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„Wir müssen verteidigungsbereit sein, bevor Russland sich rekonstituiert hat!“

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Nachgefragt bei … Generalleutnant Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandierender General Multinationales Korps Nord-Ost

Herr General, wie beurteilen Sie zurzeit die Lage an der Nordostflanke der NATO? Die Lage an der NATO-Nordostflanke ist definitiv angespannt. Sie ist, aber das sage ich ganz selbstbewusst und aus voller Überzeugung, im Griff. Es ist natürlich nicht zu verleugnen, dass mit dem Aufwuchs der Kräftemassierung Russlands an der ukrainischen Grenze und letztendlich mit dem grausamen Angriffskrieg, welcher von Russland am 24. Februar 2022 der Ukraine auferlegt wurde, die Anspannung innerhalb unseres Verantwortungsraumes quasi mit Händen zu greifen ist. Und das ist aus meiner Bewertung sehr nachvollziehbar. Die Länder, der gesamte Raum, der sich zwischen Estland, Lettland, Litauen und Polen abbildet und für den wir in unserem Hauptquartier verantwortlich sind, steht mit dem Rücken zur Ostsee und im Osten mit der Front, wenn ich den Begriff nutzen darf, nach Russland. Unser Raum teilt sich eine 2.200 Kilometer lange Grenze mit russischem Einflussbereich, der Kaliningrad und Belarus, welches wir als willfährigen Proxy von Russland verstehen, einschließt.

Generalleutnant von Sandrart im Interview mit Chefredakteur Michael Horst. (Foto © Horst)

Wie bewerten Sie die geplante dauerhafte Stationierung einer deutschen Kampftruppenbrigade in Litauen? Hilft das? Das hilft definitiv. Eine deutsche Brigade mit ihrem Leistungsprofil und ihrer Befähigung stell immer einen erheblichen Mehrwert dar. Deshalb bewerte ich das als sehr positiv und freue mich über die Entscheidung unseres Ministers, jetzt konsequent auch die Initiative zu übernehmen, um Deutschland tatsächlich als entscheidenden Partner für die Verteidigung der Nordostflanke zu manifestieren. Ich möchte hier auf den kanadischen Chief of Defence Staff verweisen, der die Grenze zu Russland als „our Boundary Line of Freedom“ definiert hat. Kanada wird, genauso wie Deutschland in Litauen, erhebliche Kräfte in Lettland einsetzen. Zusammenfassend: Gute Entscheidung. Zweitens: Wir sind nicht allein. Drittens: Das ist auch das, was man von Deutschland erwarten kann.

Welche militärische und politische Relevanz hat das MNC NE (Multinational Corps Northeast) an der Nordostflanke der NATO und gibt es Besonderheiten? Das Hauptquartier, das ich hier führen darf, hat eine fast 25-jährige Tradition. Ging es mit der Aufstellung 1999 bis 2005 zunächst darum im Rahmen eines Capacity Buildings unsere neuen Bündnispartner an die NATO heranzuführen, stand das Hauptquartier nach Erreichen seiner Einsatzbereitschaft anschließend auch als verlegbares Hauptquartier bei allen NATO geführten Peace Support Operations zur Verfügung. Trauriges Zeugnis der Einsätze ausdieses HQs in Afghanistan sind die zwei Gedenktafeln für unsere beiden in Afghanistan gefallenen Kameraden aus Polen und Dänemark. Mit der russischen Annexion der Krim wechselte unsere Rolle in die dritte Phase: Bündnisverteidigung. Diese dauert bis heute an. Diese Phase ist mit den jüngsten wegweisenden Beschlüssen des NATO-Gipfels in Vilnius, u. a. zu den neuen Regionalplänen, jedoch nun in die nächste, vierte Phase eingetreten. Diese Entscheidungen betreffen uns direkt, weil sie den Rahmen für unsere taktischen Folgeplanungen setzen. Wir versuchen unsererseits, unseren Beitrag an dem umfassenden Anpassungsprozess in die Allianz einzubringen. Wir bringen unsere Erfahrung sowie die mit den Akteuren im Raum sehr enge und vertraute Vernetzung als unsere regionale Expertise ein. Dieses Korps ist von Beginn an das einzige Korps, und damit komme ich zu den Besonderheiten, dem bereits im Frieden ein Verteidigungsraum und ein Auftrag – Bündnisverteidigung – zugewiesen wurden.

Unserem Korps sind bereits im Frieden Kräfte unterstellt. Damit hat es ein Alleinstellungsmerkmal in der Familie aller NATO-Korps-Hauptquartiere. Diese sind als Hauptquartiere für eine Vielzahl von Aufträgen zertifiziert. Ihnen werden Auftrag, Kräfte und Raum bei Bedarf zugeordnet. Eine solche Unterscheidung ist relevant, denn der Auftrag, die Bündnisverteidigung vorne erfolgreich aufzunehmen, erfordert bereits im Frieden die zugeordneten Kräfte, den zu verteidigenden Raum und die erforderlichen Führungsstrukturen im Detail auszuplanen, auszubilden und so kriegsnah wie möglich zu beüben. So sind wir überhaupt erst verteidigungsbereit und verteidigungsfähig. Dies gilt umso mehr, nachdem klar geworden ist, dass Russland den Krieg als Mittel zur Erreichung politischer Ziele gewählt hat. Damit wurde die regelbasierte Ordnung der Konfliktbewältigung innerhalb der Sicherheits- und Außenpolitik verlassen. Dadurch ist es offensichtlich, dass wir wieder dort, wo wir eine unmittelbare Grenze mit Russland und Belarus haben, auch unmittelbar verteidigungsbereit sein müssen. Genau das bildet dieses Korps ab.

Das komplette Interview lesen Sie in der neuen Ausgabe des HARDTHÖHENKURIER.

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