Zehn Tage nach der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sind alle Vorhersagen zu seinen Personalentscheidungen in typischer Trump-Manier überholt. Statt des zunächst gehandelten ehemaligen CIA-Direktors und Außenministers in seiner letzten Regierung Mike Pompeo soll der Marktanalyst, Major der Nationalgarde, konservative Aktivist und Fox News-Moderator Pete Hegseth Verteidigungsminister werden. Selbst in amerikanischen Sicherheitskreisen ist dieser am ehesten durch seine erfolgreiche Kampagne zur Begnadigung von wegen Kriegsverbrechen verurteilter US-Soldaten während der ersten Trump-Regierung sowie ein in diesem Jahr veröffentlichten Buch gegen „woke Ideologie“ in den Streitkräften bekannt.
Ebenfalls für Überraschung sorgte die Benennung der ehemaligen demokratischen Kongressabgeordneten Tulsi Gabbard, auch sie Offizier der Nationalgarde mit Dienstgrad Oberstleutnant und mehreren Auslandseinsätzen, als nationale Geheimdienstkoordinatorin. Gabbard hatte sich 2020 als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten beworben, aber 2022 die Partei verlassen und sich bis zu ihrem offiziellen Beitritt in diesem Jahr dem Trump-Lager der Republikaner angenähert. Sicherheitspolitisch aufgefallen war sie mit Kritik an amerikanischen Militäreinsätzen einschließlich dem von Trump befohlenen Drohnenangriff auf den iranischen General der Revolutionsgarden Qasem Soleimani, einem Besuch beim syrischen Machthaber Baschar al-Assad, und Übernahme russischer Positionen zum Ukrainekrieg.
Personalentscheidungen im Senat wichtiger als die Trumps
Dagegen soll nicht wie spekuliert der ehemalige US-Botschafter in Berlin Richard Grenell, sondern der republikanische Senator Marco Rubio aus Florida Außenminister werden. Rubio und Trump traten 2016 gegeneinander für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner angetreten und hatten eine wechselhafte Beziehung. Außenpolitisch gilt Rubio vor allem als Falke gegenüber China; ebenso wie der ebenfalls aus Florida stammende Kongressabgeordnete Michael Waltz, der neben weiteren Personalentscheidungen Berichten zufolge für die Position des Nationalen Sicherheitsberaters vorgesehen ist. Waltz ist Oberst der Special Forces mit mehreren Einsätzen in Afghanistan, Afrika und Nahost.
Während diese Personalentscheidungen bei Sicherheitspolitikern im In- und Ausland je nach Einstellung Verständnislosigkeit, Konsternation oder Sorge hervorgerufen haben, ist eine andere Auswahl möglicherweise wichtiger: Die Republikaner im gerade eroberten Senat haben John Thune aus South Dakota zum Mehrheitsführer gewählt, der damit weitgehend die Abläufe in der Kammer bestimmen wird. Thune ist ein Vertreter des traditionell-konservativen Flügels der Partei und setzte sich gegen den Trump-Loyalisten Rick Scott und den ebenfalls traditionell-konservativen John Cornyn durch.
Mitspracherecht bei Außenpolitik und Kabinettsbesetzung
Dem Senat kommt eine wichtige Rolle bei außenpolitischen Entscheidungen zu, insbesondere der Ratifizierung internationaler Verträge. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte er sich auch mit überparteilicher Mehrheit ein Mitspracherecht bei einer möglichen Entscheidung zu einem amerikanischen Rückzug aus der NATO gesichert. Zudem muss die Kammer die Personalentscheidungen des Präsidenten für sein Kabinett und andere wichtige Positionen bestätigen.
Trump hatte zuvor verlangt, dass der Kongress sich vertagen solle, um von der Möglichkeit von Ernennungen ohne Anhörung während Sitzungspausen Gebrauch machen zu können. Thune hat dies lediglich als „Option“ bezeichnet. Allerdings wird spekuliert, dass Trump mit Hilfe des ihm näher stehenden Sprechers des Repräsentantenhauses Mike Johnson eine Vertagung erzwingen könnte. Die amerikanische Verfassung gibt dem Präsidenten in Artikel II.3. dieses Recht, wenn sich beide Häuser des Kongresses in dieser Hinsicht nicht einigen können, obwohl dies noch nie angewandt wurde.
Selbst unter Trump-Anhängern wird derweil gemutmaßt, dass die kontroversen Personalentscheidungen nur Versuchsballons oder Bauernopfer darstellen könnten, nach deren Scheitern im Kongress dann „richtige“ Fachpolitiker präsentiert würden. Naheliegend ist in jedem Fall, dass die Nominierten primär nach ihrer Loyalität zu Trump ausgesucht wurden und vor allem spektakuläre Wenden im inneramerikanischen Kulturkampf für die republikanische Basis vorführen sollen. Die eigentlichen außen- und verteidigungspolitischen Entscheidungen würden dann vermutlich im Weißen Haus getroffen. Insofern wäre die Rolle des traditionell bündnisfreundlichen Senats, dessen Mitglieder mit ihrer sechsjährigen Amtszeit relativ unabhängig sind, umso entscheidender.
Stefan Axel Boes