Die Verteidigungsfähigkeit muss im Mittelpunkt stehen!

Betriebsstofftanker „Spessart“ beendet Einsatz in der VJTF (M). Der Betriebsstofftransporter A 1442 „Spessart“ versorgt zwei Schiffe parallel während der Übung „Joint Warrier 23-2“ der Very High Readiness Joint Task Force (Maritime) vor der Nordwestküste von Schottland. (Foto ©Bw)
Betriebsstofftanker „Spessart“ beendet Einsatz in der VJTF (M). Der Betriebsstofftransporter A 1442 „Spessart“ versorgt zwei Schiffe parallel während der Übung „Joint Warrier 23-2“ der Very High Readiness Joint Task Force (Maritime) vor der Nordwestküste von Schottland. (Foto ©Bw)

Herr Admiral, welches aktuelle dienstliche Thema hat für Sie zurzeit besondere Priorität?

Wir leben aktuell in Zeiten vielfältigster Herausforderungen. Lange sicher geglaubte Gewissheiten haben keinen Bestand mehr. Für die Marine und mich als Kommandeur Unterstützung stehen deshalb die folgenden Themen im Vordergrund:

  • Modernisierung der Bestandsflotte mit dem Ziel der Kriegstüchtigkeit bis 2029,
  • Auftrags- und aufgabenorientierte Anpassung der Fähigkeiten Flotte,
  • Erneuerung der Flotte (Zulauf neuer Systeme),
  • Erreichen der Zielstellungen „Kurs Marine“,
  • Gewinnung und Ausbildung von Personal,
  • Anpassung des Instandhaltungs- und logistischen Systems an die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) und
  • Führungsfähigkeit der Flotte.

 

Die Aufgaben der Marine von polizeiähnlichen Missionen über humanitäre Einsätze bis hin zum Seekrieg in mehreren Dimensionen sind sehr vielfältig. Wo liegen zurzeit die besonderen Herausforderungen für die Kräfte und Leistungen der Einsatzunterstützung?

Mit Blick auf die Aufgaben der Marine: nicht „polizeiähnliche Missionen“, sondern „Missionen in der internationalen Krisenbewältigung“, darüber hinaus die Aufgaben der „Deterrence und Defence“ im Rahmen der NATO und die Verteidigungsdiplo matie. Von Seekrieg würde ich daher im Kontext Aufgaben Marine nicht sprechen wollen, auch wenn wir uns im Sinne eines Worst Case genau darauf vorbereiten und ausrichten müssen.

Wesentliche Herausforderung: die Verfügbarkeit von Einheiten für das vorgenannte Aufgabenspektrum. Die NATO erfordert von uns mit dem New Force Model eine weitaus höhere Einsatzbereitschaft eines größeren Teils unserer Flotte. Wie Sie sicherlich wissen, planen wir mit der sogenannten Drittelsystematik: Ein Drittel der Bestandsflotte sollte maximal in Instandsetzung und Modernisierung gebunden sein; die verbleibenden zwei Drittel müssen für Ausbildung und Einsätze, also die vorgenannten Aufgaben und die Einsatzvorbereitung verfügbar sein. Im Moment gelingt dies noch nicht; auch, weil wir mit Hochdruck einen langjährigen Modernisierungsstau abbauen und unsere Fähigkeiten auch einem veränderten Kriegsbild anpassen müssen.

Konteradmiral Christoph Müller-Meinhard (Foto ©Bw)
Konteradmiral Christoph Müller-Meinhard (Foto ©Bw)

Unter der Überschrift „Route 66“ habe ich daher Maßnahmenpakete gebündelt, in denen die Marine zusammen mit den zuständigen Stellen – vor allem dem BAAINBw – intensiv daran arbeitet, diese Verfügbarkeit mittelfristig zu erreichen. Gegenwärtig sind die verfügbaren Kampfeinheiten in höchstem Maße in Einsätzen/Missionen gebunden. Deshalb erfolgt zum Beispiel der Einsatz von weniger kampfstarken Einheiten oder Hilfsschiffen (Hochseeschleppern) bei der Mission „Ägäis“. Dies ist ein Lösungsansatz, um Entlastung zu schaffen. Zur materiellen Einsatzbereitschaft: Unplanmäßig lange Instandhaltungen und dringend notwendige Modernisierungen sowie Fähigkeitsanpassungen, so zum Beispiel das langjährige Vorhaben „Sicherstellen der Einsatzverfügbarkeit F123“, entziehen der Flotte einsatzbereite Schiffe. Während Modernisierung und Fähigkeitsanpassungen eine unabdingbare Notwendigkeit sind, die natürlich auch im geplanten Zeitrahmen erfolgen sollten, ist die Verbesserung der Termintreue in der Instandhaltung ein wesentliches Handlungsfeld, auf das wir uns gemeinsam mit dem Marinearsenal des Organisationsbereiches Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung, unserem Dienstleister für die Instandhaltung der Marineeinheiten, gegenwärtig konzentrieren.

Um im konzeptionellen Bereich dieses Gesamtkomplexes besser zu werden, haben wir seit dem 1. April 2025 eine Bündelung der Verantwortung der Weiterentwicklung von der Idee (Initiative) über die Realisierung bis hin zur Nutzung in Bezug auf die Waffensysteme in der neuen Abteilung (Unterstützung) des Marinekommandos vorgenommen. Dies ist einmalig in der Bundeswehr. Ein weiteres Handlungsfeld ist die Beschaffung von ausreichend Hochwertmunition. Hier haben wir unsere Bedarfe an den Bedingungen für Landes- und Bündnisverteidigung aktualisiert und werden dies in die streitkräftegemeinsame Beschaffungsplanung einbringen. Außerdem werden wir künftig laufende Ergänzungsbeschaffungen durch das BAAINBw enger begleiten.

Welche Maßnahmen der Einsatzunterstützung sind zur weiteren Steigerung der „vollen Gefechtsbereitschaft“ aus Ihrer Sicht zielführend?

Wie bereits angesprochen, adressieren wir das Handlungsfeld unter der großen Überschrift „Route 66“. Dies ist eine komplexe Frage, zu der keine einfachen Lösungen oder große Hebel existieren, sondern eine Vielzahl von Stellschrauben. Die Marine hat gerade in der Frage der Instandsetzung mit Blick auf die zielführenden Stellschrauben eine langjährige Analyse betrieben und weiß genau, welche Aktion einen zielführenden Ansatzpunkt verspricht.

Wir sind hier im täglichen Dialog mit dem Marinearsenal als Instandhaltungsdienstleister der Marine. Im Handlungsfeld Modernisierung und Fähigkeitsanpassungen sind wir wesentlich enger mit dem BAAINBw zusammengerückt, haben neue Arbeitsgruppen gebildet und uns so auch – wo immer rechtlich möglich – von konventionellen starren Prozessstrukturen verabschiedet. Das entbindet uns natürlich nicht von der Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Vorgaben in Haushalt und Beschaffung, aber der intensivierte Dialog mit dem BAAINBw als entscheidendem Stakeholder hat das gemeinsame Zielerreichungsverständnis enorm gefördert und zeigt bereits erkennbare Ergebnisse in einer optimierten Verfügbarkeitsplanung. Das bedeutet eine angemessene Berücksichtigung des militärischen Bedarfs bei Planung und Vorbereitung der Instandhaltung sowie der Modernisierungsvorhaben durch BAAINBw und Marinearsenal.

Es kommt nun darauf an, diese Planungen in der Praxis umzusetzen; das heißt, eine Ausrichtung der Modernisierung, Wartung und Instandsetzung unseres Materials auf die Steigerung der operativen Verfügbarkeit und angemessene militärische Fähigkeiten in der Maßnahmendurchführung. Das Ziel ist eine Einsatzbereitschaft von mindestens 66 Prozent („Route 66“). Aber wir müssen berücksichtigen, dass unsere Flotte, gemessen am zivilen Straßenverkehr, schon zu großen Teilen mit einem „H-Kennzeichen“ betrieben wird und „Oldtimer“ brauchen mehr „Zuwendung und Pflege“. Schwerpunkt ist jetzt zur Umsetzung dieser planerischen Optimierungen die Erarbeitung von Beiträgen zur Verbesserung und Beschleunigung von Instandhaltungsvorhaben, auch in Abstimmung mit dem BAAINBw.

Wir werden zusätzlich auch unsere bereits 2022 formulierten strategischen Bedarfe an Instandhaltung in der Landes- und Bündnisverteidigung aktualisieren und nach der Aufstellung des Marinearsenal- Betriebes Warnowerft Rostock und der begonnenen Ertüchtigung des Marinearsenals im Hinblick auf Kriegstüchtigkeit gemeinsam mit dem BAAINBw die maritime Industrie in eine entsprechende Risikovorsorge einbinden.

Die Leistungsfähigkeit der Industrieseite durch Termin- und Budgettreue sowie Qualität sind entscheidende Faktoren zur gemeinsamen Zielerreichung.

Interview mit Konteradmiral Christoph Müller-Meinhard, Kommandeur Unterstützung und Abteilungsleiter Einsatzunterstützung im Marinekommando

Den komplette Interview lesen Sie in Ausgabe 3/25 des HHK!

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