HENSOLDT-Sensoren sind integraler Bestandteil zahlreicher Programme, betont Christina Canitz. Seit Februar ist sie Leiterin der Division Optronics und Geschäftsführerin der HENSOLDT Optronics GmbH. Die freihändige Vergabe sollte Standard werden, um flexibler auf sicherheitsrelevante Anforderungen reagieren zu können.
Sehr geehrte Frau Canitz, herzlich willkommen in Ihrer neuen Rolle! Wie haben Sie die ersten 100 Tage als Head of Division Optronics erlebt?
Vielen Dank! Die ersten Monate waren sehr dynamisch und intensiv. Im persönlichen Kontakt mit den Geschäftsbereichsleitern, vielen Kolleginnen und Kollegen sowie unseren internationalen Partnern und Kunden hat sich ein vertrauensvolles Miteinander entwickelt, das mir den Einstieg erleichtert hat und die Grundlage bildet für zahlreiche strategische Neuerungen, die wir bereits anstoßen.
Welche Produkte und Projekte sind für die Bundeswehr aktuell besonders relevant?
Für den Landbereich statten wir verschiedene Ketten- und Radfahrzeuge mit hochmodernen Optiken aus. Im maritimen Sektor liefern wir Optronikmastsysteme unter anderem für die Uboot-Klassen U212A und U212CD. Darüber hinaus unterstützen wir als HENSOLDT-Gruppe als Logistik- und Integrationspartner Plattformen wie F-35 Lightning, CH-47 Chinook und P-8 Poseidon. Diese Systeme sind essenziell, um die Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte auf hohem Niveau zu halten.

Angesichts nahezu unbegrenzter Mittel – welche operativen Schritte planen Sie als Nächstes?
Wir nutzen die Planungssicherheit, um den bereits begonnenen Ausbau unserer Kapazitäten in Oberkochen und Wetzlar zügig fortzusetzen. Dabei fokussieren wir uns auf die Integration weiterer Fertigungslinien und die Einführung digitaler Workflows. Personalaufbau und Schulungen sind ebenso Teil unserer Maßnahmen, damit wir bei Auftragseingang sofort „Zug um Zug“ skalieren können – ganz ohne Engpässe in Qualität und Lieferzeit. Grundlage sind auch zwei neue Standorte, die uns in Oberkochen und Wetzlar eine zukunftsfähige und skalierbare Basis dafür schaffen.
Welche Beschaffungsbedingungen sind für Sie entscheidend, um schnell zu liefern?
Rahmenverträge mit festgelegten Abnahmemengen und klar geregelten Zahlungsplänen schaffen finanzielle Sicherheit. Politisch brauchen wir eine konsequente „Buy German/Buy European“-Vorgabe und weniger Bürokratie. Die freihändige Vergabe nach § 346 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) muss zu den Standards gehören, damit wir flexibler auf sicherheitsrelevante Anforderungen reagieren können.
Wie läuft der Personalaufbau, und wo finden Sie die benötigten Fachkräfte?
2024 haben wir etwa 1.000 neue Kolleginnen und Kollegen für die gesamte HENSOLDT-Gruppe eingestellt, für 2025 planen wir eine ähnliche Größenordnung. Die Branche profitiert aktuell von vielen Initiativbewerbungen, insbesondere aus der Automobilindustrie, die uns helfen, insbesondere unsere Kompetenzen in der Softwareentwicklung und der Serienfertigung zügig auszubauen. Hier helfen uns auch Kooperationen, beispielsweise mit Bosch und Continental.
Neubau oder Übernahme bestehender Werke – wie lautet Ihre Strategie?
Das kommt immer auf den Einzelfall an. Wenn es wirtschaftlich Sinn ergibt, bietet der Neubau auf der grünen Wiese qualitative Vorteile, wie unser neuer Campus in Oberkochen zeigt. Dort werden wir moderne Arbeitswelten, flexible Produktionsprozesse und eine ideale Infrastruktur nach „New Work“-Prinzipien realisieren. Gleichzeitig prüfen wir weitere strategische Partnerschaften, um kurzfristig auf externe Kapazitäten zugreifen zu können.
Erwarten Sie durch das große Budget mehr Start-ups oder eine Konsolidierung bei den etablierten Unternehmen?
Das hohe Mittelaufkommen lockt eine Vielzahl neuer Player an, darunter Start-ups und branchenfremde Konzerne. Langfristig benötigen wir jedoch eine Konsolidierung – sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfrageseite. Einheitliche Fähigkeitsprofile und Partnerschaftsmodelle, in denen etablierte Firmen und Innovatoren zusammenwirken, sind der Schlüssel, um „Friendly Fire“ zu vermeiden und dafür Synergien zu schaffen. Hier sieht sich HENSOLDT mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung als „Brückenbauer“ zwischen der Welt der etablierten Verteidigungsanbieter und der agilen Welt der Start-ups.
Welche Aufträge aus dem Sondervermögen haben Sie bereits an Land gezogen, und wie ist der Stand der Projekte?
HENSOLDT-Sensoren sind integraler Bestandteil zahlreicher Programme: Wir liefern Radare für die F126 Fregatten, die Luftverteidigung und den Eurofighter, Optiken für Leopard 2 und Puma sowie Subsysteme für F-35, CH-47 und P-8. Insgesamt ergibt sich daraus ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag. Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen Stadien – von Planung über Produktion bis hin zur Auslieferung.

In der Debatte um Drohnen versus klassische Waffensysteme – wie positioniert sich HENSOLDT Optronics?
Drohnen sind zweifellos Gefahr und wichtiges Unterstützungsmittel, doch sie können nicht allein Lufthoheit und Bodensicherung gewährleisten. Wir arbeiten an konvergenten Systemverbünden, in denen Sensorik, Datenfusion und KI eine entscheidende Rolle spielen. Nur so lassen sich drohnenbasierte Aufklärung, Luftabwehrsysteme und klassische Plattformen effektiv kombinieren.
Abschließend: Welche Bedeutung hat die Verteidigungsindustrie für Wirtschaft und Gesellschaft?
Investitionen in die nationale Verteidigungsfähigkeit haben einen doppelten Hebeleffekt. Sie sichern unsere Sicherheit und wirken zugleich als Konjunkturmotor. Jeder Euro, der in „Made in Germany“ investiert wird, fördert nicht nur technologischen Fortschritt, sondern schafft auch nachhaltige Arbeitsplätze und stärkt die industrielle Basis unseres Landes. Wir dürfen nicht vergessen: Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit und Demokratie, und dazu leisten wir in der Verteidigungsindustrie unseren Beitrag.



