Eine in Europa einmalige Kooperation: zehn amerikanische Super Hercules,
stationiert in Frankreich, geflogen von deutsch-französischen Crews
Jahr 1975. In Saigon, der heutigen Ho-Chi-Minh- Stadt, werden 452 Personen durch ein militärisches Transportflugzeug evakuiert. Die Maschine landet trotz neun Tonnen Überladung sicher in Thailand. Beim Erstflug im August 1954 glaubte vermutlich keiner, dass sich der Prototyp des Herstellers Lockheed Corporation (heute Lockheed Martin) in den kommenden Jahrzenten zum meistgenutzten und am längsten gebauten Flugzeugmuster entwickeln würde. Seit 1956 wird das Transportflugzeug in Serie gebaut. Im Laufe der Jahre wurden über 40 Versionen der C-130 gefertigt, sie wurde in mehr als 20 Länder verkauft und wird bis heute genutzt. Ein echtes Erfolgsmodell. Ihre Robustheit und dass sie sich über Jahrzehnte bewährt hat, ließen sie im 21. Jahrhundert zum Herzstück einer noch nie dagewesenen Kooperation werden.
Erfolgsgeschichte wird binational weitergeschrieben Im April 2017 einigten sich die damalige deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr französischer Amtskollege Jean-Yves Le Drian auf ein gemeinsames Projekt. Eine binationale Staffel sollte in Frankreich entstehen und das neueste Modell der C-130 das „Arbeitstier“ werden. Das sogenannte J odell, auch bekannt als „Super Hercules“. Warum genau dieses Transportflugzeug? Nachdem die C-160 Transall außer Dienst gestellt war, gab es eine Fähigkeitslücke im geschützten taktischen Lufttransport beim Betrieb auf Flugplätzen mit eingeschränkter Infrastruktur, für Einsätze im Rahmen des Risiko- und Krisenmanagements und für die Unterstützung von Spezialkräfteoperationen. Trotz seiner Qualitäten kann der Airbus A400M diese nicht gänzlich schließen. Er ist größer und schwerer als die Hercules und kann daher nicht problemlos auf sehr kleinen, unbefestigten Landeplätzen operieren.
Mit einer größeren Nutzlast als die Transall sowie vier statt nur zwei Triebwerken ist die Hercules jedoch auch kein direkter Nachfolger der C-160. Frankreich und Deutschland standen vor demselben Problem und beschlossen, Synergieeffekte zu nutzen. 2019, zwei Jahre nach dem ersten Regierungsabkommen, begannen die Bauarbeiten für die gemeinsame Lufttransportstaffel auf der Base Aéri enne 105 in Évreux, einer Stadt in der Normandie mit etwa 50.000 Einwohnern, 90 km nordwestlich von Paris. Ein Pilotprojekt, das es in dieser Form in Europa noch nie gegeben hat. Zwei Jahre nach der Grundsteinlegung nahm die binationale Lufttransportstaffel (Binational Air Transport Squadron), kurz BATS, den Betrieb auf. Anfänglich nur mit den vier bereits vorhandenen französischen Maschinen, bis im Februar 2022 die erste deutsche C-130J aus den USA nach Frankreich überführt wurde. Seit April 2024 ist die Flotte der BATS vollzählig. Die Staffel verfügt jetzt über insgesamt zehn einsatzfähige Super Hercules. Sechs davon fliegen unter deutscher Hoheitsflagge, die anderen vier unter französischer. Die Flugzeuge werden aber nicht ausschließlich von der eigenen Nation geflogen, ganz im Gegenteil.
Zwei Nationen, eine Sprache, gemischte Crews
Die Idee in der Staffel war von Anfang an die gelebte Kooperation. Alles kann und soll gemeinsam gemacht werden. Deutsche Soldatinnen und Soldaten können dabei die Tätigkeiten ihrer französischen Pendants komplett übernehmen und umgekehrt. Das macht diese binationale Staffel unter anderem so einzigartig. So kann eine französische Maschine durchaus ein deutsch-französisches Piloten- oder Ladungsmeisterteam unter deutschem Kommando haben.
Dieses Konzept der gemischten Crews zieht sich durch die komplette Staffel. Egal, in welches Büro man im fliegenden, führenden oder technischen Bereich schaut, man wird immer zwei unterschiedliche Uniformen sehen – die französische und die deutsche, jedoch nur eine Sprache hören: Englisch. Denn das ist die Arbeitssprache in der binationalen Lufttransportstaffel. Dies ist eine Herausforderung für beide Seiten. Um diese Hürde zu überwinden, werden regelmäßig Englischkurse für beide Nationen angeboten. In der Vorbereitung auf ihren künftigen Arbeitsplatz lernen die deutschen Soldaten aber auch Französisch. Das erleichtert die soziale Integration im Land erheblich, ob beim Gespräch mit den Nachbarn, beim Einkaufen oder einem Arztbesuch.