Rahmenbedingungen und Konzepte – Systeme und Projekte – Gegenwart und Zukunft
Die sicherheitspolitische und strategische Lage der Bundesrepublik Deutschland hat sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Die Gegebenheiten der letzten Jahre sowie die aktuellen Herausforderungen und Rahmenbedingungen aufgrund des Einmarschs Russlands in die Ukraine bedingen erneut einen radikalen Änderungsprozess in der Denk- und Handlungsweise (Zeitenwende).
Der Fokus hat sich wieder auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung in Europa verschoben, die seit Ende der 1980er-Jahre – manifestiert durch politische Strategien und Vorgaben, aber auch durch kontinuierlich abnehmende Haushaltslinien – eine eher nachgeordnete Rolle gespielt hat. Die aus Auslandseinsätzen und wechselnden Randbedingungen gelernten Lektionen sind dabei entscheidend. Denn mit den neuen aktuellen Realitäten verschiebt sich auch der Fokus in der Betrachtung der Unterbringung im Einsatz (UiE) weg von einer länger- und langfristigen Unterbringung hin zu schnell, flexibel, skaliert und disloziert einsetzbaren und vergleichsweise einfachen Unterbringungsformen, wenngleich weiterhin mit einer guten Komfortausprägung. Somit steht mittlerweile anstatt der stationären Unterbringung die bewegliche im besonderen Fokus, was nicht bedeutet, dass man die stationäre, insbesondere die schnell verlegbare, vernachlässigen darf.
Unterbringung im Einsatz als bundeswehrgemeinsame Aufgabe
Das Konzept unterscheidet national grundsätzlich zwischen den beiden Unterbringungsarten „Bewegliche Unterbringung“ im Einsatz und „Stationäre Unterbringung“ im Einsatz; letztere wird unter anderem weiter untergliedert in die Ausprägungen Feldlager und Einsatzinfrastruktur. Auf NATO-Ebene existieren vergleichbare Einteilungen.
Doch was unterscheidet diese Begriffe voneinander? In Anfangsoperationen sowie während beweglich geführten Operationen sind die eingesetzten Kräfte auf bewegliche Unterbringung unter feldmäßigen Bedingungen angewiesen.
Es handelt sich um eine
- kurzfristige,
- zeitlich begrenzte,
- oft dezentrale Lösung,
- die eigenverantwortlich durch die Truppe mit eigenen Mitteln und Kräften sichergestellt werden muss.
- Sie erfolgt grundsätzlich ohne eine Abstützung auf stationäre Unterbringungskapazitäten und soll nicht länger als 60 Tage andauern. S
Sie kann abhängig vom Einsatzszenario in der Realität auch länger, an unterschiedlichen Orten im Einsatzgebiet und auch parallel zur bestehenden stationären Unterbringung erfolgen.
Nach NATO-Standard entspricht dies in etwa der Ebene 1 (Tier 1). Die rüstungsseitige Entwicklung, Beschaffung, Einführung sowie Nutzungssteuerung dieses Materials erfolgt grundsätzlich zentral durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Die stationäre Unterbringung stellt insbesondere bei Stabilisierungsoperationen und internationalem Krisenmanagement den Regelfall der Unterbringung dar. Hier ist generell eine weitgehend zentrale, dauerhafte Unterbringung angedacht.
Ein Feldlager wird in der Regel durch die Spezialpioniere der Streitkräftebasis mit eigenem Material der Zentrallogistik aufgebaut, betrieben und wieder abgebaut. Sowohl Personal als auch Material sollen frühestmöglich, spätestens jedoch nach 18 Monaten durch eine Folgelösung der stationären Unterbringung herausgelöst werden, damit diese der Streitkräftebasis als schnelle und robuste Handlungsoption für weitere Einsätze wieder zur Verfügung stehen.
Nach NATO-Standard entspricht dies in etwa der Ebene 2 (Tier 2). Entwicklung, Beschaffung, Einführung und Nutzungssteuerung dieses Materials erfolgen ebenfalls zentral durch das BAAINBw. Folgelösung der stationären Unterbringung im Einsatz im Feldlager kann die stationäre Unterbringung in einer Einsatzinfrastruktur sein. Zuständig für die gesamte Leistungserbringung (Aufbau, Abbau, Transport und Betrieb) ist grundsätzlich das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw). Dabei sind neben klassischen Bauverfahren gemäß Einsatzinfrastrukturverfahren auch Dienstleistungsverträge mit gewerblichen Dritten u. a. als Full-Service-Leistung im Rahmen Contractor Support to Operations (CSOCamp) möglich. Nach NATO-Standard entspricht dies der Ebene 3 bis 4 (Tier 3 bis 4). Des Weiteren kann die Unterbringung im Einsatz auch über Host Nation Support (HNS) oder durch multinationale Partner erfolgen.
Trotz dieser hierarchischen Konzeptionierung hinsichtlich Unterbringungsart, -form und -zuständigkeit treten in der Praxis Mischformen auf bzw. werden einzelne Ebenen auch direkt übersprungen. Die Entscheidung hierzu obliegt dem Bundesministerium der Verteidigung, das auf Basis der Empfehlungen der Projektgruppe Unterbringung im Einsatz entscheidet. Die Projektgruppe ist für die umfassende Koordination und Steuerung der Unterbringung im Einsatz in engem Zusammenwirken der zuständigen Bedarfsträger und Bedarfsdecker verantwortlich und erstellt bereits mit der ersten Anforderung zur Unterbringung einen Entscheidungsvorschlag. Den Vorsitz in der Projektgruppe haben gleichberechtigt das Einsatzführungskommando, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr und das Kommando Streitkräftebasis. Ständige Mitglieder dieses bundeswehrgemeinsamen Ansatzes sind zudem das Logistikkommando der Bundeswehr und das BAAINBw. Das Kommando Informationstechnik der Bundeswehr und das Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr sowie weitere Organisationsbereiche (z. B. Zentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr) nehmen bei Bedarf fallbezogen teil.