Kriegstüchtigkeit: Vollausstattung muss realisiert werden, auch für die nichtaktiven Truppenteile!
Herr General, was fordert den General der Pioniertruppe und Kommandeur der Pionierschule dienstlich zurzeit besonders?
Als Schulkommandeur ist es meine ständige Aufgabe, die Lehrgangsinhalte zu überprüfen – zu schauen, wo wir Redundanzen haben, auch mit Blick auf andere Lehrgänge oder andere Ausbildungseinrichtungen. Falls erforderlich, versuchen wir – auch vor dem Hintergrund Landes- und Bündnisverteidigung – eine gewisse Straffung herbeizuführen. Wobei ich immer sage, dass Straffung und eingesparte Lehrgangsinhalte nicht dazu führen dürfen, dass die Lehrgänge einfach nur kürzer werden, sondern dass das Eingesparte in die wichtigen, oftmals zu kurz kommenden Inhalte reinvestiert werden sollte.
Als General der Truppengattung bin ich nicht unmittelbar verantwortlich für die Weiterentwicklung. Aber natürlich habe ich Möglichkeiten, einzuwirken und zu beeinflussen. Da haben wir im Augenblick ganz stark die Ausprägung des Zielbildes vor Augen. Im Amt für Heeresentwicklung wird nahezu permanent daran gearbeitet, bei schrumpfenden Zahlen in ausreichendem Maße Fähigkeiten zur Pionierunterstützung im Gefecht der verbundenen Waffen bereitzustellen. Und dann haben wir natürlich als Pioniere in bestimmten Bereichen durchaus auch Material und Fahrzeuge, die nach und nach das Nutzungsdauerende erreichen werden.
Auftrag der Pioniere ist es, die Beweglichkeit und Durchhaltefähigkeit der eigenen Truppe zu fördern sowie die Beweglichkeit gegnerischer Truppen zu hemmen. Reichen Kräfte, Material und Ausbildung mit Blick auf Landes- und Bündnisverteidigung hierzu aus? Gibt es Nachsteuerungsbedarf?
Die notwendigen Projekte sind konzeptionell angeschoben. Jetzt geht es um den Beschaffungsprozess Nichtsund um die tatsächliche Einführung dieser Geräte. Um ein Beispiel zu nennen: Der Pionierpanzer Dachs hat in Kürze definitiv sein Nutzungsdauerende erreicht. Wir brauchen dementsprechend mit dem Kodiak zeitnah das beschlossene Nachfolgesystem in ausreichender Anzahl. Und so gibt es auch verschiedene andere Fähigkeitslücken, die perspektivisch auftauchen könnten, falls Nachfolgelösungen nicht zeitgerecht eingeführt werden. Ein Themenkomplex, der uns in diesem Zusammenhang ebenfalls umtreibt, ist alles, was mit dem Operationsplan Deutschland zu tun hat. Und als Teilmenge davon die Drehscheibe Deutschland, die ohne Pioniere und Military Engineering schwer zu drehen sein wird.
Das Deutsche Heer wird seit circa zwei Jahren auf Landes- und Bündnisverteidigung umgestaltet. Wie weit ist Ihr Verantwortungsbereich?
Für die Pioniertruppe kann ich erfreulicherweise feststellen, dass wir auch in den etwa zweieinhalb Dekaden, in denen wir vorrangig internationales Krisenmanagement betrieben haben, die vier Hauptaufgaben, die uns als Pioniere ausmachen, mit den dazugehörigen Fähigkeiten nie vollumfänglich aufgegeben haben. Die Refokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung bedeutet daher für uns in erster Linie eine Schwerpunktverschiebung und Rebalancierung unserer Fähigkeiten mit Blick auf die Wertigkeit der Hauptaufgaben hinsichtlich der Anforderungen Landes- und Bündnisverteidigung.
Die Pionierkräfte der Bundeswehr verfügen – auch nach Erkenntnissen im Ukrainekrieg – in den Kernaufgaben (Minen-)Sperren, Räumen von Minen und Überwinden von Gewässerhindernissen im Wesentlichen über in die Jahre gekommene Systeme und mit sicherlich nicht ausreichenden Kapazitäten. Wie sind Ihre Planungen und welche Zeitbedarfe sehen Sie hier?
Die Fähigkeit, Sperren anzulegen, ist ein gutes Beispiel für das, was ich gerade sagte. In Zeiten, zu denen internationales Krisenmanagement im Mittelpunkt militärischen Handelns und Denkens stand, war diese Fähigkeit wenig gefragt. Nichtsdestotrotz haben wir diese grundsätzlich aufrechterhalten –vor allem das taktische Denken „Kampf mit Sperren“. Früher verfügten wir über das Minenverlegesystem 85 und den Minenwerfer Skorpion. Der Skorpion ist im Rahmen der Fokussierung auf internationales Krisenmanagement jedoch ebenso wie der Minenverleger aus der Nutzung gegangen. Allerdings konnte der Minenverleger nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahre 2014 umgehend wieder reaktiviert werden – der Skorpion leider nicht.
Derzeit werden Untersuchungen im Amt für Heeresentwicklung angestellt, der Pioniertruppe und damit dem Deutschen Heer im Sinne des Gefechts der verbundenen Waffen wieder eine schnelle, lagebezogene Sperrfähigkeit in Form eines Minenwerfers zur Verfügung zu stellen. Für die Aufgabe „Öffnen von Minensperren“ verfügen wir noch über den Minenräumpanzer Keiler, welcher jedoch altersbedingt nun auch absehbar an sein Nutzungsdauerende gelangt. Es bedarf daher eher heute als morgen einer Neubeschaffung eines Nachfolgesystems. Bei dem Nachfolgesystem wird daher aktuell an einem System gearbeitet, welches eine Kombination aus mechanischen, sprengtechnischen und elektromagnetischen Wirkmethoden beinhaltet. Auch in diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass wir aus meiner Sicht auf einem sehr guten Weg sind und es gelingen kann, das Auftreten einer Fähigkeitslücke zu verhindern.
Mit Blick auf die Aufgaben „Überwinden von Gewässern und Einschnitten“ geht aktuell der Brückenlegepanzer Biber aus guten Gründen aus der Nutzung und wird derzeit durch den Brückenlegepanzer Leguan ersetzt. Mit dem Leguan machen wir einen großen Schritt nach vorn und das Erfreuliche ist, dass die entsprechenden Zuläufe auch schon stattfinden. Unverändert leistet die sehr robuste Faltfestbrücke einen unverzichtbaren Dienst, jedoch gilt es auch bei dieser Fähigkeit, an einem leistungsfähigen Nachfolgesystem zu arbeiten. Für den Bereich der Schwimmbrücken verfügen wir nach wie vor über die unverändert bewährte und bei etlichen NATO-Partnern in Nutzung befindliche Faltschwimmbrücke sowie die Amphibie M3. Für die Amphibie M3 werden wir ein hochleistungs- und zukunftsfähiges Nachfolgesystem – aller Voraussicht nach zusammen mit Großbritannien – beschaffen. Die Planungen hierfür sind weit vorangeschritten und bedürfen jetzt der Umsetzung.