Die Marine besaß zur Zeit des Kalten Krieges bis Anfang der 1990er-Jahre moderne und leistungsfähige Minenabwehrsysteme und galt in der NATO als führend in der Minenabwehr. Mit ca. 60 Einheiten verschiedener Klassen und Typen bildeten die deutschen Minenstreitkräfte damals die größte Minenabwehr-Formation in der NATO. Davon sind heute im 3. Minensuchgeschwader in Kiel nur noch zwölf Einheiten verblieben: zehn Minenjagdboote der „Frankenthal“-Klasse (Typ 332) und zwei umgebaute Boote der „Ensdorf“-Klasse (Typ 352), die aber zur Nachwuchswerbung eingesetzt werden.
Zwischen 1996 und 2016 wurden fünf Minensuchgeschwader außer Dienst gestellt. Die Flottille der Minenstreitkräfte wurde 2016 aufgelöst. Derzeit geht es der Marine um den Fähigkeitserhalt der verbliebenen Minenabwehrsysteme, der u. a. auch angesichts überholter Technologie, dem anstehenden Nutzungsdauerende der Einheiten und vor allem der Neuausrichtung der NATO auf die Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich geworden ist. Dieser Fähigkeitserhalt umfasst derzeit bei den zehn Einheiten die Modernisierung von Teilkomponenten. Der darüber hinausgehende Fähigkeitserhalt, d. h. die Beschaffung von elf neuen Minenabwehreinheiten der nächsten Generation, ist eingeleitet, aber zeitlich noch mit Unsicherheiten verbunden. Bei längerer Verzögerung der Beschaffung wird die Marine den technologischen wie auch den operativen Anschluss an die moderne Seeminenabwehr der NATO verlieren. Das gilt es zu vermeiden, denn Seeminenabwehr zählt zum unverzichtbaren Fähigkeitsprofil der Marine angesichts der angestrebten Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung und dem damit verbundenen Einsatz in der Ostsee.
Bedrohung durch Seeminen
Seeminen sind traditionell hochwirksame Seekriegsmittel. Sie machen Seegebiete unbefahrbar und können ganze Küstenabschnitte, Seestraßen, Meerengen, Hafenzufahrten und Häfen sperren. Seeminen bleiben über viele Jahrzehnte wirksam und funktionsfähig. So werden auch heute noch immer wieder Seeminen aus beiden Weltkriegen, vor allem in der Ostsee, entdeckt. Regelmäßig werden auch in der Nordsee Minen gesprengt. In Nord- und Ostsee liegen noch ca. 1,6 Millionen Tonnen Altmunition (Minen, Torpedos, Bomben, Sprengkörper, Chemie-Munition etc.) aus beiden Weltkriegen auf dem Meeresboden.
Von den Kriegsparteien wurden damals allein in Nord- und Ostsee über 170.000 Minen gelegt. Bei dem seit 1997 laufenden jährlichen Minenabwehr-Manöver „Open Spirit“ in der Ostsee, an dem sich seit 2013 auch der ständige NATO-Minenabwehrverband (Standing NATO Mine Countermeasures Group 1) beteiligt, werden neben Altmunition regelmäßig auch Seeminen entdeckt und gesprengt. Seeminen sind lautlos, unsichtbar, unberechenbar und relativ einfach zu verlegen. Sie können von kleinen Booten, Handelsschiffen, Ubooten, Flugzeugen oder Hubschraubern durch verdecktes Minenlegen heimlich eingesetzt werden.
Daher zählen sie auch zu den asymmetrischen maritimen Bedrohungen. Seeminen bestehen aus Grund- und Ankertauminen. Grundminen (Fernzündungsminen) liegen auf dem Meeresboden. Sie zünden bzw. reagieren auf das Magnetfeld eines Schiffes, auf Schraubengeräusche oder auf den veränderten Wasserdruck beim Überfahren durch ein Schiff. Ankertauminen besitzen meist einen Berührungszünder, können aber auch Fernzündungssysteme haben. Sie werden auf dem Meeresboden in Wassertiefen von fünf bis 300 Meter oder auch tiefer verankert und steigen dann bis knapp unter der Wasseroberfläche auf. Nach dem VIII. Haager Abkommen von 1907 müssen an die Oberfläche aufgetauchte Ankerminen durch einen fest verbauten Mechanismus unscharf werden, damit sie nicht frei im Meer treibend eine unkontrollierte Gefahr im Meer darstellen.
Von Dieter Stockfisch
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