bevölkerung schützen und die Verpflichtungen im Kreise der Bündnispartner erfüllen zu können, sollte die Bundesrepublik es Schweden und den immerhin 64 anderen Staaten rund um den Globus gleichtun, die bereits einen Nationalen Sicherheitsrat (NSR) etabliert haben. Und das geht so:
Checkliste zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates
1. Entscheidung des Bundeskanzlers zur Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates (NSR).
2. Festlegung der Kernaufgaben des NSR und Ernennung eines Nationalen Sicherheitsberaters durch den Bundeskanzler.
3. Einrichtung des NSR-Nucleus‘ im Bundeskanzleramt als Kabinettsausschuss, inkl. Sekretariat und temporärem Aufbaustab, durch den Nationalen Sicherheitsberater.
4. Etablierung der dem Bundeskanzleramt unterstellten Analyse- und Planungseinheit (APE) unter Bereitstellung von Infrastruktur und physischer Verortung im Geschäftsbereich Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) durch das BMVg.
5. Vorschlag prioritärer Themen sowie erster Arbeits- und Zeitplan zur Erstellung von Analysen, strategischer Empfehlungen und Konzepte durch den Nationalen Sicherheitsberater (Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt (AA), BMVg, Bundesministerium des Innern (BMI), Ländern und Wirtschaft).
6. Personalauswahl NSR-Nucleus und APE durch Nationalen Sicherheitsberater (Abstimmung mit AA, BMVg, BMI, Ländern, Wirtschaft).
7. Billigung des Implementierungs-Plans NSR durch den Bundeskanzler – über Nationalen Sicherheitsberater und Ressorts.
8. Vorlagen an den Bundestag:
(1) Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates (z.B. NSRG) mit entsprechenden Informations-Durchgriffsrechten.
(2) Entwurf einer Ergänzung der Geschäftsordnung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) zur Regelung von Informationsbeziehungen, Zusammenarbeit, Berichterstattungspflichten und Kontrollmechanismen im Verhältnis Nationaler Sicherheitsrat – Deutscher Bundestag – Länder – Nachrichtendienste (Checks & Balances).
(3) Entwurf zur Anpassung der Bund-Länder-Kompetenzen (insbes. Katastrophenschutz), Aufhebung des Trennungsgebotes und Novellierung der gesamten sicherheitsrelevanten Gesetzgebung (Bund – Länder).
9. Feststellung redundanter Doppelstrukturen auf Bundes- und Länderebene sowie Empfehlungen zur Optimierung von Informations- und Arbeitsbeziehungen (horizontal bzw. vertikal; Beratung Ressorts Bund-Länder).
10. Entscheidung über die Bündelung von Aufgaben und Ressourcen (Personal, Material, Infrastruktur, Finanzen) durch den Bundeskanzler.
Weitere Ausgestaltung erforderlich
Dies ist eine erste Checkliste für die Einrichtung eines NSR-Nucleus, die es zu ergänzen und fortzuschreiben gilt, wenn ein Nationaler Sicherheitsrat in Deutschland seine Arbeit aufnimmt. Im Vorfeld werden organisatorische Abläufe, funktionale Überlegungen und Planungen sowie die Vorbereitung von Gesetzesnovellen ineinandergreifen und bisweilen parallel erfolgen müssen. Entscheidend ist, dass die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates, der eine tatsächlich vollständige, umfassende Lagebeurteilung und auf lange Sicht die kontinuierliche Erarbeitung konzeptioneller Grundlagen für sicherheitspolitisches Handeln neben dem Tagesgeschäft ermöglicht, mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung zeitnah gelingt.
Damit gäbe es endlich die eine Telefonnummer, das zentrale virtuelle Portal zum Informationsaustausch – sowohl für Bürgerinnen und Bürger wie auf der Ebene der internationalen Kooperation gleichermaßen. Die Bundesrepublik kann es sich nicht länger leisten, holprig auf Sicht zu fahren, ohne die strategische Vorausschau über einen Nationalen Sicherheitsrat zu institutionalisieren und den externen fachlichen Rat von Wirtschaft, Verbänden, Wissenschaft oder Einzelexperten zu integrieren.
Genau letzteres kann ein NSR leisten und nicht zuletzt Bundes- und Landesbehörden damit als zusätzliche Informationsquellen und Analysekapazitäten erschließen. Die derzeit vorherrschende Verunsicherung der Menschen in Deutschland kann längst direkt auf gezielte (Um-)Lenkung der öffentlichen Meinung von außen zurückgeführt werden. Umso dringender müssen die institutionellen Voraussetzungen für mehr Handlungsfähigkeit und -sicherheit der Bundesregierung geschaffen werden. Jetzt gilt es, Realitäten zu erkennen, den Nationalen Sicherheitsrat ganz oben auf die 100-Tage-Agenda zu setzen und damit endlich Fakten zu schaffen.
Über die Autorin: Die Berliner Politologin Christina Moritz forscht und promoviert zu ihrem Modell für einen deutschen Nationalen Sicherheitsrat, das sie 2016 erstmals vorgestellt hat. Die Expertin setzt sich in Fachpublikationen und Vorträgen für die Schaffung der Institution ein.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter Verteidigung.