Interview mit Brigadegeneral Marco Eggert, Kommandeur Panzerbrigade 21 „Lipperland“
Herr General, was beschäftigt den Kommandeur der Panzerbrigade 21 zurzeit besonders?
Mich beschäftigt besonders die Einsatzbereitschaft der Brigade im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Daran müssen wir uns messen lassen, und zwar jederzeit. Das heißt für uns konkret, anhand von drei zeitlich gestaffelten Effektlinien: Kurzfristig: Die bestmögliche Sicherstellung der aktuell laufenden Aufträge wie zum Bespiel gute Truppenausbildung, die Gewährleistung einer hochwertigen Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte in Deutschland und die Vorbereitung des Jägerbataillons 1 für den Einsatz als Leitverband für die multinationale Battlegroup in Litauen ab Februar 2026.
Und zwar dann erstmals unter dem Kommando der neuen Panzerbrigade 45. Mittelfristig: Der gezielte weitere Aufbau der Panzerbrigade 21 als erste Brigade der neuen Kräftekategorie der Mittleren Kräfte in all seinen Facetten. Langfristig: Als Brigade im Verständnis eines Innovationstreibers der Mittleren Kräfte mit der 1. Panzerdivision, dem Amt für Heeresentwicklung und dem Kommando Heer einen Beitrag für die künftigen Einsatzgrundsätze, Verfahren und Kampfweisen zu liefern.
Wie hat sich die Rolle der Panzerbrigade 21 seit der „Zeitenwende“, der verstärkten Konzentration auf Landes- und Bündnisverteidigung und dem anhaltenden Krieg in der Ukraine verändert?
Für die Panzerbrigade 21 hat sich alles und das auch ganz grundlegend verändert. Meine Soldatinnen und Soldaten haben als erste noch 2022 ukrainische Kräfte in Wildflecken ausgebildet, zum einen Brigadestäbe, zum anderen aber auch Infanterieverbände. Dazu kam der Einstieg in die Umstrukturierung der gesamten Brigade: von einer schweren Brigade kommend hin zur aufwachsenden ersten Brigade der Mittleren Kräfte. Einhergehend die Verankerung eines entsprechenden Mindsets aller Soldatinnen und Soldaten in der Brigade: einerseits mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung grundsätzlich, aber bei uns im Besonderen für den Aufbau eines Großverbandes des Heeres der Mittleren Kräfte die Schaffung eines entsprechenden Selbstverständnisses und Korpsgeistes. Gerade dafür war der einjährige Auftrag als eVA-Brigade (enhanced Vigilance Activities) in Litauen, den wir vor wenigen Wochen beendet haben, besonders wertvoll. Denn durch den in Litauen stationierten „vorwärtigen Gefechtsstand“ sowie unsere regelmäßigen Übungsvorhaben haben unsere Soldatinnen und Soldaten schon in der initialen Aufstellungsphase die Bedeutung Mittlerer Kräfte erleben können.
Die Brigade hat also bereits einen großen Schritt bei der Entwicklung der neuen Kategorie Mittlere Kräfte gemacht. Welche kommenden Herausforderungen blicken Sie entgegen?
Wir sind im Aufbau der ersten Brigade der Mittleren Kräfte des Heeres klar im Plan. Die Grundlagen sind auf Basis des Konzeptes Mittlere Kräfte des Amtes für Heeresentwicklung anhand verschiedener Vignetten durch Simulationen, Wargamings, Weiterbildungen und Erprobungsdurchgängen im Gefechtsübungszentrum geschaffen. Hinzu kam eine umfangreiche Validierung im Zuge des einjährigen eVA-Auftrages der Brigade in Litauen. Unter anderem Verlegung und Märsche über große Distanzen oder Übungen im freien Gelände. Letzteres zum Beispiel durch das Aufklärungsbataillon 7 in einem deutlich überdehnten Raum.
Die Herstellung der Aufnahmebereitschaft für neue Waffensysteme wie den schweren Waffenträger Infanterie läuft. Die Erprobungen zur Nutzung von unbemannten Systemen und Loitering Munition erfolgt vielversprechend und die Nutzung durch die Truppe wird zum Beispiel im Gefechtsübungszentrum Heer zunehmend handlungssicher. Die erarbeiteten Konzepte des Amtes für Heeresentwicklung und die brigadeinternen „Battlebooks Mittlere Kräfte“ haben sich als valide und tragfähig erwiesen. Das ist für mich ganz entscheidend. Nach der Schaffung dieser Grundlagen ist die Kernherausforderung der weitere planmäßige Zulauf von Gerät. Beispielhaft möchte ich nennen den schweren Waffenträger Infanterie, das neue Mörserkampfsystem, die radbewegliche Haubitze RCH155, unbemannte Systeme, radbewegliche Systeme für die Pioniere sowie – das betrifft natürlich alle Brigaden – alle Systeme im Kontext von Führungsfähigkeit. Und das Ganze natürlich mit Blick auf den Faktor Zeit, denn Zeit ist entscheidend.
Dazu sind auch weitere Strukturmaßnahmen in der Grundgliederung der Brigade erforderlich. Es gilt, die volle Einsatzbereitschaft der Brigade rasch bis 2028 zu erreichen. In dem Verständnis kommt es nun auch darauf an, die erarbeiteten Grundsätze, Verfahren und Kampfweise der Mittleren Kräfte in die lehrgangsgebundene Ausbildung zu verankern und in der Strukturplanung im Sinne praxisgeleiteter Erkenntnisse zu berücksichtigen. Da sind wir in einem sehr engen Austausch mit dem Amt für Heeresentwicklung, dem Ausbildungskommando, der 1. Panzerdivision und dem Kommando Heer.
2023 wurde bekannt gegeben, dass das Artilleriebataillon 215 in Augustdorf aufgestellt wird. Was bedeutet das für Leistungsfähigkeit der Brigadeartillerie?
Die Aufstellung des Artilleriebataillons 215 ist für die Brigade natürlich ein ganz bedeutender Schritt. Das Bataillon ist ein wesentlicher Baustein für unsere Befähigung zum sogenannten abstandswirksamen Kampf. Dieser ist für die Mittleren Kräfte ganz entscheidend, um auch gegen schwere Kräfte zu bestehen, was wir im Übrigen bereits überzeugend nachgewiesen haben. Die neue Radhaubitze RCH155 und neue unbemannte Systeme in der Luft, aber auch am Boden für Aufklärung und Wirkung werden in diesem neuen Verband ein Quantensprung sein