Interview mit Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres
Sehr geehrter Herr General, welche Lehren ziehen Sie aus dem Ukrainekrieg für Landoperationen und für Landstreitkräfte?
Landstreitkräfte sind offensichtlich relevant. Das ist die erste Lehre, die ich daraus ziehe. Alle Fachleute, die uns in den letzten Jahren erzählen wollten, dass sich in einem Krieg alles nur noch sehr klinisch, hybrid und im Cyber- und Informationsraum abspielt, liegen daneben. Wir erleben einen schmutzigen, verzahnten, zeitfressenden Landkrieg mit gravierenden Verstößen gegen das Kriegsvölkerrecht. Ein Kriegsbild, das wir so in Mitteleuropa nicht mehr erwartet hatten. Im Hinblick auf operative und taktische Fragen bin ich noch sehr vorsichtig. Noch immer haben wir kein ganz klares und vollständiges Bild, was wirklich auf dem Schlachtfeld passiert. Wir sehen unterschiedliche Phasen des russischen Feldzuges, können vor allem aus ihren Fehlern lernen. Auf der ukrainischen Seite ist das Bild noch viel diffuser. Sicherlich auch aus Gründen der operativen Sicherheit haben wir noch nicht tiefe Einblicke in ihre Konzepte und die technologischen Aspekte. Eines können wir sicher sagen: Die Ukraine war gut vorbereitet. Sie hat die Zeit seit 2014 genutzt. Wir haben im Heer eine eigene Auswerteorganisation aufgesetzt, in der wir aus frei zugänglichen Quellen die Entwicklung analysieren, um daraus die richtigen Schlüsse für uns selbst zu ziehen.
„Abschreckung wirksam hinterlegen“: Dies fordert GenLt Alfons Mais im Gespräch mit Chefredakteur Burghard Lindhorst. (Foto ©Bw/Marco Dorow)
Die NATO hatte 2014 nach der Annexion der Krim u. a. durch die Aufstockung der NRF reagiert. Nun hat sie das New Force Model entwickelt, das in drei Bereitschaftsstufen eine weitere deutliche Verstärkung der Kräfte vorsieht. Was ist der Auftrag an die deutschen Landstreitkräfte und damit in erster Linie an das Deutsche Heer?
Das Konzept der NATO, das 2014/2015 entwickelt wurde, war auf eine Stolperdraht-Funktion von Kräften als Solidaritätszeichen für die osteuropäischen Partner ausgelegt, mit Verstärkungen der Kommandostrukturen, schnell beweglichen Verbänden, ohne Kräftekonzentration. Insgesamt sehr zurückhaltend, noch in der Annahme, dass Putin nicht weitermachen würde. Was wir jetzt mit dem New Force Model erleben, ist der Einstieg der NATO in eine konkrete Verteidigungsplanung. Ein ganz wesentlicher Schritt nach vorne, weg von den eher militärpolitischen Funktionen Stolperdraht und Rückversicherung hin zu konkreten Maßnahmen der Bündnisverteidigung. Das New Force Model ist das Werkzeug, um verlässliche Beiträge der Allianzpartner zu generieren und zeitlich abgestuft verfügbar zu halten. Die eingemeldeten Kräfte werden dann in einem nächsten Schritt mit klaren Aufträgen und Raumverantwortung in der Bündnisverteidigung versehen.
Das komplette Interview lesen Sie in der neuen Ausgabe des HHK!