Schutz verteidigungswichtiger Infrastruktur aus Perspektive der Streitkräftebasis
Von Autorenteam Streitkräftebasis
2024 werden die Krim und Teile der Ostukraine bereits seit zehn Jahren durch Russland besetzt sein. Die seinerzeitigen „Trendwenden“ im Zuge der Refokussierung Deutschlands auf die Landes- und Bündnisverteidigung wurden 2022 in der Folge des russischen Überfalls auf die gesamte Ukraine durch die „Zeitenwende“ abgelöst. Die erstmalig aufgesetzte Nationale Sicherheitsstrategie Deutschlands sowie die Aktualisierung der Verteidigungspolitischen Richtlinien markierten 2023 zwei zentrale politische Meilensteine auf dem Weg zur Umsetzung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Wende Deutschlands. Ziel dieser Veränderungen ist die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Abschreckung sowie der militärischen Verteidigung innerhalb der NATO.
Wie viele Schutzräume waren das doch gleich? Glaubwürdig sind Abschreckung und Verteidigung nur, wenn sie verlässlich und auf die jeweils vorherrschende Bedrohung ausgerichtet sind. Russische Angriffe mit weitreichenden Waffen gegen die Energieinfrastruktur der Ukraine, der massenhafte Ausfall der Fernsteuerung deutscher Windkraftanlagen, die Zerstörung von Nord Stream 1 und 2, Sabotage gegen die Deutsche Bahn und Drohnen über deutschen Truppenübungsplätzen haben dabei den Schutz kritischer und verteidigungswichtiger Infrastruktur verstärkt in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung geruckt. Das öffentliche Interesse an der Zahl und dem Zustand von Schutzbauten und verfügbaren Luftverteidigungssystemen in Deutschland durfte seit Ende des Kalten Krieges wohl kaum großer gewesen sein als in den vergangenen zwei Jahren. Zugleich wurde auch für Bürger ohne militärische Kenntnisse offensichtlich, dass Kriege nicht nur an einer Front stattfinden, sondern auch Unterstutzungskräfte in der gesamten Tiefe des Raumes bedroht werden. Die öffentliche sicherheitspolitische Debatte ist deutlich sensibler geworden für die strategischen Zusammenhange von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. So werden ausländische Investitionen wie zum Beispiel in deutsche Mobilfunknetze oder die deutsche Hafeninfrastruktur gegenwärtig nicht mehr nur als „rein wirtschaftliche“ Projekte, sondern auch unter Sicherheitsaspekten öffentlich intensiv diskutiert. Zudem hat die Coronakrise die Abhängigkeiten von globalen Lieferketten und die Auswirkungen von teilweise ungesteuertem Massenverhalten (Stichwort Hamsterkäufe) für alle Bürger sicht- und teils spürbar gemacht.
Kurzum: Hybride Bedrohungen sind schon länger keine Theorie mehr, sondern erlebbare Praxis. Deutschland erfährt daher eine seit Langem nicht dagewesene strategische Sensibilität für das, was die Nationale Sicherheitsstrategie mit dem Begriff und der Notwendigkeit der „Integrierten Sicherheit“ auf den Punkt bringt. Das wachsende Schutzbedürfnis der Bevölkerung ist quasi mit Händen zu greifen. Der Schutz kritischer und verteidigungswichtiger Infrastruktur ist in diesem Zusammenhang essenziell, um politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und militärische Leistungspotenziale vor feindseliger Beeinträchtigung oder Zerstörung zu bewahren, ihre Einsatz- und Leistungsfähigkeit zu erhalten und staatliche Handlungsfähigkeit zu sichern.
Angesichts eines zunehmend hybriden Bedrohungsspektrums ist der Schutz kritischer und verteidigungswichtiger Infrastruktur somit ein Ausgangspunkt der Übersetzung von integrierter Sicherheit in integrierte Verteidigung. Die Streitkräftebasis hat in diesem Kontext proaktiv begonnen, ein Schutzkonzept für die eigene verteidigungswichtige Infrastruktur zu erstellen. Grundsätzlich muss ein entsprechendes Schutzkonzept eine einfache Abfolge von Fragen beantworten: Was und wo ist schützenswerte Infrastruktur? Gegen was ist diese zu schützen? Welche Fähigkeiten werden hierzu benötigt und wie und ggf. von wem sind diese Fähigkeiten bereitzustellen, sprich, welche Stelle soll sinnvollerweise über sie verfügen und wie sind diese Fähigkeiten zu alimentieren?