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Die Zukunft der Luftwaffe – FCAS

Die Vernetzung von Altsystemen und neuen Systemen wie der F-35 bleibt ein ständiger Schwerpunkt in der Vision von FCAS. (Foto © Bw)
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Die zunehmende Komplexität zukünftiger Bedrohungen erfordert die Weiterentwicklung konzeptioneller und technologischer Ansätze, um langfristig die militärische Handlungsfähigkeit gewährleisten und nationale Sicherheitsinteressen durchsetzen zu können. Insbesondere im Bereich fliegender Waffensysteme können die daraus erwachsenden technologischen Herausforderungen kaum mehr durch ein Land im Alleingang gelöst werden. Enge Partnerschaft und Zusammenarbeit gerade in Europa sind daher unabdingbar. Der Erfolg im zukünftigen Kampf hängt in hohem Maße von der inhärenten Stärke eines vernetzten, multinationalen Netzwerks ab. Unsere Zusammenarbeit mit Verbündeten, Freunden und Partnern muss zu einer tieferen Integration von Sensoren und Systemen führen, die über technische Interoperabilität hinausgeht, alles basierend auf gemeinsamen und vereinbarten Standards.

Integration wird jede Plattform in einen Netzknoten verwandeln, und jeder Sensor wird dazu beitragen, bessere und kohärentere Informationen schneller zu liefern. Für die gesamte Entscheidungsgeschwindigkeit der NATO ist multinationale Zusammenarbeit die Grundlage der Interoperabilität, insbesondere zwischen Altsystemen und Systemen der neuen Generation, ein kritischer Eckpfeiler für reaktionsfähige und glaubwürdige NATO-Luftmacht. Das Ziel ist es, die effektive Integration einer Flotte der vierten Generation in eine Umgebung der fünften Generation zu ermöglichen.

FCAS – Die Luftwaffe als Vorreiter zur Realisierung von Joint All Domain Operations

 Die Weiterentwicklung im Bereich digitaler Strukturen und die globale Vernetzung schreiten aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten mit exponentieller Dynamik voran. Aus der angestrebten vollständigen Digitalisierung von Plattformen, Sensoren und Effektoren resultieren Datenmengen bislang ungekannten Ausmaßes, die als Grundlage für menschliche Entscheidungen, abgestützt auf Künstlicher Intelligenz (KI), automatisiert ausgewertet und fusioniert werden können. Hieraus erwächst die Möglichkeit, echtzeitnah Effekte der Dimensionen Luft-, Welt- und Cyberraum, See sowie Land zu verknüpfen und damit eine wesentliche Voraussetzung für sogenannte Joint All Domain Operations (JADO) zu schaffen. JADO beschreibt den konzeptionellen Ansatz, gegnerische Kräfte über mehrere Dimensionen aus einer Koalition hinweg echtzeitnah mit synchronisierten Effekten zu konfrontieren und infolgedessen in ein Priorisierungsdilemma zu zwingen. In der Folge werden klassische Operationspläne an ihre Leistungsgrenzen geführt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch potenzielle Gegner diesen Ansatz verfolgen werden, womit JADO zugleich Chance und Herausforderung ist, die es schneller und effektiver als der Gegner zum Einsatz zu bringen gilt.

Der Übergang von einem theoretischen System-of-Systems-Konzept zu echten Joint All Domain oder Multi-Domain Operations einschließlich des dazugehörigen Command & Control (C2) ist komplex, aber notwendig. Diese Transformation wird verändern, wie wir Systeme konstruieren und beschaffen. Wir zielen nicht mehr darauf ab, einzelne Flugzeuge zu entwickeln, die alle Bedürfnisse erfüllen, sondern vielmehr auf eine Werkzeugkiste von Systemen. Ziel ist es, mithilfe dieser Toolbox Luftmacht die Effekte zu erzielen, die wir benötigen – domänenübergreifend und schneller als unsere Gegner. Sicher müssen wir dabei nicht nur den technologischen Fortschritt fördern, sondern auch einen kognitiven Vorteil gegenüber unseren Gegnern erlangen. In unserer zukünftigen Einsatzrealität wird ein einzelner Pilot nicht in der Lage sein, die Komplexität eines Multi-Domain-Missionssatzes allein zu bewältigen. Wir müssen die Chancen von Künstlicher Intelligenz nutzen, um uns durch immer komplexere Netze von Ursache und Wirkung zu navigieren – KI anzupassen, um zu assistieren, zu interpretieren und Luftoperationen zu orchestrieren. Jedoch sollte das Ausmaß der KI-Nutzung auch von ethischen Überlegungen geleitet werden.

Wir müssen Grenzen und Einschränkungen definieren, während wir die Möglichkeiten der KI erkunden und das richtige Gleichgewicht zwischen Kontrolle, Autonomie und Verantwortung finden. Geschwindigkeit ist der Schlüssel zur Luftmacht. Weite Entfernungen abzudecken und sich schnell als Team zu vereinen, ist wesentlich. Luftstreitkräfte sind prädestiniert, Kräfte der ersten Stunden und Tage zu sein. Aber es geht nicht nur um die Geschwindigkeit unserer Flugzeuge. Die Geschwindigkeit im Denken und im Entscheiden ist der Schlüsselfaktor vieler unserer Operationen. Agilität bei der Entscheidungsfindung im Cockpit gilt es dabei aufrechtzuerhalten, um somit unserem Gegner Multi-Domain-Operationen in Hochgeschwindigkeit aufzuzwingen und so gegnerische militärische Entscheidungsträger nicht nur technologisch, sondern auch kognitiv zu überfordern.

Mit Waffensystemen der fünften Generation, welche geringe Sichtbarkeit mit passiver Zielerkennung und gemeinsamer Sensorfusion kombinieren, halten wir derzeit die Möglichkeit der Initiative und der Dominanz im Einsatzumfeld aufrecht. Mit unseren FCAS-Ambitionen (Future Combat Air System) blicken wir aber bereits über reine Plattformüberlegungen hinaus. Zukünftige Luftkriegssysteme der sechsten Generation werden die genannten Eigenschaften (Tarnung, Sensorfusion und fortschrittliche kinetische und nichtkinetische Effektoren) weiter vorantreiben. Dies wird durch Kollaboration von bemannten mit unbemannten Systemen erreicht, deren Vernetzung den Einsatzwert steigert und in überlegener Kampfkraft resultiert. Aber selbst in einer Umgebung, in der jedes System vernetzt ist, bleibt Geschwindigkeit ein kritischer Faktor. Um Entscheidungen schnell innerhalb eines A2AD-Szenarios (Anti-Access/ Area Denial) treffen zu können, müssen zukünftige Kommando- und Führungsstrukturen überdacht – und möglicherweise neu gestaltet werden. Möglichkeiten der Vernetzung von Altsystemen und neuen Systemen wie der F-35 bleibt ein ständiger Schwerpunkt in unserer Vision von FCAS und gewährleistet die Wirksamkeit unserer System-of-Systems-Architektur und erzeugt gleichzeitig die kritische Masse, welche für zukünftige, groß angelegte Konflikte erforderlich sein wird. Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz und umfassenden Datenclouds wirft herausfordernde Fragen auf, sowohl technologisch als auch ethisch. Eine grundlegende Frage wird immer dominieren: Wie kann Künstliche Intelligenz innerhalb eines System of Systems koexistieren, während menschliche Entscheider die Kontrolle behalten?

Fazit

Auf diese Vielfalt an neuen Herausforderungen und der Komplexität des zukünftigen Gefechtsfeldes gibt es noch nicht alle benötigten Antworten. Aber die richtigen Fragen zu stellen, ist immer der Anfang, um notwendige Entwicklungen zu identifizieren und sich zeitnah anpassen zu können. Das Denken in vernetzten Strukturen ist dabei eine Lehre, die die Luftwaffe bereits verinnerlicht hat – es liegt quasi in der DNA von Luftstreitkräften. Stovepipe-Denken zu vermeiden, kann durch Delegation der Kontrolle auf die niedrigstmögliche Ebene so häufig wie nötig und möglich erreicht werden. Das ist der Schlüssel zur Agilität.

Die Relevanz der Dimension Luft- und Weltraum wird durch die sich bereits heute abzeichnenden Bedrohungspotenziale deutlicher denn je. Diese werden in Zukunft nur noch durch die Anwendung hochflexibler Einsatzkonzepte wie Joint All Domain Operations erfolgreich adressiert werden können. Als technologische Basis hierfür bildet das FCAS, ausgehend von einem System-of-Systems-Ansatz, den zukünftigen Verbund von Luftkriegsmitteln, in dessen Zentrum das Next Generation Weapon System (NGWS) auch in den anspruchsvollsten Szenarien die Siegfähigkeit gegenüber möglichen ebenbürtigen Gegnern gewährleistet.

Mit ihrem Beitrag aus operativer Perspektive zur Entwicklung des NGWS stellt die Luftwaffe bereits heute die Weichen für dieses unverzichtbare Kernelement des FCAS. Zugleich werden Entwicklungen bestehender bzw. in naher Zukunft zu beschaffender Waffensysteme konzeptionell mit den Anforderungen an die Luftwaffe der Zukunft harmonisiert. Langfristiges Ziel bleibt jedoch ein Kommunikations- und Wirkverbund im Rahmen von JADO über Dimensionsgrenzen hinweg, um politischen und militärischen Entscheidungsträgern jederzeit die bestgeeignetsten Effekte bereitstellen zu können. FCAS ist somit ein elementarer Baustein, um die europäische Verteidigungsfähigkeit zu stärken und künftigen Herausforderungen flexibel begegnen zu können. Die gemeinsamen Arbeiten am trinationalen Projekt „Next Generation Weapon System“ sind ein Bekenntnis zur europäischen Zusammenarbeit, Partnerschaft und Souveränität.

Oberstleutnant Mirko Möhle ist Referent FCAS / NGWS im Kommando Luftwaffe.

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