Von Stefan Axel Boes
Februar 2023: bei Bauarbeiten in Frankfurt wird ein Glasfaserkabel beschädigt. Ein Baggerfahrer durchtrennt eine Leitung, über die Boardinginformationen der vom Flughafen Frankfurt startenden Flüge der Lufthansa verarbeitet werden. Hunderte Flüge können nicht starten. Nicht startende Flugzeuge belegen Parkpositionen, die für ankommende Flüge benötigt werden. Eine komplexe Kettenreaktion ist in Gang gesetzt, mit Auswirkungen auf die Situation an Flughäfen in anderen Städten und Ländern.
Oktober 2021. Zwei Glasfaserkabel der Deutschen Bahn werden kurz nacheinander durchtrennt – an zwei neuralgischen Stellen, und nicht bei Bauarbeiten! Durch Beschädigung des Zugfunksystems der Deutschen Bahn (GSM-R) wird der Kontakt einer Vermittlungsstelle zu den zwei Hauptstellen in Berlin und Frankfurt unterbrochen – zunächst die Hauptleitung, und vier Stunden später die Ersatzleitung.
Durch den vollständigen Ausfall der Vermittlungsstelle muss aus Sicherheitsgründen der Bahnverkehr in der betroffenen Region unterbrochen werden. Der Zugverkehr in Norddeutschland kommt für Stunden zum Erliegen– auch hier mit erheblichen Auswirkungen auf den Verkehrsträger in ganz Deutschland. Erst drei Stunden nach dem Ausfall der Ersatzleitung war die Kommunikation wieder möglich. Die Folgen waren noch deutlich länger zu spüren.
Schon mit der Flutkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 und spätestens mit der Zeitenwende durch die Ukrainekrise wurde klar, dass Deutschland sich und seine Kritische Infrastruktur (KRITIS) deutlich robuster aufstellen muss, um für die Risiken der Zukunft gewappnet zu sein. Der nordrhein-westfälische Innenminister Heribert Reul hat es auf den Punkt gebracht: „Die Kritische Infrastruktur ist die Achillesferse unserer Gesellschaft“.
Wie sieht es bei der Bundeswehr aus? Auch die Bundeswehr verfügt über ein eigenes Glasfasernetz. Die BWI, der IT-Dienstleister der Bundeswehr, hat hierzu ein rund 14.000 Kilometer langes WAN (Wide Area Network) als Kernnetz am Telekommunikationsmarkt angemietet, das sie als Darkfiber – also eine mit eigener Technik beleuchteten Glasfaser – betreibt. Hieran sind über ein Access-Netz die rund 800 Bundeswehr-Liegenschaften angebunden. 2020 hat das Bundesministerium der Verteidigung den Auftrag erteilt, dieses Weitverkehrsnetz der Bundeswehr (WANBw) zu erneuern.
Nach 2020 ist jedoch ein disruptiver Anstieg der Anforderungen an die Dateninfrastruktur der Bundeswehr erkennbar geworden – sowohl hinsichtlich der Sicherheit und Resilienz als auch hinsichtlich des zu erwartenden Bedarfs an Datentransportkapazität. Neue Waffensysteme wie der Kampfjet F-35, die aufzubauende Flugabwehr gegen ballistische Raketen, der Ausbau und die langfristige Sicherstellung der Aufklärungs- und Führungsfähigkeit oder auch die Dislozierung der Rechenzentren der Bundeswehr führen zu einer Potenzierung des Bedarfs an Datentransportkapazitäten.
Doch welche Alternativen oder Upgrades sind auf Glasfaserebene überhaupt möglich? Dem Ausbau der Glasfaserinfrastruktur ist in Deutschland in den vergangenen Jahren trotz nachdrücklicher Förderbemühungen durch den Bund kein flächendeckender Durchbruch gelungen. Die BWI als Dienstleister der Bundeswehr kann für ihr WAN nur auf den Markt zurückgreifen, auf dem derzeit kaum eine Steigerung der Resilienz auf Infrastrukturebene zu erreichen ist.
Einen neuen und innovativen Ansatz verfolgt die im vergangenen Jahr gegründete Giga Fiber GmbH aus Frankfurt. Sie ist gemeinsam mit der Firma Niedax, dem deutschen Weltmarktführer für Kabelführungssysteme, an den Start gegangen, eine komplett neue WAN-Architektur in Deutschland auf der Basis von Lichtwellenleitern der Firma Corning zu errichten. Eine erste Probestrecke wurde schon im Mai verlegt.
Auf einer Strecke von rund 33.000 Kilometern entlang von Schienen und weiteren Verkehrswegen soll in einer Vielzahl von Ringen ein komplett neues Glasfaserzubringernetz entstehen und damit eine flächendeckende Erschließung bis tief in den ländlichen Raum erreicht werden. Mit dieser Netzstruktur lässt sich eine hohe Vermaschung und in der Konsequenz eine vielfache Redundanz erreichen. Damit einher geht eine hohe Zahl an netzinternen Umschaltknoten, die im Gefahrenfalle eine rasche, automatisierte Umroutung ermöglichen sollen. Ein solches WAN adressiert im Besonderen auch die Resilienzanforderungen der Bundeswehr in der Zeitenwende.
Kombiniert werden soll diese vielfache Ringstruktur mit einer faseroptischen Sensorik, dem Distributed Acoustic Sensing und Distributed Temperature Sensing. Dadurch wird das gesamte Netz zu einem sich durchgängig selbst überwachenden Sensor, der potenzielle Gefahren durch Bauarbeiten, Sabotage oder etwa Waldbrände nicht nur frühzeitig erkennen, sondern auch genau lokalisieren kann. Eine automatisierte Umleitung verhindert dann Ausfälle über Stunden oder länger wie bei dem Beispiel der Deutschen Bahn. Eine Fähigkeit, über die die heutige Glasfaserinfrastruktur nicht verfügt.
Den kompletten Beitrag lesen Sie in HHK 3/2024.