Mit der Erfindung der Trägheitsnavigation wurden Navigationssysteme verfügbar, die unabhängig von optischen, nachrichtentechnischen Verbindungen und GPS-Daten/Signale, Positionsdaten anboten. Insbesondere für militärische Anwendungen ergaben sich diverse Nutzungsvorteile, da die Unabhängigkeit von externen Signalen und magnetischen Einflüssen eine autonome und permanente Navigation ermöglichte.
Der US-Konzern Litton Industries hat diese Technologie zur Einsatz- und Serienreife entwickelt und war lange Zeit führender Hersteller dieser Systeme. Anfang der 60er Jahre wurden Navigationssysteme von LITEF zum ersten Mal in Europa in Serie gefertigt. Konzeption und Leistung der damaligen Systeme für den Starfighter (LN-3) waren so erfolgreich, dass Nachfolgesysteme (LN-12) für die Phantom- Flugzeuge der deutschen Luftwaffe und später für den Tornado entwickelt und produziert wurden.
Basierend auf diesen Erfahrungen hat LITEF weitere Generationen von Kreiseln und Beschleunigungsmessern – die entscheidenden Komponenten der Trägheitsnavigation – konzipiert. In Kombination mit den von LITEF entwickelten Digitalrechnern entstanden daraus Navigationssysteme, die auch für Marine (Unter- und Überwasser), diverse gepanzerte Landfahrzeuge, Missile- und Stabilisierungsanwendungen sowie in der militärischen Luftfahrt auf Plattformen wie dem Eurofighter und dem Tornado erfolgreich eingesetzt wurden und werden.
Die Kenntnis der eigenen Position und der Richtung zum Ziel ist die wesentliche Information für die Orientierung und die Führung von Über- wie auch Unterwasserschiffen. Gleichzeitig stellte die Einführung der verschiedenen militärischen Satelliten-Navigationssysteme (GNSS) in den letzten 30 Jahren eine neue Grundlage für die weltweite Ortung der Eigenposition dar und eröffnete parallel die Möglichkeit der genauen Zeitsynchronisation von Funk- und Führungssystemen. Als alleinige Navigationskomponente kann GNSS jedoch weder die geforderte Genauigkeit, noch die nötige Verfügbarkeit erfüllen. Eine Verschlechterung der Satellitensignale durch geographische Gegebenheiten oder gezielte Störungen – Electronic Warfare Attacken (Jamming-/Spoofing- Attacken) des Gegners – kann zum Verlust der Kenntnis der eigenen Position führen und damit zum Missionsabbruch.
Unter GPS-Jamming wird das Stören oder Blockieren u. a. von Signalen des satellitengestützten Global Positioning System (GPS) zusammengefasst. Durch die relativ geringe Sendeleistung der Satelliten und die Umlaufbahn in Höhe von 2.000 Kilometern über der Erdoberfläche sind die GPS-Signale nur mit einer ausgesprochen geringen Feldstärke zu empfangen. Deshalb können bereits Störsignale mit geringer Feldstärke den Empfang der GPS-Satelliten verhindern.
Unter GPS-Spoofing wird das Aussenden von Störsignalen verstanden, die das GPS-Signal imitieren. Das Ziel ist, den Empfang von GPS-Signalen nicht nur zu stören, wie es bei GPS-Jammern der Fall ist, sondern GPS-Empfänger derart zu täuschen, dass falsche Positionsangaben die Folge sind. Im Idealfall sind es falsche Positionsdaten, die seitens des Empfangsgerätes ohne zusätzliche und GPS-unabhängige Navigation nicht einfach erkannt werden können. Bei den technisch wesentlich einfacheren GPS-Jammern ist der Ausfall des GPS-Empfanges am Empfangsgerät trivial erkennbar und der Benutzer kann dann auf den Ausfall reagieren.
Mit Ende letzten Jahres nahmen sogenannte Electronic Warfare-Attacken auch im Ostseeraum zu, die auch bis nach Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hineinreichten. Eine Auswertung der Daten zeigte ein neues Ausmaß: Die derzeitigen Störungen begannen demnach verstärkt Mitte Dezember und erstrecken sich nahezu über die gesamte südöstliche Ostsee zwischen Südschweden, dem Baltikum sowie Polen und reichen im Westen bis zur Insel Rügen. Der „Baltic Jammer“, wie er in OSINT-Kreisen auch bezeichnet wird, sendet an verschiedenen Tagen unterschiedlich stark und in wechselnden Bereichen – mit eindeutigem Schwerpunkt auf Polen. Dies beeinflusst besonders militärische Operationen.
Auch neue Navigationsalgorithmen finden beständig Eingang in bestehende Produktlinien, um veränderten Missionsanforderungen zu begegnen. Durch Einführung einer besonderen Variante des bewährten Landnavigationssystems LLN-G1 in den Leopard 2 A7V erhält die Panzertruppe der Bundeswehr die Möglichkeit, der wachsenden Bedrohung durch absichtliche Verfälschung der GNSS-Position (Spoofing) zu begegnen. Die Täuschung wird zuverlässig durch das System erkannt, die Besatzung wird gewarnt und weiterhin mit korrekten Navigationsdaten aus rein inertialer Berechnung versorgt. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit des kontinuierlichen Überwachens von GNSS, um nicht verfälschte Signale nach Beendigung der EW-Attacke wieder für die Rechnung zu zulassen.
Die zukünftige Einbindung weiterer Sensoren, die Anwendung künstlicher Intelligenz, autonom agierende Plattformen sowie Methoden aus dem Bereich der funktionalen Sicherheit werden weitere Verbesserungen insbesondere für die Entwicklung zukünftiger Land-Systeme erwarten.