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NATO-Verteidigungsausgaben: Die 3,5-Prozent-Hürde

Verteidigungsausgaben der NATO-Länder als Anteil des Bruttoinlandprodukts 2024 (geschätzt). (Grafik: NATO)
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Dass ausgerechnet der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck sich in der Frage der künftigen Verteidigungsausgaben im Wahlkampf aus der Deckung wagte, hat viele überrascht. Im Interview mit dem Spiegel hatte Habeck bekanntlich dazu geantwortet: „Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig. Das teile ich.“ Dabei ist dieser Wert natürlich nicht neu: Bereits bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor knapp einem Jahr hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius drei bis 3,5 Prozent als vermutlich künftig notwendig genannt, um die Ertüchtigung der Bundeswehr nach Auslaufen des 100-Milliarden-Sondervermögens fortzusetzen. Ebendieser Zielbereich ist seit spätestens diesem Zeitpunkt in der NATO Diskussionsgrundlage für das Ausgabenziel in den kommenden Jahren.

Selbst Donald Trump, der kurz vor seiner Amtseinführung als erneut gewählter US-Präsident in den letzten Tagen Schlagzeilen mit Forderungen nach fünf Prozent Schlagzeilen machte, dürfte das akzeptieren. Bereits am 20. Dezember berichtete die „Financial Times“, dass Emissäre Trumps europäischen Ansprechpartnern mitgeteilt hätten, dass dieser fünf Prozent verlangen, sich aber auf 3,5 einlassen (und im Gegenzug bessere Handelsbedingungen anbieten) würde. Das ist schon deshalb wahrscheinlich, weil die USA selbst aktuell nur knapp 3,4 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigungsausgaben aufwenden und diese ansonsten um die Hälfte erhöhen müssten. Das käme Trumps Erzählung von den säumigen europäischen „Beitragszahlern“, für deren Verteidigung Amerika viel zu viel Geld ausgebe, nicht eben entgegen.

Verteidigungsausgaben als Ablenkungsmanöver

Sein typischer modus operandi ist vielmehr, unrealistische Forderungen zu erheben und dann die Steigerung, die schon vorher weitgehender Konsens war, als Erfolg zu verkaufen. Dieses Spiel spielen die Europäer brav mit – vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil es Trumps Wähler davon ablenken soll, dass andere Teile seiner Wahlkampfrhetorik den bald anstehenden Realitätstest nicht bestehen werden. Dazu gehören etwa die Versprechen, die US-Unterstützung für die Ukraine komplett einzustellen und jedenfalls den russischen Angriffskrieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Mittlerweile ist von ersterem keine Rede mehr, und bei letzterem werden aus Trump-Kreisen Zeiträume von 100 Tagen bis sechs Monaten genannt. Was angesichts der Situation immer noch sportlich ist, aber zumindest im Bereich des Möglichen scheint.

Verteidigungsausgaben der NATO-Länder als Anteil des Bruttoinlandprodukts 2024 (geschätzt).
Verteidigungsausgaben der NATO-Länder als Anteil des Bruttoinlandprodukts 2024 (geschätzt). (Grafik: NATO)

Für die fortgesetzte Einbindung der USA in die Rettung der Ukraine sowie die NATO insgesamt machen die Europäer bei diesem Kabuki-Theater sicherlich gerne mit und weisen die Fünf-Prozent-Forderung öffentlichkeitswirksam zurück – mit Ausnahme von Partnern wie Polen, das ohnehin auf diese Marke zusteuert. Nicht ausgeschlossen, dass auch Trumps noch wildere Aussagen zu amerikanischen Ansprüchen auf Grönland, Kanada und den Panamakanal Teil derselben Show sind, während abseits der Bühne Realpolitik stattfindet. Das käme übrigens nicht nur seiner eigenen Darstellung gegenüber dem heimischen Publikum zugute. Auch die europäische Politik könnte sich nach Einigung auf ein Ziel von 3,5 Prozent bei den Verteidigungsausgaben gegenüber der Wählerschaft als standhafte Verteidiger präsentieren, die den überzogenen Forderungen des US-Präsidenten nach mehr nicht nachgegeben haben.

Robert Habeck hat diese natürlich ebenfalls pflichtschuldig zurückgewiesen. Wenn es aber am Ende tatsächlich 3,5 Prozent werden, kann er darauf hinweisen, dass er das ja schon lange gesagt hat. Dass die Festlegung auf starre Zahlen bei den Verteidigungsausgaben nicht unbedingt die wahren Beiträge zur gemeinsamen Sicherheit wiedergibt, bleibt davon unberührt. Gerade Deutschland hat allerdings nicht nur ein Geld-, sondern nach wie vor auch ein Effektivitätsproblem bei den aufgewandten Mitteln. Vielleicht sollte politisches Kapital also statt auf die Debatte über Prozentzahlen eher darauf verwandt werden, den Dschungel aus Bürokratie und Selbstbeschränkungen bei Beschaffung und Einsatz weiter zu lichten. Das könnte man auch mal als Wahlkampfthema versuchen.

Stefan Axel Boes

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