Zwischen Beweglichkeit und Durchsetzungsfähigkeit – Zukünftige Systeme Indirektes Feuer
Die vermehrte Ausrichtung der Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung ist auch bei den Waffensystemen des Indirekten Feuers deutlich erkennbar.
Hierbei sind die Anforderungen der leichten (Mörsersysteme), der mittleren (Rohrartillerie 155 mm radbasiert, Raketenartillerie radbasiert) und der Schweren Kräfte (Rohrartillerie kettenbasiert und Raketenartillerie kettenbasiert) entsprechend zu berücksichtigen. Während leichte Kräfte, etwa Gebirgsjäger oder Luftlandeeinheiten, durch hohe Mobilität und schnelle Verlegefähigkeit bestechen, zeichnen sich schwere Kräfte z. B. mit Kampfpanzern durch maximale Feuerkraft und Schutz aus. Die mittleren Kräfte kombinieren Elemente aus beiden Welten. Sie sollen beweglicher sein als schwere Kräfte, robuster und durchsetzungsfähiger als leichte Kräfte und dabei durch moderne Waffensysteme sowie flexible Unterstützungsstrukturen eigenständig operieren können.
Um diesen Anforderungen im Bereich des Indirekten Feuers zu begegnen, investiert die Bundeswehr aktuell in mehrere Schlüsselprojekte. Im Fokus liegen hierbei insbesondere radbasierte Systeme, die aufgrund ihrer hohen Eigenmobilität schneller und flexibler eingesetzt werden können als klassische Kettenfahrzeuge. Für die kurze Reichweite befindet sich ein 120-mm-Mörser in der Qualifikation, der auf einem gepanzerten Radfahrzeug verbaut ist und schnelles, präzises Feuer mit hoher Mobilität verbindet (Patria 6×6 CAVS Heavy Mortar NEMO). Für die mittlere Reichweite ist die Beschaffung des Artilleriesystems Remote Controlled Howitzer 155 mm (RCH 155) vorgesehen. Eine innovative Lösung auf Basis der etablierten Boxer- Plattform, die die Wirkung einer Panzerhaubitze mit der Mobilität eines Radfahrzeugs kombiniert. Ergänzt wird dies durch das für große Distanzen konzipierte Mehrfachraketenwerfersystem PULS (Precise and Universal Launching System), das ebenfalls auf einer Radplattform basiert und die Fähigkeit zum tiefen Wirken abbildet.
Diese drei Systeme 6×6 CAVS Heavy Mortar, RCH 155 und PULS markieren zentrale Bausteine in der Befähigung des Heeres im Bereich des Indirekten Feuers. Sie stehen exemplarisch für die Fähigkeit, in unterschiedlichen Gefechtsszenarien schnell und flexibel Wirkung zu erzeugen. Darüber hinaus werden in der Realisierung der genannten Systeme bereits Eindrücke und Erfahrungen aus dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine einbezogen. In den folgenden Abschnitten werden die Waffensysteme im Einzelnen vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist die Gefahr durch Drohnen, feindliches Steilfeuer und weitere Gegenmaßnahmen. Nach dem Feuern gelten eigene Systeme als aufgeklärt und müssen zum Schutz der Besatzung und des Materials vor Gegenfeuer eigenständig so schnell wie möglich in eine gesicherte Position verbracht werden. Daraus leitet sich direkt die Forderung nach dem Prinzip „Shoot and Scoot“, also dem Wechsel von Feuerkampf zu schnellem Positionswechsel ab.
Zukünftiges System Indirektes Feuer kurze Reichweite schwer: Patria 6×6 CAVS Heavy Mortar NEMO
Im Rahmen des internationalen CAVS-Programms (Common Armoured Vehicle System) setzt Deutschland das zukünftige System Indirektes Feuer in der Variante kurze Reichweite schwer (ZukSysIndF kRw schwer) um. Dieses bedeutende Projekt umfasst 120-mm-Mörsersysteme sowie entsprechende Feuerleitfahrzeuge, die auf der Trägerplattform CAVS basieren. Das multinationale Kooperationsprogramm beinhaltet die Entwicklung einer einheitlichen Plattform eines militärischen Radfahrzeugs mit einem 6×6- Antrieb. Die Plattform ist modular ausgelegt und kann ausgehend von einer Basisvariante über Schnittstellen und Modifikationen für verschiedene Varianten konfiguriert werden kann.
Das Programm umfasst gleichermaßen das Ausbildungs- und logistische Versorgungssystem für die jeweiligen Varianten. Mit dem Ende Januar 2025 vom BAAINBw unterzeichneten Vertrag wird die Beschaffung von Nachweismustern sowie die Unterstützung der integrierten Nachweisführung vereinbart. Die Teilnahme am internationalen CAVS-Programm gewährleistet einen hohen logistischen Deckungsgrad der Trägerplattform und fördert die Interoperabilität mit anderen NATONationen. Mit dem Projekt wird die Ablösung der bestehenden 120-mm-Mörserwaffen und deren Trägerfahrzeugen vollzogen. Das System ergänzt das Fähigkeitsprofil der Infanterie mit einer optimalen Kombination aus Feuerkraft und Mobilität. Innerhalb weniger Minuten ist nach einem Bekämpfungsvorgang mit Gegenfeuer (sogenanntes Counter Battery Fire) zu rechnen. Die Fähigkeit des CAVS-NEMO (New Mortar), aus der Fahrt zu schießen oder unter Schutz Feuerstellungen schnell beziehen und wieder verlassen zu können, ist überlebensnotwendig für die Besatzung. Der CAVS-NEMO erfüllt die Shoot-and-Scoot-Fähigkeit in hervorragender Weise. Neben der Möglichkeit, mehrere Schüsse bei gleichzeitiger Ankunft im Zielgebiet abfeuern zu können (Multiple Round Simultaneous Impact, MRSI), ist der NEMO auch zur Bekämpfung im direkten Richten geeignet und stellt damit einen Quantensprung im Bereich der Mörserkräfte dar.
Das erste System für die Qualifikation wurde bereits kurz nach Vertragsschluss ausgeliefert, sodass die Nachweisführung bereits 2025 begonnen werden konnte. Mit der Lieferung eines an die deutsche Informationstechnik angebundenen Mörsersystems (u. a. Führungs- und Waffeneinsatzsystem ADLER) und eines für die Nachweisführung vorgesehenen Feuerleitfahrzeuges 2026 für alle Systeme des Indirekten Feuers wird die Qualifikation voraussichtlich 2027 abgeschlossen werden. Der Serienvertrag ist in Vorbereitung, und der Serienzulauf an die Truppe ist ab 2028 vorgesehen.



