„Weiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik – Bilanz der Neuausrichtung der Bundeswehr“ war das Thema, zu dem Herr MdB Michael Groschek in Zusammenarbeit mit der Karl-Theodor-Molinari- Stiftung am 10. März auf den Petersberg bei Bonn eingeladen hatte. Rund 430 Gäste aus Politik, Bundeswehr und Wirtschaft waren gekommen.
Zur Perspektive einer Europäischen Armee und Wehrindustrie gibt es letztlich keine vernünftige Alternative, postulierte eingangs MdB Michael Groschek, seit 2009 Mitglied im Verteidigungsausschuss. Wie kommen wir von den vielfältigen politischen Proklamationen zu den großen Schritten im Alltag?
Das Credo der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands formulierte ihr Vorsitzender, MdB Siegmar Gabriel: „Deutschland ist bereit, auch unter Änderung seines Grundgesetzes, für die Realisierung einer handlungsfähigen gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit verbunden des Fernziels einer Europäischen Armee einzutreten.“ Nur solch starker politischer Impuls könne die derzeitige Stagnation, die Trends zur Renationalisierung, die drohende Marginalisierung Europas im internationalen Konzert, überwinden. Jetzt sei die Chance zur strategisch fundierten Neuausrichtung europäischer Streitkräfte und zur Erfüllung notwendiger Sparvorgaben. Projektinitiativen und -ausbau, wie „Pooling & Sharing“ militärischer Fähigkeiten und Abstimmung von Rüstungsprojekten, auch und gerade durch Vorreitergruppen, wie z.B. nach der Formel „Weimarer Dreieck plus 1“, seien die richtigen Schritte.
Für Diskussionsimpulse war auf dem Podium viel Kompetenz präsent:
Der Staatssekretär im BMVg Rüdiger Wolf unterstrich die Fortschritte, u.a. die deutsch-schwedische Gent-Initiative und die Smart Defence Initiative der NATO, und erläuterte zugleich die notwendigen Voraussetzungen seitens der Staaten:Transfer von Souveränität, gegenseitiges Vertrauen, bedingungslose Bereitstellung von Fähigkeiten.
Franz Borkenhagen, ehemals Leiter des Planungsstabes im BMVg, vertiefte die Problematik von Souveränitätsabgaben: Dies verlange, ewa bei der Entscheidung zum Kriseneinsatz mit Streitkräften allseitige Mitwirkung, selbst im Falle von nationaler Interessenlagen, die gegen die eigene Überzeugung stehen. Gemeinsamkeit in der Bedrohungsanalyse, Verteidigungspolitischen Richtlinie und Verteidigungskonzeption sei für Europa zwingend.
Die militärische Dimension, um die es dabei geht, beleuchtete General a.D. Egon Ramms, ehemaliger Befehlshaber des Allied Joint Force Command, mit der Frage: Welche Fähigkeitslücke müssen wir überhaupt schließen, wenn die USA ihren strategischen Schwerpunkt auf den pazifisch-asiatischen Raum verlegen – wie Präsident Obama erklärt hat. Wenn Europa politisches Gewicht haben will, müssen wir uns zusammenschließen.
Den zweiten Teil der Gespräche eröffnete der Generalinspekteur, General Volker Wieker, mit dem Sachstand der Neuausrichtung der Bundeswehr. Er betonte die Orientierung des Reformprozesses an den bündnispolitischen Verpflichtungen Deutschlands in NATO und EU, von Air Policing über EU Battle Groups bis NATO Response Force. Beim Identifizieren und Schließen militärischer Fähigkeitslücken, ob „Pooling & Sharing“ oder „Smart Defence“, komme es zukünftig besonders auf den Gleichklang der bündnispolitischen und nationalpolitischen Initiativen und Projekte an. Seine Zwischenbilanz: „Auf militärischer Seite mangelt es weder an der Bereitschaft noch an der Entschlossenheit zur Kooperation“.
Sodann informierte der Abteilungsleiter Rüstung im BMVg, Ministerialdirektor Detlef Selhausen, über das neue, einheitliche Ausrüstungs-, Beschaffungs- und Nutzungsmanagement, das ab 2013 Anwendung findet. Optimierung des bisherigen Rüstungsprozesses, des Customer Product Management (CPM), u.a. durch Reduzierung von Schnittstellen, d.h. ministerieller Mitzeichnungen, mittels eines Systems von „Checks and Balances“, ist das Ziel. Mit Blick auf die europäische Rüstungspolitik sei mit der European Defence Agency (EDA), gerade in ihrer Funktion zur Definition gemeinsamer militärischer Fähigkeiten, ein wichtiger Schritt getan.
Impulsgebend war hierzu die abgeklärte Sichtweise von Staatssekretär a.D. Georg Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Der Konsens zur Schaffung eines europäischen Rüstungsmarktes sowie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger industrieller Schlüsselkompetenzen sei unumgänglich, wenn auch wegen nationalstaatlicher Besonderheiten äußerst schwierig.
Das Thema der Neuausrichtung der Bunderswehr fand eine Abrundung durch den Bundesvorsitzenden des Deutschen BundeswehrVerbandes, Oberst Ulrich Kirsch, der u.a. die Bedeutung der Stationierungsentscheidungen und des Personalumbaus, vor allem aus der Sicht der Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Beschäftigten, hervorhob. Beim Herzstück der Reform in diesem Bereich, dem vorliegenden Entwurf des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes, konstatierte er allerdings Verbesserungsbedarf.
Die abschließende Betrachtung der 8. Petersberger Gespräche zur Sicherheit ergibt für mich: Thema, Zeitpunkt, Ort und Experten waren trefflich gewählt.
Autor: Oberst a.D. Rainer Senger
Fotos: Karl-Theodor-Molinari-Stiftung