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Prof. Dr. Klaus Beckmann, Präsident der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (Foto © Autor)

Wargaming als Methode für Analyse, Entscheidungsfindung und Forschung

Prof. Dr. Klaus Beckmann, Präsident der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg (Foto © Autor)
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Im vergangenen Jahr fand die Wargaming Initiative Conference (WIN24) der NATO unter inhaltlicher Verantwortung der Führungsakademie der Bundeswehr an der Helmut-Schmidt-Universität statt. Sie wurde mit dem Ausbildungskongress der Bundeswehr unter inhaltlicher Federführung der Universität verbunden, der sich seinerseits dem Thema Wargaming verschrieben hatte – und die dieses Feld auch weiter betreuen soll. In der Auswertung beider Vorhaben konnte ich zufrieden feststellen, dass sich etwas in Deutschland bewegt im Wargaming, und dass der erwartete Trend klar aufwärts gerichtet ist. Natürlich hat uns bei diesem Unterfangen das 200. Jubiläum des Preußischen Kriegsspiels ein wenig geholfen.

Im vorliegenden Beitrag möchte ich den aufwachsenden Bereich des „Wargaming“ für den militärischen Leser gleichsam kartografieren und einige seiner Felder bewerten. Zudem erlaube ich mir vereinzelte kritische Hinweise. Dazu werden wir uns zunächst begrifflichen und modelltheoretischen Grundlagen widmen, um dann die Verwendung des Wargaming in der Ausbildung (realitätsidentisches scenario learning) und in der operativen Planung näher zu beleuchten. Zum Schluss stelle ich einen Ansatz vor, der es erlauben könnte, die verschiedenen Aufgaben in einem gemeinsamen analytischen Rahmen zu lösen.

Wargaming 101

Ich definiere ein Wargame als eine Simulation mit menschlichem Input. Wir haben also erstens einen Mechanismus, der realweltliche Zusammenhänge modellhaft abbildet, und zweitens die Möglichkeit für menschliche Spieler, in diesen Mechanismus auf definierte Weise einzugreifen. Damit stellt ein SIRA-Durchgang ein Wargame dar. Ein GÜZ-Durchgang dagegen nicht, weil die Teilnehmenden unmittelbar miteinander interagieren und nicht über eine „zwischengeschaltete“ Simulation. Der Mechanismus der Simulation kann unterschiedlichste Formen annehmen. Das Spektrum reicht von den Kartenbrettern der Grognards mit ihren ikonischen Hexfeldern bis hin zu einer vollständigen Simulation der physischen Realität im Rahmen des dtec.bw-Projektes „GhostPlay“ oder einer vergleichbaren technischen Lösung. Eine besondere Frage in diesem Zusammenhang ist, ob man menschliche Schiedsrichter zulassen will und welchen Entscheidungsfreiraum man diesen ggf. zubilligt. Jedes Wargame muss ein Regelwerk haben, aber dessen Detaillierungsgrad und Umfang variiert von Spiel zu Spiel stark. Und schließlich ist zu klären, welche realweltlichen Zusammhänge im Mittelpunkt stehen sollen, also im Modell korrekt abzubilden sind. Das Streben nach einer Karte des Reiches im Maßstab 1:1 erweist sich bei der Modellbildung als ein schlechter Berater.

Welches Design angemessen ist, ergibt sich aus dem Zweck des Wargames. Diese Frage wiederum zerfällt in zwei Teile: erstens nach der Ebene der Analyse und zweitens nach der intendierten Anwendung. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Matrix, die durch die beiden Dimensionen aufgespannt wird, und die entsprechenden Anwendungsgebiete.

 

Matrix © Autor

Bei der Analyse steht meist die Ebene der Handlungen, also der Courses of Action (COA) im Mittelpunkt. Schlicht gesprochen geht es um das, was die Spieler im Rahmen der Spielregeln tun. Davon strikt zu unterscheiden ist die Ebene der Regeln, also die Beschreibung des vorliegenden Wargame und des Simulationsmechanismus einschließlich der für die Spieler zulässigen Optionen. In der Ökonomik gehört diese Unterscheidung von Handlungs- und Regelebene seit Hobbes‘ Leviathan zum Inventar. Es ist etwas anderes, sich innerhalb der bestehenden Straßenverkehrsordnung über die Wahl der Fahrgeschwindigkeit zu entscheiden, als über ein allgemeines Tempolimit zu befinden. Im ersten Fall nehme ich die geltende Beschränkung zur Kenntnis und kalkuliere die erwartete Strafe bei einer Überschreitung im Vergleich mit dem Vorteil dieser Überschreitung, der zum einen in der Zeitersparnis und zum anderen in der durchaus realen „Freude am Fahren“ besteht. Im zweiten Fall berücksichtige ich die Wirkung der Regeländerung auf das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer und bewerte diese vor dem Hintergrund meiner eigenen Zielfunktion. Das Ergebnis kann durchaus anders ausfallen: Es mag also – muss aber nicht – rational für einen Sportfahrer sein, einem allgemeinen Tempolimit zuzustimmen.

Nun können auch Regeln Gegenstand strategischer oder operativer Entscheidungen sein. Sun Tzus Diktum, es gelte die Schlacht zu gewinnen, bevor sie beginnt, und die Vorstellung von Preemption in der militärischen Führungslehre beruhen darauf. Will man dies in einem Wargame endogenisieren, dann gilt es, verschiedene Ebenen von Spielregeln zu unterscheiden, solche, die man dem Einfluss der Spieler unterwirft, und Meta-Regeln, welche das Ringen um die Regelsetzung ordnen. Ganz oben auf dieser Leiter findet sich die semantische Ebene. Wie wird betrachtet, welche Begriffe, aussagenlogische Systeme und Modelle für die Formulierung des Wargames genutzt werden. Die Wahl eines Hexagon-Rasters für die Landkarte, die Einrichtung und Befugnisse eines Schiedsrichters etc. gehören hierher, aber auch wissenschaftstheoretische Überlegungen zur Nutzung eines Wargames per se. Mit Blick auf die Anwendungsmöglichkeiten sind drei Gruppen zu unterscheiden: eine Nutzung in der Ausbildung, zur Unterstützung von Entscheidungsfindungsprozessen oder als Vehikel für wissenschaftliche Forschung.

Von Prof. Dr. Klaus Beckmann, Präsident der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg

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