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Auftragstaktik als Unternehmenskultur

In der Amsterdamer Zentrale von KNDS stellte sich Frank Haun (li.) den Fragen von Burghard Lindhorst. (Foto © KNDS)
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Der „Widerruf des Widerrufes“ bleibt ihm schmerzhaft in Erinnerung. Auf diese Erfahrung hätte Frank Haun, CEO von KNDS, gerne verzichtet. Im Interview berichtet er über Erfolge und Erfahrungen während seiner langjährigen Tätigkeit für Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und KMW+NEXTER Defense Systems (KNDS). 

Sehr geehrter Herr Haun, nahezu zehn Jahre sind seit der offiziellen Fusion von KMW und Nexter zu KNDS vergangen. Wie hat es mit dieser Idee angefangen?

Dazu muss ich weiter als die zehn Jahre zurückblicken. Ich bin seit rund 21 Jahren in unserer Branche. Wenn ich die Situation 2003 mit heute vergleiche, liegen Welten dazwischen. Warum? Unsere Unternehmensgröße ist um den Faktor 20 gewachsen. Das Unternehmen, in das ich eintrat, ist heute um den Faktor 30 wertvoller. Wir hatten damals knapp 2.000 Mitarbeiter, heute sind es 10.000. Damals mit einem Auftragsbestand von rund 1,5 Milliarden, heute mit über 20 Milliarden. Das ist richtig schön gediehen und gewachsen. Dazwischen gab es aber auch Rückschläge. Die Stärke des Unternehmens lässt sich an einem Beispiel zeigen: am Gepard.

Der Gepard hat einen Wegmann-Turm auf einem Leopard-Fahrgestell. Welche Rolle er heute noch spielt, 48 Jahre nach seiner Erstauslieferung, zeigt doch, dass damals etwas verdammt Gutes entwickelt wurde. Die Bundeswehr gab ihn 2010 auf. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Aber nach Auffassung der damaligen Bundesregierung und ihres Verteidigungsministeriums lebten wir in einer Welt des Friedens. Dann hat der Gepard seinen Dienst in Brasilien und Katar verrichtet, bei den Olympischen Spielen und der Fußball- Weltmeisterschaft. Und heute in der Ukraine? Da holt er alles vom Himmel, was an russischem Fluggerät in seinen Wirkungsbereich einfliegt, mit Besatzungen, die wir in wenigen Wochen ausgebildet haben. Da zeigt sich doch, dass wir schon vor langer Zeit gute Systeme entwickelt haben.

FlakPz Gepard: Bei der Bundeswehr ausgemustert,beweist er tagtäglich in der Ukraine seine Leistungsfähigkeit. (Foto © KNDS)
FlakPz Gepard: Bei der Bundeswehr ausgemustert,beweist er tagtäglich in der Ukraine seine Leistungsfähigkeit. (Foto © KNDS)

Was passierte in der Zwischenzeit? Entwicklung von Neuem und Weiterentwicklung, vorwiegend aus eigener Kraft und nicht staatlich finanziert. Dies gipfelte jetzt in der RCH 155 und dem ASCALON-System, einer revolutionären Hauptwaffe für künftige Kampfpanzer-Generationen. Ich habe früh darüber nachgedacht, ob das Unternehmen so national bleiben sollte, wie es war. Die ersten Gespräche führte ich mit Italienern. Damals hieß Leonardo noch Finmeccanica. Das ging aber nicht recht voran. Im Februar 2006 nahmen wir Gespräche mit Frankreich auf, aber die Präsidenten Sarkozy und Hollande zögerten. François Hollande hatte allerdings einen jungen Wirtschaftsminister namens Emmanuel Macron, der die Logik eines deutsch-französischen Zusammenschlusses in der Landsystem-Industrie sofort verstand. Macron hat es dann durchgezogen und Nexter, ein französisches Staatsunternehmen, privatisiert. Danach konnten wir zusammengehen. Neun Jahre Arbeit haben da dringesteckt, bis es stand. Jetzt sind wir seit neun Jahren KNDS und haben auch noch letztes Jahr unseren Markenauftritt weltweit vereinheitlicht. Nicht, indem wir zig Millionen für Agenturen ausgaben, sondern mit einem kleinen Team aus unserem Unternehmen. KNDS steckt voller kreativer Energie.

Die braucht nur Freiräume zur Entfaltung. Natürlich wurden wir links und rechts des Rheins sofort gefragt: Wann kommen denn eure ersten gemeinsamen Produkte? Die kommen. Sie brauchen in der Wehrtechnik relativ lange, weil man sehr viel Sicherheit hineinbauen muss. Da stellen wir auch einen hohen Anspruch an uns selbst. Immer wieder müssen wir auch legislative und administrative Hürden überwinden. Aber es hat sich gedeihlich entwickelt und wird sich weiterentwickeln. Die ersten Meter sind gegangen worden. Seit 2020 wird KNDS voll integriert geführt, jede Neu- oder Weiterentwicklung ist Element einer gemeinsamen Strategie. Aber von damals auf heute ist es ein Riesensprung. Hätten Sie mir vor zehn Jahren erzählt, dass ich einem Unternehmen mit diesem Umsatz und Auftragsbestand vorstehe, ich hätte es selbst nicht geglaubt.

Sie sprachen eben von der französischen Seite, wie war es auf der deutschen?

Ich habe auf der deutschen Seite von vornherein Unterstützung gehabt. Zu der Zeit waren es insbesondere Ministerin von der Leyen und Staatssekretärin Dr. Suder, eigentlich das ganze Verteidigungsministerium. Regierung und Politik erleben schnellen Wandel, Geschichte ist wechselhaft. Und das war sie auch in meinen 21 Jahren. Wenn ich zurückblicke, wie viele Minister ich erlebt habe und wie viele Staatssekretäre, da gab es immer mal Schwankungen. Aber im Grunde war deutsch-französisch gewollt, weil man in beiden Hauptstädten eine gemeinsame Verantwortung für Europa gesehen hat. Frankreich und Deutschland haben ja auch eine lange Erfolgsgeschichte in Rüstungskooperationen: die Transall, der Alpha Jet, die Panzerabwehrwaffen – von 33 Programmen waren 25 erfolgreich und nur acht scheiterten.

Einweisung in die Kampfpanzer-Produktion: Frank Haun mit dem damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei dessen Besuch auf dem Werksgelände in München im Jahr 2012. (Foto © KNDS)
Einweisung in die Kampfpanzer-Produktion: Frank Haun mit dem damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei dessen Besuch auf dem Werksgelände in München im Jahr 2012. (Foto © KNDS)

Wie sehen Sie KNDS für die Zukunft aufgestellt?

Wir sind auf dem richtigen Weg, das haben wir auf der letzten Eurosatory gezeigt. Wir haben einen neuen Kampfpanzerturm und eine neue Waffenanlage präsentiert, wirklich absolute Innovationen. Wir haben neue Artillerie gezeigt, und an der Steigerung der Reichweite arbeiten wir intensiv. Wir bleiben nicht bei 40 bis 60 Kilometern stehen, sondern wollen mehr. Wir haben die richtigen Entwicklungsthemen angepackt. Wir verfolgen sie konsequent und deswegen kommen die Produkte. Die eigenfinanzierte RCH 155 geht auf den Mai 2003 zurück. Das ist 20 Jahre her.

Erprobungsschießen mit dem ASCALON-System. Es ermöglicht den Wechsel des Rohrkalibers von 120 mm auf 140 mm in weniger als einer Stunde. (Foto © KNDS)
Erprobungsschießen mit dem ASCALON-System. Es ermöglicht den Wechsel des Rohrkalibers von 120 mm auf 140 mm in weniger als einer Stunde. (Foto © KNDS)

Ein neues System fällt nicht aus dem Himmel. Mit viel Geld kann ich seine Einsatzreife vielleicht beschleunigen, aber ich kann die Zeit nicht auf null drehen. Sie müssen auch die richtigen Gedanken und technischen Lösungen haben. Die sind nicht immer gleich von Anbeginn an auf dem Tisch. Und Rückschläge gibt es bei jeder Entwicklung. Sie werden in Zukunft wesentlich mehr gemeinsame neue Produkte als bisher sehen. Diese Zukunft muss auf dem Bestehenden aufbauen. Nehmen Sie nur den Leopard 2, den Standard- Kampfpanzer in Europa. Sein Entwicklungspotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft, wie wir gerade mit dem Leopard 2 A-RC 3.0 gezeigt haben. Er weist mit seinen Innovationen den Weg zur nächsten Kampfpanzer- Generation. Unsere französische Tochter hat parallel mit ASCALON eine modulare Kampfpanzer- Hauptwaffe entwickelt, die alle derzeit genutzten Waffen an Wirksamkeit weit übertrifft. Diese und ähnliche Entwicklungen werden wir in neuen Systemen zusammenführen. Da kommt noch mehr.

Der Leopard 2 A-RC 3.0 hat einen unbemannten Turm und benötigt nurdrei Mann Besatzung.
Der Leopard 2 A-RC 3.0 hat einen unbemannten Turm und benötigt nur drei Mann Besatzung. (Foto © KNDS)

Jetzt haben wir über Kampfpanzer, Artillerie, Flugabwehr gesprochen. Aber als Systemhaus kommt ja noch eine ganze Menge anderer Sachen dazu …

Ja. Kurz nachdem ich bei KMW angefangen hatte, übernahmen wir von MAN den Bereich für Gefechtsfeldbrücken. 2012 kauften wir den Marktführer für logistische Brücken, WFEL in England. Sie sehen jetzt die ersten Projekte von Brücken auf Radfahrzeugen. Mit der Leguan-Brücke haben wir einen weiteren Standard gesetzt. Da sind wir allen Wettbewerbern deutlich voraus.

Zu den Radfahrzeugen: Wir haben unseren Dingo, wir hatten den Mungo. Und wenn ich nur mal den Boxer nehme, der deutsch-französisch begann und auf wechselhaften Wegen schließlich Deutschland und die Niederlande als Erstkunden hatte, so ist das inzwischen eine europäische Glanzgeschichte. Er fährt bereits in so vielen Ländern und wird von weiteren beschafft werden. Und dies in Varianten, über die wir in seiner Entwurfsphase noch gar nicht nachgedacht hatten: mit einem Schützenpanzerturm, mit einer Brücke, mit dem Artilleriemodul. Modularität wie beim Boxer wird erst jetzt richtig verstanden. Die Grundidee: mehr Missionsmodule als Fahrmodule. Als ich frisch ins Unternehmen kam und mir der Boxer vorgestellt wurde, dachte ich, das ist eine smarte Idee. Da kaufe ich nur noch ein Drittel Fahrmodule, habe zwei Drittel mehr an Missionsmodulen und spare als Kunde eine Menge Geld. Aber so wurde bei der Bundeswehr nicht gedacht. Auch nicht in den Niederlanden, die kauften genauso viele Missionsmodule wie Fahrmodule.

2012 haben wir Verteidigungsminister de Maizière den Boxer präsentiert. Er schaute auf seine Entourage und sagte, da brauchen wir eigentlich viel weniger Fahrmodule als Missionsmodule. Alle haben sich beeilt, ihm zu versichern, dass das beschaffungstechaisch nicht geht. Es wurde einfach nicht begriffen, denn im Prozess war das nicht vorgesehen. Im Beschaffungsprozess konnte auf jedes Fahrzeug nur ein einziges Modul kommen. Aber der Boxer war ja auf Modularität angelegt.

Der Boxer RCT 30 vereint hohe Mobilität und überragenden Schutz mitder Feuerkraft des Schützenpanzers Puma. (Foto © KNDS)
Der Boxer RCT 30 vereint hohe Mobilität und überragenden Schutz mit der Feuerkraft des Schützenpanzers Puma. (Foto © KNDS)

Der Boxer stand in Den Haag auf der Kippe, nur Deutschland und die Niederlande waren damals an seiner Beschaffung interessiert. Das entscheidende Treffen fand im Jahr 2006 zwischen Staatssekretär Eickenboom, dem niederländischen Staatssekretär van der Knaap, einem Vertreter von Rheinmetall und mir statt. Staatssekretär van der Knaap forderte 60 Prozent Koproduktion in den Niederlanden. Da habe ich ihn angeschaut und gesagt, Sie haben den Motor nicht, Sie haben das Getriebe nicht, Sie haben den Stahl nicht, Sie haben eigentlich gar nichts. Wie wollen Sie 60 Prozent? Wenn ich keine 60 Prozent bekomme, gibt es den Boxer nicht, war seine Antwort. Staatssekretär Eickenboom bat um eine Pause. Er nahm mich und Herrn Sander von Rheinmetall vor die Tür, schaute uns an und sagte: Meine Herren, ohne die Niederländer gibt es keinen Boxer, dann stellen wir das Thema ein. Haben Sie eine Idee? Ich fragte Eickenboom: Wollen Sie den Boxer? Ja, antwortete er, aber nur mit den Holländern. Ohne sie steigen wir aus. Gut, schlug ich vor, wir gehen da jetzt wieder rein, ich erkläre ihm das komplizierte Schweißen des Boxers und biete ihm an, hier eine Fabrik aufzubauen, wo wir ihn schweißen. Dann kann er sich gerne mal davon überzeugen, dass ein Boxer nicht einfach nur Stahl an Stahl zu schweißen bedeutet, sondern eine Wissenschaft ist. Wir sind dann wieder reingegangen und ich versprach, die Technologie in die Niederlande zu bringen. Herr van der Knaap stand auf und fragte: Herr Haun, haben wir einen Deal? Wir schüttelten uns die Hände, und der Boxer war da. KMW baute in den Niederlanden ein Werk auf. Das hat ein Vermögen gekostet, aber wir haben es gemacht. Eine unglaubliche Geschichte.

Sie haben in 21 Jahren keinen Mitarbeiter entlassen, mussten aber doch das eine oder andere Werk schließen, oder?

Wir sind sehr stetig und konstant gewachsen. Ja, wir haben Firmen aufgemacht und dann wieder geschlossen. Wir haben auch mal ein Unternehmen gekauft, das nicht so gut lief, das wir dann wieder abgegeben haben. Aber im Kerngeschäft haben wir bei KMW keine Sozialpläne gehabt, wir haben keine Mitarbeiter reduziert.

Wir konnten immer ganz gut einschätzen, was unsere Kunden brauchen, und haben entsprechend Neues entwickelt. Natürlich manchmal auch etwas, das nicht geklappt hat. Aber das Rückgrat des Unternehmens sind unsere Systeme, die wir kultiviert, weiterentwickelt und zum Teil, wie die RCH 155, selbst entwickelt haben. Darauf sind wir stolz. Nun stellt uns der russische Angriff auf die Ukraine vor neue Herausforderungen. Aber auch ohne den Ukrainekrieg ginge es in die richtige Richtung.

Vor einiger Zeit sprachen wir noch von Afghanistan als dem Kriegsbild der Zukunft. Da haben wir uns total geirrt. Heute fragt jeder nach den Lehren aus dem Ukrainekrieg. Aber ist dies wirklich das Kriegsbild der Zukunft?

Wir haben bei KNDS nie geglaubt, dass Afghanistan das einzige Kriegsbild ist. Wir haben differenzierter und in alle Richtungen gedacht. Deswegen haben wir auch in der Phase, als alle nur von Afghanistan sprachen, die Leoparden und die Artillerie weiterentwickelt. Ich erinnere mich noch, wie wir angeboten haben, die Panzerhaubitze 2000 fit für Afghanistan zu machen. Im Vorgriff machen wir gar nichts, hieß es vom Kunden. Dann hat die Bundeswehr zwei Haubitzen doch runtergeschickt und sie wie auf einer Intensivstation mit Kühlluft beatmet, weil es einfach zu warm war. Wir hatten Klimaanlagen einbauen wollen, aber vorher ging das nicht. Man hat die Haubitzen für eine Million hingeflogen, später für eine Million wieder herausgeflogen und dann die Klimatisierung eingebaut. Wir haben immer in verschiedenen Szenarien gedacht, und das ist auch gut so gewesen.

Panzerhaubitze 2000 in Afghanistan: Einsatz aus dem Feldlager heraus. (Foto © KNDS)
Panzerhaubitze 2000 in Afghanistan: Einsatz aus dem Feldlager heraus. (Foto © KNDS)

Wir haben aber auch – für den Balkankonflikt, für Afghanistan – Fahrzeuge wie den Dingo eigenfinanziert entwickelt. Der hat sehr wertvolle Dienste geleistet. Wir haben uns immer an den Szenarien der Kunden ausgerichtet, uns aber eben auch unser eigenes Bild gemacht und Neues initiiert. Dazu braucht man ein Budget für freie Entwicklung, und man braucht mutige, kreative Ingenieure. KNDS lebt von der Auftragstaktik, nicht von der Befehlstaktik.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage und den Bedarf an Kampfpanzern und Artilleriesystemen in Europa?

Derzeit gibt es in Westeuropa knapp 10.000 Kampfpanzer und etwas mehr als 3.000 Artilleriesysteme. Davon sind immer noch rund 20 Prozent russischer Herkunft. Die Mehrzahl muss in den nächsten Jahren modernisiert oder nachbeschafft werden. Der Bedarf ist riesig, auch ohne die Ukraine. Er wird befriedigt werden, und zwar bei den Panzern im Schwerpunkt mit Leopard, wie wir an unseren Aufträgen sehen. Wer Leos hat, wechselt in der Regel auf kein anderes Modell und fährt plötzlich zwei, drei verschiedene Modelle wie die Türken und die Polen. Wir haben aus Deutschland Aufträge. Holland kauft Leopard. Litauen kauft Leopard. Tschechien kauft Leopard. Schweden kauft weitere Leopard.

Wir haben einen Auftragsbestand von über 20 Milliarden. Das Unternehmen hat ausreichend Geld zur Verfügung, keine Schulden. Es blickt in eine gute Zukunft. Es wird weitere Zukäufe geben, Anpassungen und Erweiterungen.

Sie sind bei RENK eingestiegen …

Richtig. Militärische Fahrzeuggetriebe sind ein Kapitel für sich. Es klingt erstmal einfach, nach reiner Mechanik, aber die Herausforderungen der Kraftübertragung für so ein robustes Fahrzeug wie einen Kampfpanzer sind komplex. RENK ist für uns ein essenziell wichtiger Lieferant. Wir wollten das Unternehmen nicht in unberechenbaren Händen wissen. Unsere derzeitige Beteiligung erlaubt uns die Erhöhung auf 25 Prozent plus eine Aktie. Damit sichern wir Kontinuität, Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationskraft von RENK. Wir wollen nicht in den Getriebemarkt, müssen aber stabile Lieferquellen behalten. Im Kern ist unser Engagement bei RENK eine Defensivstrategie.

Was bleibt Ihnen besonders positiv in Erinnerung?

Mein Anfang bei KMW, als mir Manfred Bode die Verantwortung für das Unternehmen übergab. Es gibt zwei Regeln, sagte er. Erstens: erst die Firma, dann die Eigentümerfamilien. Zweitens: Wer vorne steht, hat immer recht. Diese Art der Führung, diesen Freiheitsgrad werde ich nie vergessen.

Und Negativ?

Wir verfolgen eine vernünftige Wachstumsstrategie, und das über viele Jahre. Aber auf diesem Weg gab es auch Tiefschläge. Ganz oben auf der entsprechenden Liste steht der „Widerruf zum Widerruf“. Da lagen meine Nervenbahnen so offen, dass jeder Windzug Schmerz bedeutete.

Worum ging es da?

Wir hatten auf der Grundlage einer gültigen Exportgenehmigung Ende des Jahres 2015 Rüstungsgüter verschifft. Auf dem Seeweg wurde die Exportgenehmigung widerrufen, Vollzug: sofort. Was nun? Wir konnten die Schiffe ja schlecht zurückbeordern oder unser Frachtgut irgendwo unterwegs einfach ausladen. Schließlich wurde der Widerruf der Exportgenehmigung widerrufen, während die Fracht noch auf See war. Ob das Ganze ein Versuch des damaligen Wirtschaftsministers gewesen war, seine Rüstungs-Exportbilanz am Jahresende aufzuhübschen, um sich schlechte Presse zu ersparen? Wir wissen es nicht. Was dabei für KMW auf dem Spiel stand, muss ich Ihnen sicher nicht erklären.

Sie haben ja schon ausgeführt, wie viele gute Entscheidungen getroffen wurden …

… aber das war immer Ergebnis einer Mannschaftsleistung. Man sitzt mit intelligenten, tatkräftigen Mitarbeitern am Tisch, man bespricht was und dann passiert es auch. Da kommen die Ideen her. Ein Artilleriesystem, das aus der Fahrt schießt, ist doch nicht meine Idee gewesen. Aber unser Bereichsleiter Entwicklung hat den Freiraum, das zu denken und zu realisieren, ohne dass ihm ein Controller hineinredet. Aus diesem Freiraum entstehen bahnbrechende Innovationen. Deswegen sage ich: Auftragstaktik zahlt sich aus. Wir sind gut unterwegs. Und das mit dem höchsten Umsatz, mit dem höchsten Auftragsbestand, mit den höchsten Rücklagen der Unternehmensgeschichte. Ich gehe zum richtigen Zeitpunkt.

Aus der Bewegung: RCH 155 im Feuerkampf bei einer Vorführung auf dem TruppenübungsplatzAltengrabow.
Aus der Bewegung: RCH 155 im Feuerkampf bei einer Vorführung auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. (Foto © KNDS)

Wie viele Abschiedsbriefe schreiben Sie?

Einige Hundert. In 21 Jahren ist das Netzwerk schon ziemlich groß geworden. Ich habe im Schnitt 250 bis 300 Weihnachtskarten selbst geschrieben.

Bei KMW und KNDS hatten Sie das Kommando.Übernehmen Sie das demnächst auch zu Hause, in der Küche?

Keine Chance. Ich versuchte kürzlich mal, System in unseren Kühlschrank zu bringen, genauer gesagt: das, was ich für System hielt. Daraufhin hat mir meine Frau angekündigt, dass sie mir für den Ruhestand meinen eigenen Kühlschrank schenkt, in dem ich schalten und walten kann, wie ich will. Der wird rot sein, und da steht dann Frank H. drauf. Da darf ich dann mein Jever Pils drin kühlen.

Ist ja etwas herber.

Manche sagen, das passt zu mir. Oder sonst aus meiner Heimat gerne auch Licher.

Was wollten Sie schon immer mal machen, wozu Sie bislang aber keine Zeit hatten?

Vier Wochen Urlaub mit meiner Frau. Ohne Handy!

Haben Sie ein spezielles Urlaubsziel? Oder bestimmt Ihre Frau das?

Das machen wir gemeinsam. Immer gerne Berge, und immer gerne Meer. Beides zusammen ist selten. Nachdem ich es intensiver kennengelernt habe, mag ich Mallorca.

Und was noch?

Skifahren und Mountainbike fahren in den Bergen. Und ich würde gerne ein bisschen besser golfen, sozusagen meine Streuung reduzieren.

Was werden Sie auf keinen Fall machen?

Sie werden mich nicht mit einem dunkelgrünen Lodenmantel auf Empfängen in Berlin sehen.

Wen würden Sie gerne mal zu einem ausführlichen Gespräch treffen?

Ich habe viele Menschen kennengelernt. Aber am liebsten würde ich wieder mit meinen alten Schulfreunden einen Abend verbringen. Ich habe Abitur in Gladenbach bei Marburg an der Lahn gemacht. Meine Klassenkameraden wieder treffen, deren Lebensgeschichten anhören: Das wünsche ich mir.

Sehr geehrter Herr Haun, vielen Dank für die interessanten Informationen und vor allem viel Glück in der nächsten Phase Ihres Lebens!

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