Deutschland in Deutschland verteidigen: Auftrag und Aufbau der Heimatschutzdivision

Heimatschutzkräfte patrouillieren den Seehafen Rostock, einen wichtigen Umschlagplatz für Verlegungen ins Baltikum. (Foto © Bw/Anne Weinrich)
Heimatschutzkräfte patrouillieren den Seehafen Rostock, einen wichtigen Umschlagplatz für Verlegungen ins Baltikum. (Foto © Bw/Anne Weinrich)

Spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist klar: Die Sicherheit unseres Landes ist so stark bedroht wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr. Die Aggression gegen die Ukraine bleibt die größte Bedrohung der Sicherheit in Europa, die zusätzlich von der instabilen Lage im Nahen und Mittleren Osten verschärft wird. Gleiches gilt für das Agieren Chinas, hier insbesondere mit Blick auf Taiwan.

Es ist festzustellen: Die Zeit der Friedensdividende gehört der Vergangenheit an.  Diese gemeinhin bekannte sicherheitspolitische Lage stellt uns vor zahlreiche militärische, aber auch gesamtgesellschaftliche Herausforderungen. Die militärischen betreffen unsere eigene nationale territoriale Verteidigung, aber auch unsere Verpflichtungen im Bündnis auf operativer Ebene, den Host Nation Support, und natürlich die subsidiäre Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger über das gesamte Intensitätsspektrum von Frieden über Krise bis zum Krieg, von der Hilfeleistung bis hin zur Amtshilfe nach einem Terrorangriff.

Generalmajor Andreas Henne ist seit dem 1. April 2025 erster Kommandeur der Heimatschutzdivision im Deutschen Heer. (Foto © Bw)
Generalmajor Andreas Henne ist seit dem 1. April 2025 erster Kommandeur der Heimat-schutzdivision im Deutschen Heer. (Foto © Bw)

Dabei ist klar: Die Rückkehr des Krieges nach Europa ist längst kein regionaler Konflikt mehr. „The Euro- Atlantic area is not at peace“, heißt es im Strategischen Konzept der NATO. Russland strebt nach einer Rekonstitution als Großmacht. Ein Ziel, das nur über eine Auseinandersetzung mit der NATO zu erreichen sein wird und im Kontext des Systemkonfliktes USA-China steht. Wir werden bereits täglich mittels Cyberaktivitäten sowie Aufklärung gegnerischer Kräfte, aber auch durch Spionage, Sabotage und Desinformation angegriffen. Die scharfen Trennlinien unseres klassischen Verständnisses des Kontinuums von Frieden, Krise und Krieg verschwimmen zunehmend durch hybrides Vorgehen. Daher passt sich Deutschland der veränderten sicherheitspolitischen Lage an. Wir müssen einen entscheidenden Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leisten: nicht als „Frontstaat“, sondern als Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen, Stationierungsort großer Militärverbände der Allianz, als rückwärtiger Operationsraum und als Truppensteller für die NATOKontingente an der Ostgrenze des Bündnisses.

Eine glaubhafte „Vornepräsenz“ muss verhindern, dass Konflikte eskalieren und sich bis in die Mitte Europas ausdehnen. Hierfür steigern mehrere Initiativen die Verteidigungs- und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte: Die Bundeswehr wächst wieder. Sie stärkt ihre Reserve, damit diese im Konfliktfall die nationale territoriale Verteidigung im Inland übernehmen kann.

Dabei ist der Ernst der Lage nicht zu unterschätzen: Der russische Außenminister Lawrow äußerte zu den Gründen der sogenannten „militärischen Sonderoperation in der Ukraine“, dass der russische Präsident Putin mehrmals betont hat, dass Russland „gezwungen war“, dem „kollektiven Westen Widerstand zu leisten, der den Konflikt eskalierte, mit dem Ziel, einen weiteren Konkurrenten zu unterdrücken, zu dem Russland auf der Weltbühne wieder geworden ist, und unser Land im geopolitischen Sinne zu schwächen.“ Damit ist klar: Die Bedrohung ist real. Wenn unsere Freiheit, unsere Demokratie und Art zu leben auch für die nächste Generation Bestand haben sollen, sind eine wirksame militärische Abschreckung und die Fähigkeit, sich durchhaltefähig zu verteidigen, so schnell wie möglich erforderlich.

Der Operationsplan Deutschland

Mit dem Osnabrücker Erlass von 2024 wurden die Kompetenzen und Verantwortungen der Teilstreitkräfte für ihre Dimension geschärft. Für das Heer bedeutet dies unter anderem die Verantwortungsübernahme für die Heimatschutzkräfte der Bundeswehr. Die Aufgaben des Heimatschutzes ergeben sich im Wesentlichen aus dem Operationsplan Deutschland, dem OPLAN DEU.

Die Erstellung dieses Plans ist der militärische Kernbeitrag zur Verteidigung Deutschlands, zum Schutz unserer Souveränität und territorialen Integrität in Verantwortung des Operativen Führungskommandos. Er trägt dazu bei, die Resilienz von Staat und Gesellschaft gegen äußere Bedrohungen zu stärken und stellt sicher, dass innerhalb von wenigen Tagen Truppen mit ihrem Material durch Deutschland transportiert werden können, falls dies erforderlich wird. Dabei erfüllt der OPLAN mehrere Aufgaben gleichzeitig: Er koordiniert die zivil-militärische Interaktion zur gegenseitigen gesamtstaatlichen Unterstützung, er maximiert die Möglichkeiten zur zivilen Unterstützung, um die Bundeswehr in Bezug auf die Leistungen ziviler Institutionen und der Wirtschaft zum Schutz kritischer Infrastruktur gezielt zu entlasten.

Der Plan stellt eine reaktionsschnelle und resiliente militärische Verteidigungsbereitschaft in Deutschland sicher und präzisiert den Schutz verteidigungswichtiger und lebenswichtiger ziviler kritischer Strukturen. Auch der Host Nation Support ist dabei als gesamtstaatliche Aufgabe zu verstehen. Militärische Kompetenz kann bei Bedarf zivile Expertise unterstützen, gegebenenfalls ergänzen und umgekehrt. So wie im Friedensfall die Bundeswehr zivile Behörden im Rahmen der Amtshilfe unterstützt, so ist die Bundeswehr im Spannungs- und Verteidigungsfall auf die Unterstützung ziviler Behörden und der Wirtschaft angewiesen.

Zusammenfassend führt der OPLAN DEU die zentralen militärischen Anteile der Landes- und Bündnisverteidigung Bündnisverteidigung und der dafür erforderlichen zivilen Unterstützungsleistungen zusammen. Er muss im Ergebnis ausführbar sein und trifft die planerische Vorsorge dafür, dass im Krisen- und Konfliktfall nach erfolgter politischer Entscheidung schnell, zielgerichtet und im verfassungsrechtlichen Rahmen militärisch gehandelt werden kann. Er ist somit sowohl Scharnier zwischen der Landes- und der Bündnisverteidigung als auch zwischen ziviler und militärischer Verteidigung.

Neben der Sicherstellung des Aufmarsches deutscher und verbündeter Streitkräfte aus und durch Deutschland, was mit dem Begriff der „Drehscheibe“ beschrieben wird, und der Sicherstellung des militärischen Anteils der Gesamtverteidigung geht es hier insbesondere um die Zivil-Militärische Zusammenarbeit beziehungsweise um die Koordination zur gegenseitigen Unterstützung. Dies bedeutet nichts anderes als die Verschränkung von militärischer Unterstützung der Zivilverteidigung einerseits und ziviler Unterstützung der militärischen Verteidigung andererseits. Wesentlicher Leistungsträger dieser im Operationsplan Deutschland enthaltenen Aufgaben innerhalb Deutschlands sind die Heimatschutzkräfte. Hier insbesondere, wenn es darum geht, den Aufmarsch der alliierten Streitkräfte über und durch Deutschland an die NATO-Ostflanke sicherzustellen.

Von Generalmajor Andreas Henne, Kommandeur Heimatschutzdivision

Den kompletten Artikel lesen Sie in Ausgabe 4/25 des HHK!

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