Im vergangenen November testete die Bundeswehr das autonome Unterwasserfahrzeug (AUV) Blue Whale in der Ostsee. Das von Israel Aerospace Industries (IAI) beziehungsweise dessen Elektroniksparte ELTA entwickelte und mit einem Schleppsonar von Atlas Elektronik ausgestattete System ist ein möglicher Anwärter für die Rolle des Large Unmanned Underwater Vehicle im Zielbild Marine 2035+.
Kürzlich erklärte der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, dass die zweiwöchige Testkampagne die Erwartungen „übererfüllt“ hätten. Gerne würde er Blue Whale so schnell wie möglich einführen, weil es verfügbar ist. Kaack fürchtet das „Tal des Todes“, in dem Erfolg versprechende Projekte nach der ersten Begeisterung gerne an bürokratischen Prozessen und Geldmangel sterben.
Auch mit einer kleinen Stückzahl würde er sich angesichts der Bedrohungslage etwa in der Ostsee vorerst zufriedengeben, denn: „Mit zwei oder drei von denen könnte ich bei Fehmarn alles dicht machen.“ Das erklärt Eyal Shapira, Vizepräsident und Generalmanager der Abteilung Luftverteidigung und Marinesysteme von IAI-ELTA, so: „Ein Mutterschiff kann zwei bis drei Blue Whales einsetzen, die quasi einen Unterwasserzaun bilden. Sie können Uboote auf mehrere Dutzend Kilometer Entfernung erfassen und die Informationen an das Mutterschiff oder per Satellit übertragen.“ Auf diese Weise lassen sich größere Seeabschnitte unbemannt überwachen.
Eine Plattform, mehrere Missionen
Blue Whale ist 10,9 Meter lang und hat eine Masse von 5,5 Tonnen. Das AUV kann bis zu 300 Meter tief tauchen und erreicht eine Geschwindigkeit von sieben Knoten. Je nach Mission kann es zehn bis 30 Tage auf See bleiben. Viele Details sind eingestuft, so etwa die Antworten auf Fragen nach dem Antriebssystem, und ob das System eine reine Sensorplattform ist oder auch bewaffnet werden kann. Laut Shapira hat Blue Whale drei Hauptfähigkeiten: die Aufklärung mit Radar und optischen Sensoren, Minen- und U-Jagd. Vor allem letzteres sieht er als künftige Aufgabe. Dabei werde Blue Whale bemannte Uboote nicht völlig ersetzen, sondern mit diesen zusammenarbeiten.
Das AUV könne so auf spezifische Missionen geschickt werden, ohne eine menschliche Besatzung einzusetzen und möglicherweise in Gefahr zu bringen. „Blue Whale hat mehrere Betriebsarten“, erläutert Amir Horowitz, Direktor für Unterwassersysteme bei IAI-ELTA. „Es kann allein oder mit anderen arbeiten oder als Flügelmann für bemannte Uboote operieren. Es hat die Fähigkeit, Ziele selbstständig zu entdecken und zu klassifizieren.“ Gleichzeitig sei es das erste Multimissions-AUV der Welt: Eines könne U-Jagd, ein anderes Minenjagd betreiben. „Das ist eine neue Ära“, so Horowitz. „Vor Jahren waren unbemannte Luftfahrzeuge auf diesem Stand. Jetzt haben wir die Erfahrungen daraus für den Unterwasserbereich übernommen.“