Bereit für EU und NATO!
Herr General, gibt es aktuell besondere Herausforderungen, die Sie in Ihrer Verwendung persönlich zurzeit besonders bewegen?
Das Erste, was mich persönlich bewegt, ist die seit dem Februar 2022 anhaltende Situation. Eine, die ich mir als Soldat so habe nie vorstellen wollen. Ich bin 1982 in die Bundeswehr eingetreten und da galt das Motto „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“. Es rührt dann doch schon an der Soldatenseele: Kämpfen zu müssen, kann bittere Realität werden. Und doch müssen wir alles darauf ausrichten, dass es eben nicht dazu kommt. Das Zweite ist meine Aufgabe hier im Eurocorps.
Die NATO und die EU als die leitenden Institutionen für unsere Sicherheit und Verteidigung orientieren sich gerade neu. Operationell arbeitet die NATO an dem „Concept for Deterrence and Defense of the Euro- Atlantic Area“ und die EU an der Umsetzung des „Rapid Deployment Concepts“. In diesem Zusammenhang spielt auch unser Hauptquartier eine Rolle. In meiner Vorverwendung war ich beim Multinationalen Korps Nordost und habe mich sehr konkret mit der Verteidigung der Ostflanke beschäftigt. Es stellte sich dann nicht nur für mich die Frage, was macht denn das Eurocorps? Dieser Herausforderung haben wir uns als Team hier, glaube ich, erfolgreich angenommen. Die Framework Nations des Eurocorps, mithin Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Polen und Spanien, haben gerade die „Vision 26 +“ unterzeichnet, die uns einen klaren Auftrag im Kontext der Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur von NATO und EU gibt. Als einziges Landstreitkräftekommando auf Korpsebene steht das Eurocorps für beide, NATO und EU, zur Verfügung – das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Dabei liegt der Fokus unserer Rolle und Aufgabe auf der Führung von Operationen im Bereich des internationalen Krisenmanagements. Das bedeutet, für die NATO stehen wir als Hauptquartier für das Krisenmanagement außerhalb von Artikel-5-Szenarien, also außerhalb eines Bündnisfalls, bereit.
Für die EU ist das Eurocorps als Force Headquarters auf der operativen Ebene im Rahmen der Rapid Deployment Capacity vorgesehen, wenn unsere Framework Nations die Rahmennationen einer EU Battlegroup sind. Darüber hinaus kann das Eurocorps auch als Force Headquarters zur Verfügung stehen, sollte eine andere Rahmennation dieses nicht stellen können.
Wie sieht es da mit der Qualifizierung aus?
Dazu gibt es die „Vision 26 +“. Dieses Dokument ist durch die Chiefs of Defense der Eurocorps-Rahmennationen gezeichnet, also auf Ebene unseres Generalinspekteurs der Bundeswehr. Dazu gibt es einen Briefwechsel der Rahmennationen mit dem Supreme Allied Commander Europe, also dem SACEUR, und dem Director General des EU Military Staff, die diese Rolle und Aufgaben für das Eurocorps bestätigen. Die Operationalisierung dieser Vision, das heißt, die konkreten Maßnahmen zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des Korps, wird in einem mehrjährigen „Eurocorps Entwicklungsplan“ und jährlichen Führungsweisungen umgesetzt.
Beim Deutschen Heer ist die Führungsfähigkeit eine besondere Herausforderung. Wie steht es darum beim Eurocorps?
Führungsfähigkeit ist immer eine Herausforderung. Da wir zwei unterschiedlichen Institutionen dienen, gibt es bereits rein technisch gesehen Besonderheiten. Denn die Führungs- und Kommunikationssysteme von EU und NATO müssen nach jetzigem Sachstand aufgrund der unterschiedlichen Standards der Sicherheitsklassifizierung getrennt voneinander betrieben werden. Aber Führungsfähigkeit ist ja nicht allein nur Technik, sondern Führungsfähigkeit ist vor allen Dingen auch eine Sache des Mindsets und gemeinsamen Verständnisses zur Umsetzung. Da stehen Wir arbeiten intensiv daran, die technologischen Herausforderungen zu überwinden. So haben wir im Korps eigene Kommunikationsnetzwerke entwickelt. Das wird aber auf Dauer nicht nachhaltig und auch nicht effizient sein. Wir müssen hier im Verbund mit den Nationen, mit der NATO und mit der EU zu anderen Lösungen kommen. Die Entwicklung läuft und ich bin da zuversichtlich, dass wir zu Ergebnissen kommen. Wir sind uns einig, dass es Führungsfähigkeit im Sinne eines gemeinsamen Verständnisses im multinationalen Gefüge des Korps braucht und den Willen, Führungsfähigkeit im Verbund mit den unterschiedlichen Nationen und Institutionen auch technisch zu verbessern.
Dualität ist ein Teil der DNA des Eurocorps, nach dem Motto „A Force for the EU and NATO“. Welche besonderen Herausforderungen bestehen aus diesem Auftrag?
Wir sind das einzige Landstreitkräftekommando, das in dieser Dualität dient. Das betrachte ich als Chance. Ein wesentlicher Aspekt dieser Dualität ist die Frage, wo sich EU und NATO operationell treffen. Und sie treffen sich in der Aufgabe des internationalen Krisenmanagements. In beiden Strategien, sowohl in wir aus meiner Sicht gut da, denn das multinationale Team im Korps und die Rahmennationen sind sich einig, was zu tun ist. der NATO-Strategie 2022 als auch im Strategischen Kompass der EU, ist zum einen die Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen als ein Schwerpunkt gekennzeichnet. Für beide ist das internationale Krisenmanagement ein wichtiger Pfeiler, indem sie handlungsfähig sein wollen. Das verbindet die beiden Institutionen auf einer operationellen Ebene. Das bedeutet eben auch, dass es eine Chance gibt, sich dazu abzustimmen, wie Kräfte bereitgestellt werden können.
Die EU stützt sich auf die Rapid Deployment Capacity, die mit Truppen hinterlegt wird. Das sind die gleichen Kräfte, die zu den Kernkräften gehören, mit denen die NATO plant. Dieses gemeinsame Aufgabenspektrum von NATO und EU und der Kontext gegenseitiger Abstimmung bieten zugleich die Möglichkeit, dass wir eine Brückenfunktion zwischen den beiden Institutionen auf operationeller Ebene abbilden können. Wir haben die Chance, darauf hinzuwirken, dass wir in der Ausbildung für die jeweiligen Aufträge gleiche Standards anlegen und Prozesse angleichen. Wir müssen uns auch genau anschauen, wie wir das Übungsgeschehen synchronisieren, um den Anforderungen an die Truppe gerecht zu werden.
Wie bereits angesprochen, gehört dazu auch die Notwendigkeit zu kompatiblen Kommunikationssystemen. Es muss darum gehen, uns keine Gedanken darüber machen müssen, ob wir gerade einen „EU- oder NATO-Hut“ aufhaben, sondern uns auf unseren Auftrag konzentrieren zu können. Ich glaube, wenn wir das jetzt gemeinsam angehen, können wir da eine ganze Menge bewirken.